Die Staats- und Regierungschefs der EU beauftragten nach mehrstündigen Beratungen in der Nacht zum Dienstag EU-Ratspräsident Donald Tusk, mit der türkischen Seite bis zum 17. März ein Paket auszuhandeln. Die Türkei ist demnach bereit, die illegale Migration Richtung Griechenland komplett zu stoppen. Im Gegenzug soll die EU Flüchtlinge direkt aus der Türkei übernehmen, die Visa-Freiheit für türkische Staatsbürger schneller umsetzen und das Land stärker finanziell bei der Versorgung von Flüchtlingen unterstützen.

"Die Tage illegaler Migration nach Europa sind vorbei", sagte Tusk auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die türkischen Vorschläge als Durchbruch, wenn sie realisiert würden. Damit könne die Kette illegaler Migration unterbrochen werden.

Die CDU-Chefin verteidigte den Aufschub einer endgültigen Entscheidung mit dem Hinweis, dass einige EU-Regierungen sich über die neuen Vorschläge noch mit ihren Parlamenten abstimmen müssten. Am Sonntag stehen in drei Bundesländern Wahlen an, die auch als Stimmungstest für die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin gelten.

Merkel erwartet für die kommenden Tage schwierige Verhandlungen etwa mit Zypern, um die Zustimmung zu der von der Türkei im Gegenzug geforderten Eröffnung weiterer Kapitel in den EU-Beitrittsverhandlungen zu erhalten. Ein Beitritt der Türkei zur EU stehe derzeit aber "nicht auf der Agenda". Weniger Probleme sieht Merkel darin, der Türkei 2018 weitere drei Milliarden Euro zur Versorgung syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge im Land bereitzustellen. Die dritte türkische Forderung - schnelle EU-Visafreiheit - sei daran gebunden, dass das Land bis Juni selbst alle Voraussetzungen dafür schaffe. Nach Angaben des französischen Präsidenten Francois Hollande muss die Türkei dafür 72 Bedingungen erfüllen.

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STREIT ÜBER MEDIENFREIHEIT IN TÜRKEI BLEIBT



In der Abschlusserklärung des EU-Gipfels heißt es, die schon zugesagten drei Milliarden Euro für die Türkei zur besseren Versorgung von Flüchtlingen sollten zügig ausgezahlt werden. Zudem werden weitere Finanzmittel in Aussicht gestellt, eine konkrete Summe aber nicht genannt. In einem zuvor von der Nachrichtenagentur Reuters eingesehenen Entwurf hieß es noch, die Türkei habe weitere drei Milliarden Euro bis 2018 verlangt. Zudem wurde in der Abschlusserklärung die Formulierung gestrichen, dass die Westbalkanroute für Migranten geschlossen sei. EU-Diplomaten zufolge hatten sich Merkel und Juncker gegen diesen Satz ausgesprochen. Stattdessen wird nur festgestellt, dass der Migrationsstrom über die Westbalkanroute zum Erliegen gekommen ist. In der Abschlusserklärung wird zudem gefordert, alle Maßnahmen in der Flüchtlingskrise umzusetzen, damit nationale Grenzkontrollen enden können und der kontrollfreie Schengen-Raum bis Jahresende wiederhergestellt ist.

Kernpunkt der Vereinbarungen mit der Türkei soll sein, dass die Regierung in Ankara alle Migranten zurücknimmt, die von ihrem Boden aus illegal in die EU eingereist sind. Syrische Flüchtlinge, die diesen Weg rechtswidrig gewählt haben, sollen ebenfalls in die Türkei zurückgebracht werden. Zugleich sollen jedoch gleich viele Syrer aus den dortigen Flüchtlingslagern in die EU-Staaten überführt werden. Juncker sagte, die Vorhaben seien legal abgesichert, da die Türkei für Griechenland ein sicheres Drittland und für die EU ein sicheres Herkunftsland sei. Beide Punkte gelten als Voraussetzung dafür, dass EU-Gerichte mögliche Abschiebungen in die Türkei nicht kippen.

Merkel sagte, die EU-Regierungen hätten gegenüber Davutoglu wegen des Vorgehens gegen regierungskritische Zeitungen auch den Wert der Pressefreiheit deutlich gemacht. Wegen der geopolitische Lage des Landes sei eine gewisse strategische Beziehung aber "im absoluten europäischen Interesse". Davutoglu bezeichnete das Vorgehen der türkischen Behörden gegen die Zeitung "Zaman" als Fall für die Justiz und nicht für die Politik. In der Türkei gebe es sehr wohl eine Reihe regierungskritischer Zeitungen. Er sei gegen jegliche Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Reuters