Die Hauptversammlung der Deutschen Bank war erst einige Minuten alt, als Paul Achleitner Abbitte leistete. "Das öffentliche Bild der Deutschen Bank ist stark angeschlagen und beschädigt", sagt der Aufsichtsratschef der Bank vor rund 9000 Aktionären. Niemand könne damit und dem Aktienkurs zufrieden sein. Damit gab er gleich die Richtung der Hauptversammlung vor: Bloß keine Überheblichkeiten, stattdessen ein demütiges Auftreten vor den Aktionären und das Eingeständnis eigener Fehler.


Wir liefern Ihnen noch nicht die Renditen, die Sie erwarten und verdienen."
Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen gibt sich auf der HV selbstkritisch




"Wir liefern Ihnen noch nicht die Renditen, die Sie erwarten und verdienen", sagte Jürgen Fitschen. "Wir wissen, dass Sie enttäuscht sind", beteuerte Anshu Jain. Zwar sei der Aktienkurs seit Amtsantritt gestiegen, aber weniger als der vieler deutscher Firmen. Zudem seien die Kosten nicht weit genug gesunken, was auch an der Regulierung liege. "Die aufsichtsrechtlichen Hürden sind heute höher als wir oder die meisten anderen erwartet hatten."

Mit dem Rücken zur Wand



Jain und Fitschen wissen, wie groß die Kritik der Investoren ist - und wie eng es für sie persönlich geworden ist. Gerade Jain steht in der Kritik, weil er einst das Investmentbanking leitete. Allein wegen der Libor-Affäre, die in seiner Sparte wurzelt, musste die Bank kürzlich 2,3 Milliarden Euro Strafe zahlen.

Mehrere mächtige Investorenberatungen aus den USA und Großbritannien hatten zuvor angekündigt, Jain und Fitschen auf der Hauptversammlung nicht zu entlasten und sie so öffentlich in Frage gestellt. Zwar hat die Deutsche Bank jüngst ihre "Strategie 2020" vorgestellt, die die Abspaltung der Postbank, Einschnitte im Investmentbanking und den Abbau vieler Filialen vorsieht. Doch wichtige Details, etwa wie sie zu hohen Kosten senken will, ist sie schuldig geblieben. Viele Investoren hatten sich radikalere Schritte gewünscht. Das Jahr 2020 ist vielen zu weit weg, sie wollen schneller Erfolge sehen. Jain und Fitschen wissen: Viel Zeit bleibt ihnen nicht mehr.

Den Ärger vieler Aktionäre brachte Ingo Speich, Fondsmanager bei Union Investment auf den Punkt. "Die Bank hat acht verlorene Jahre hinter sich", klagte er. Nach einer langen Durststrecke stelle sie jetzt schon wieder fünf unprofitable Übergangsjahre mit Restrukturierungskosten in Milliardenhöhe in Aussicht. "Wir fragen uns langsam, ob das Management der Deutschen Bank noch in der Lage ist, das Unternehmen adäquat zu führen." Er entlastet den Vorstand nicht. "Die Zeit der Ausreden ist vorbei, Sie müssen jetzt liefern."


Wer den Bock zum Gärtner macht, darf sich nicht wundern, wenn er den Garten kahl frisst und die anderen Schafe es ihm gleich tun."
Klaus Nieding, Vizepräsident der DSW auf der HV der Deutschen Bank zu den Verfehlungen im Investmentbanking und den entsprechenden Milliardenstrafen




Ähnlich sah das Klaus Nieding, Vizepräsident des Anlegerschutzvereins DSW. "Seit Jahren verbreiten Sie Jubelmeldungen, doch die Realität außerhalb der Bank sieht anders aus." Er ging Jain frontal an: "Die Rekordstrafe für die Libor-Affäre ist ein Schlag ins Gesicht des von ihnen ausgerufenen Kulturkampfs." Der in den vergangenen Jahren gewachsene Einfluss der Investmentbanker sei Ursache für den Niedergang in der Bank.

"Wer den Bock zum Gärtner macht, darf sich nicht wundern, wenn er den Garten kahl frisst und die anderen Schafe es ihm gleich tun", sagte er mit Blick auf die hohen Strafen aus dem Investmentbanking. "Wir alle zahlen die Zeche für die Casino-Zockereien ihrer Investmentbanker", sagte Nieding mit Blick auf Jain. Die DSW will nun eine unabhängige Sonderprüfung zu den Rechtsstreitigkeiten der Bank durchsetzen.

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Doppeldeutiges Bekenntnis zu Jain



Im Wissen um die heftige Kritik hatte die Bank in der Nacht zuvor noch hastig einen Vorstandsumbau verkündet. Anshu Jain übernimmt die Verantwortung für die neue Strategie. Der bisherige Finanzchef Stefan Krause bekommt die Vorstandsverantwortung für den Zahlungsverkehr und kümmert sich um den Abbau der internen Bad Bank. Als Finanzchef wird er wiederum von Ex-Goldman-Sachs-Banker Markus Schenck abgelöst.

Auch zieht die Deutsche Bank personelle Konsequenzen aus dem Libor-Skandal. Sie trennt sich von Asien-Manager Alan Cloete, der ins Visier der Ermittler gerückt war. Auch Großbritannien-Chef Colline Grassie muss gehen. Dazu gibt das Geldhaus auch offiziell den Abgang von Privatkundenvorstand Rainer Neske bekannt, der mit der neuen Strategie viel Macht verlor. Als er sich für seine Verabschiedung durch Achleitner kurz von seinem Platz erhob, erntet er tosenden Applaus der Aktionäre.

Die Aktionäre stehen nicht hinter den Einschnitten im Privatkundengeschäft. Stattdessen misstrauen sie Jain, der nur höhnisches Gelächter und Buh-Rufe erntet.

Zentraler Baustein des Vorstandumbaus ist daher die Rückendeckung für Jain. Zu ihm war Achleitner zuletzt in einem Interview auf Distanz gegangen. Indem die Bank Jain nun die Verantwortung für die neue Strategie 2020 erteilt, bekennt sie sich zu ihm - und nimmt ihn zugleich in die Pflicht. Sie verknüpft damit den Erfolg oder Misserfolg des Umbaus mit seinem Namen. Damit ist endgültig klar: Scheitert die neue Strategie, ist Jain als Bankchef erledigt.

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Seitenhieb auf Ackermann



Jain versucht, seine Leistung und die von Co-Chef Fitschen seit 2012 zu rechtfertigen. Zu ihrem Amtsantritt sei die Bank zu stark vom Investmentbanking abhängig gewesen, habe viel zu hohe Kosten und eine zu dünne Kapitaldecke gehabt und habe viele mit sich herum geschleppt. Das ist ein deutlicher Seitenhieb auf Vorgänger Josef Ackermann. Nun habe die Bank ihre Kapitaldecke gestärkt, die Sparten ausbalanciert, einen Kulturwandel eingeleitet und in die Infrastruktur der Bank investiert, sagt Jain. Allerdings seien die Kosten noch immer zu hoch und die Strafen für Skandale aus dem Investmentbanking noch nicht aufgearbeitet. Er erntet Spott.

Schnell wird klar: Viele Aktionäre wollen Jain nicht mehr als Bankchef sehen, bei jedem Angriff der Aktionärsvertreter gegen ihn bricht Applaus aus. Etwa, als Markus Kienle Rechtsanwalt bei der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, fragt: "Sind Sie Herr Jain Problem oder Lösung dieser Bank, oder beides?" Die viel zu langsame Aufarbeitung der Libor-Affäre weckten Zweifel an seiner Eignung.

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Fitschen genießt offenbar noch Kredit bei den Aktionären



Jürgen Fitschen hingegen scheint bei den Aktionären noch Kredit zu genießen, trotz der Ermittlungen gegen ihn wegen mutmaßlichem Prozessbetrugs. Alles Feuer konzentriert sich auf Jain. Auch Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung der institutionellen Privatanleger greift ihn an. Als Chef der Investmentbank habe Jain von der Manipulation der Libor-Affäre wissen müssen. Nun sei er über die hohen Strafen entsetzt. "Doch Sie bedauern, wir bezahlen. Dann gehen Sie doch."

Am schwersten wiegt dann das Misstrauensvotum der einflussreichen britischen Investorenberatung Hermes. "Wir werden den Vorstand nicht entlassen, weil er nicht mehr unser Vertrauen genießt", sagt Aktionärsberater Hans-Christoph Hirt. "Der Vorstandsumbau muss weit über das gestrige Stühlerücken hinaus gehen", sagt er und bringt so weitere personelle Konsequenzen ins Spiel - als wäre in der Nacht zuvor nichts geschehen.

Der Deutschen Bank stehen turbulente Zeiten bevor.