Die Bundesregierung hat den Energieriesen E.ON zur Aufgabe seiner Pläne für eine Auslagerung der deutschen Atomkraftwerke gezwungen. Diese würden nun doch nicht 2016 in den neuen Konzern Uniper abgeschoben, E.ON bleibe für den milliardenschweren Abriss der Meiler und die Müllentsorgung verantwortlich, kündigte Vorstandschef Johannes Teyssen am Donnerstag an. "Ich bin ganz ehrlich: Mit so etwas habe ich nicht gerechnet", sagte der Manager zu den Plänen von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Dieser hatte angekündigt, die Haftungszeiten zu verlängern, damit E.ON im Fall einer Aufspaltung langfristig für eventuelle Zusatzkosten des Atomausstiegs geradestehen muss. E.ON droht in diesem Jahr ein Rekordverlust. An der Börse fiel die Aktie auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren.

Von einem "Erpressungsversuch" Gabriels wolle er nicht reden, sagte Teyssen in einer Telefonkonferenz. Er halte die Pläne aber für schlichtweg falsch. So etwas gebe es in keiner anderen Branche. "Ich bin ziemlich überzeugt davon, dass ein solches Gesetz letztlich keinen Bestand vor dem Bundesverfassungsgericht haben würde." Zugleich wies er Vorwürfe zurück, E.ON habe sich mit den Aufspaltungsplänen aus der Verantwortung stehlen wollen. Dies hatten Kritiker dem Konzern vorgehalten, der nach bisheriger Gesetzeslage nach einer Abspaltung der Meiler nur noch fünf Jahre für Zusatzkosten haften müsste. Der Abriss der Kernkraftwerke und die Entsorgung des Jahrtausende strahlenden Mülls wird hohe Milliarden-Summen verschlingen.

DEUTSCHE ATOMKRAFTWERKE IN NEUER TOCHTER "PREUSSENELEKTRA"



An den Plänen zur Abspaltung von Geschäftsbereichen hält E.ON fest. So sollen die Kohle- und Gaskraftwerke sowie der Energiehandel Anfang 2016 in die neue Gesellschaft Uniper übergehen. Teyssen bezeichnete das Risiko als hoch, dass es in dem Prozess zu Verzögerung kommen könnte, er halte aber am Zeitplan fest. "Wir können und wollen nicht auf etwaige politische Entscheidungen warten, die die Abspaltung von Uniper verzögern könnten", begründete er die jetzige Kehrtwende. Er könne es den Eigentümern von E.ON nicht zumuten, unbegrenzt für Anlagen zu haften, über die der Konzern nach der geplanten vollständigen Abgabe von Uniper keinen Einfluss mehr habe.

Die deutschen Meiler gehen in die neue E.ON-Tochter "PreussenElektra" in Hannover über. E.ON betreibt hierzulande noch drei Atomkraftwerke - Brokdorf, Grohnde und Isar 2 - und hält an weiteren Minderheitsanteile. Spätestens Ende 2022 soll das letzte AKW in Deutschland stillgelegt werden. E.ON will sich auf das zukunftsträchtige Ökostromgeschäft und den lukrativen Betrieb der Strom- und Gasnetze konzentrieren.

MEINUNGEN DER EXPERTEN ÜBER KEHRTWENDE GEHEN AUSEINANDER



Experten und Investoren reagierten unterschiedlich. Der neue E.ON-Konzern verliere wegen der AKW-Pflichten an Attraktivität, erklärte Equinet-Analyst Michael Schaefer. Auch der Ausblick für Uniper sei schwach, wie die jüngsten Abschreibungen zeigten. E.ON will wegen der gefallenen Strom-Großhandelspreise im laufenden Quartal einen "höheren einstelligen Milliardenbetrag" abschreiben. Teyssen habe mit dem jetzigen Schritt in Sachen AKW für Klarheit gesorgt, sagte hingegen der Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Thomas Hechtfischer, der Nachrichtenagentur Reuters. "Man kann damit leben, wenn das große Ziel einer Aufspaltung dadurch weiter verfolgt wird." Mit nur noch drei laufenden E.ON-Atomkraftwerken in Deutschland sei das Risiko überschaubar.

Die Aktie rauschte dennoch zeitweise fast sechs Prozent in den Keller und war damit Schlusslicht im Leitindex Dax. Grund hierfür waren auch die erneut hohen Abschreibungen auf die schwächelnden Kraftwerke. E.ON droht damit 2015 ein Rekordverlust. Es müsse mit einem Fehlbetrag in der Größenordnung eines "mittleren einstelligen Milliardenbetrags" gerechnet werden, sagte Teyssen. "Ob das den Titel Rekord hat oder nicht, weiß ich nicht." 2014 hatte E.ON einen Verlust von 3,16 Milliarden Euro verbucht - den höchsten Fehlbetrag in der Unternehmensgeschichte.

Reuters