Bislang waren EU-Vertreter davon ausgegangen, dass das Vereinigte Königreich etwas länger, nämlich bis zum Dezember-Treffen der Staats- und Regierungschefs, Zeit hat, um einen Durchbruch zu erzielen. Barnier traf seine Aussagen nach der sechsten Verhandlungsrunde mit dem britischen Brexit-Minister David Davis. Die Gespräche verliefen weitgehend ergebnislos.

Knackpunkt ist vor allem die Höhe der Rechnung, die die Briten beim Abschied von der EU begleichen müssen. Brüssel veranschlagt den Posten je nach Rechenmethode zwischen 60 und 100 Milliarden Euro. Gleichzeitig beharrt die EU auf Zusagen für EU-Bürger, die nach dem Brexit weiter im Königreich leben wollen. "Nur wesentlicher Fortschritt wird in die zweite Phase führen", sagte Barnier. Erst dann will die EU auch über die künftigen Beziehungen zur Insel reden, also vor allem über den Verbleib im Binnenmarkt oder einen Handelsvertrag.

Davis bot an, für eine Fortsetzung der Gespräche jederzeit bereitzustehen. Doch einen Termin für die siebte Verhandlungsrunde in der ersten Phase gibt es nicht. Der Brexit soll am 29. März 2019 über die Bühne gehen.

ZOFF UM IRLAND



Ein weiterer Streitpunkt ist der künftige Grenzstatus zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland. Es sei klar, dass die einzigartige Situation von Nordirland einer spezifischen Lösung bedürfe, sagte Davis. "Aber dies darf nicht zu einer neuen Grenze innerhalb von Großbritannien führen." Die Idee, die dahintersteht, ist folgende: Um nach dem Brexit in Irland keine Grenzkontrollen zwischen den Landesteilen einführen zu müssen, wird durchgespielt, Nordirland innerhalb der EU zu belassen. Damit würde die offizielle EU-Außengrenze zwischen Nordirland und der britischen Insel verlaufen. Davis wies den Vorschlag nun zurück.

Politiker in Brüssel und Dublin fürchten, dass der Ausstieg Großbritanniens aus der EU den fragilen Frieden in der Region gefährdet. Irische Untergrundkämpfer wie etwa von der IRA haben jahrzehntelang mit Waffengewalt und Bombenanschlägen für eine Wiedervereinigung der Insel gekämpft. Erst das Karfreitagsabkommen Ende der 90er-Jahre ebnete den Weg für eine Entwaffnung und schuf Institutionen, die beide Seiten an einen Tisch brachten.

Der ungewisse Ausgang der Brexit-Verhandlungen sorgt auch bei der deutschen Industrie für Unruhe. "Die Gefahr eines sehr harten Brexits bleibt hoch", sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Die Wirtschaft brauche Rechtssicherheit und Klarheit, insbesondere zum Status ihrer Mitarbeiter im Vereinigten Königreich. Angesichts der Unsicherheiten bereiteten sich die deutschen Unternehmen auf alles vor, auch auf einen ungeordneten EU-Ausstieg der Briten. "Alles andere wäre naiv." Für Konzerne wie Siemens, BASF oder Volkswagen stehen Milliarden auf dem Spiel: Das Vereinigte Königreich ist weltweit der drittgrößte Abnehmer von deutschen Waren. Das Volumen der Exporte lag voriges Jahr bei 86 Milliarden Euro.

rtr