Mit der Entscheidung erhöht sie ihre Feuerkraft zur Krisenbekämpfung. Denn damit kann die Notenbank besonders stark betroffenen Ländern wie Italien oder Spanien künftig noch stärker mit Anleihenkäufen unter die Arme greifen.

Die Entscheidung sorgte prompt für etwas Entspannung am Anleihenmarkt. Die Renditen der Staatsanleihen Italiens gaben deutlich nach. Die Rendite kurzfristiger italienischer Bonds büßte zeitweise 0,18 Prozentpunkte auf 0,34 Prozent ein. Die Rendite der zehnjährigen Anleihe verringerte sich um 0,16 Prozentpunkte auf 1,41 Prozent.

"Kurz zusammengefasst werden mit der Entscheidung praktisch alle Beschränkungen für Wertpapierkäufe beiseite geräumt, was die Glaubwürdigkeit hinsichtlich der Entschlossenheit der EZB weiter verstärkt," urteilte Notenbank-Experte Frederik Ducrozet vom Schweizer Bankhaus Pictet. Ähnlich äußerte sich sein Kollege Florian Hense vom Bankhaus Berenberg: "Dies zeigt einmal wieder, wenn es um Schritte in einem wirklich überzeugenden Umfang geht, dass die EZB die einzige Institution ist, die dazu zumindest bislang in der Lage ist."

Im Tagesverlauf beraten die EU-Staats- und Regierungschefs auf einer Video-Konferenz über die Krise. Im Vorfeld waren die Rufe nach gemeinsamen Anleihen der Euro-Staaten laut geworden, um besonders betroffenen Ländern mehr zu helfen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz lehnt gemeinsame Staatsanleihen von Euro-Ländern - aktuell "Corona-Bonds" genannt - allerdings weiterhin ab.

Die EZB hatte ihr Rettungsprogramm in der vergangenen Woche beschlossen. Es ist auf einen Umfang von 750 Milliarden Euro angelegt und soll bis Ende 2020 laufen. Zusammen mit bereits laufenden und schon geplanten Käufen von Staatsanleihen, Firmenanleihen und anderen Titeln steigt das Volumen aller Anleihenkäufe der Währungshüter damit in diesem Jahr auf 1,1 Billionen Euro. Bei der Ankündigung hatte die EZB bereits mitgeteilt, dass sie erwägen könnte, die Kaufobergrenzen zu überprüfen.

RECHTLICHE FALLSTRICKE


Die Entscheidung ist Analysten zufolge allerdings womöglich juristisch heikel. Denn der Europäische Gerichtshof hatte Ende 2018 in seinem Urteil zu den Anleihenkäufen der Notenbank auf die Kaufobergrenzen hingewiesen. In Deutschland steht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den EZB-Anleihenkäufen noch aus. Kläger in Karlsruhe wie der Berliner Finanzwissenschaftler Markus Kerber hatten der Notenbank vorgeworfen, sie würde mit ihren Käufen von Staatsanleihen ihre Kompetenzen überschreiten.

Die EZB-Entscheidung zu den Obergrenzen ist Wasser auf ihren Mühlen. "Die EZB ist zu einer souveränen Diktatur geworden, die macht was sie will," kommentierte Kerber den Beschluss. "Die EZB ist praktisch unkontrolliert und unkontrollierbar." Sie kämpfe um den Erhalt des Euro und auch um ihre Autorität. Sie versuche wesentliche Teile des Währungsgebiets - Italien - vor den Märkten zu schützen. Das mit Spannung erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den bisherigen Staatsanleihenkäufen ist vor kurzem wegen der Viruskrise auf den 5. Mai verschoben worden.

rtr