Es sei aber klar geworden, dass die politische Situation in Frankreich einen Zusammenschluss gegenwärtig unmöglich mache. Die französische Regierung, Großaktionär bei Renault, wies die Kritik zurück und zeigte sich offen für einen neuen Anlauf. Durch einen Zusammenschluss von Fiat und Renault könnte der drittgrößte Automobilkonzern der Welt nach Toyota und Volkswagen entstehen.

Die gesamte Autobranche befindet sich derzeit im Umbruch. Die Konzerne tüfteln an elektrisch betriebenen und selbstfahrenden Autos, die Entwicklungskosten gehen in die Milliarden. Daher werden Allianzen immer wichtiger. Entsprechend enttäuscht reagierten Börsianer auf das überraschende Aus in den Gesprächen zwischen Fiat und Renault. Die Aktien von Renault brachen in Paris um bis zu acht Prozent ein. Das war der größte Kursrutsch seit einem halben Jahr. "Nach dem Fiat-Rückzug muss man sich fragen, inwieweit der französische Staat die strategischen und bewertungsrelevanten Optionen von Renault einschränkt, obwohl er nur einen Anteil von 15 Prozent hält", kommentierten die Analysten von Jefferies. In Mailand verloren die Titel von Fiat Chrysler zeitweise knapp vier Prozent. Der Index für die europäische Automobil-Industrie hielt sich dagegen knapp im Plus. Größter Gewinner war hier der Renault-Erzrivale Peugeot mit einem Kursplus von 2,3 Prozent.

Der Renault-Verwaltungsrat hatte am Mittwochabend getagt und erneut darüber beraten, ob die Fusionsgespräche mit Fiat vertieft werden sollen. Zunächst hatten Insider berichtet, Fiat und Frankreich seien sich im Grundsatz einig über die Bedingungen des Zusammenschlusses. Mitten in der Nacht zog Fiat dann überraschend die Reißleine. Renault erklärte dazu, der Verwaltungsrat habe keine Entscheidung über das Fiat-Angebot treffen können. Grund sei die Bitte der französischen Vertreter, die Abstimmung auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen. Finanzminister Bruno Le Maire ging am Donnerstag in die Offensive und verwies auf die mangelnde Bereitschaft der Italiener, den Renault-Partner Nissan in die Pläne einzubeziehen. "Wir haben uns über drei von vier Bedingungen geeinigt. Was fehlte, war die ausdrückliche Unterstützung von Nissan."

FRANKREICH HÄLT SICH ALLE OPTIONEN OFFEN

Die Regierung in Paris hatte zwar die Verschmelzung der Autobauer grundsätzlich begrüßt. Allerdings stellte sie eine Reihe von Bedingungen wie eine Garantie zum Erhalt von Arbeitsplätzen und Industrieanlagen in Frankreich. Aus Fiat-Kreisen wurde daher die Vermutung geäußert, Präsident Emmanuel Macron habe den Deal nicht gewollt, weil der Druck zu Hause zu groß gewesen sei. Auch Italien hatte den Schutz von einheimischen Arbeitsplätzen gefordert. Der französische Haushaltsminister Gerald Darmanin sagte, er hoffe, dass die Tür für eine mögliche Fusion zwischen Fiat und Renault "nicht geschlossen" sei. Frankreich werde gerne jeden neuen Vorschlag von Fiat erneut prüfen. "Die Gespräche könnten irgendwann in der Zukunft wieder aufgenommen werden."

Was Fiat nun plant, blieb zunächst offen. Vor Investoren hatte der Konzern zuletzt mit Renault damit geworben, dass durch einen Zusammenschluss die Kosten um jährlich fünf Milliarden Euro oder mehr gesenkt werden könnten. Fiat hätte von dem Vorsprung Renaults im Elektroantrieb profitieren können, Renault wiederum von Fiats rentablem Jeep- und Pick-up-Geschäft. Fiat ist dank Chrysler vor allem stark in den USA, verbrennt in Europa aber Geld. Die Franzosen sind in Europa und in den Schwellenländern stark vertreten, dagegen in den USA nur über Nissan präsent. Auf dem weltgrößten Pkw-Markt China haben gleich beide Unternehmen Lücken. Auch mit der französischen PSA-Gruppe hatten die Italiener in der Vergangenheit gesprochen. Analysten zufolge könnte sich Fiat nun wieder der Opel-Mutter mit der Kernmarke Peugeot zuwenden.

Für Renault ist die Entwicklung ein weiterer Schlag nach dem Fall des früheren Vorstandschefs Carlos Ghosn, der sich demnächst in Japan in einem Gerichtsverfahren wegen mutmaßlicher finanzieller Verfehlungen und angeblicher Bereicherung auf Kosten von Nissan verantworten muss.

rtr