Reuters hatte bereits am Morgen vom Scheitern der Gespräche berichtet. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), der als Befürworter einer Fusion galt, erklärte, Kooperationen machten nur dann Sinn, wenn sie sich betriebswirtschaftlich rechneten. Die Aktien der Commerzbank gaben an der Frankfurter Börse um gut zwei Prozent nach, die Papiere der Deutschen Bank, die gleichzeitig einen überraschend hohen Gewinn für das erste Quartal veröffentlichte, verloren ein Prozent.

"Es war sinnvoll, diese Option einer innerdeutschen Konsolidierung zu prüfen. Für uns war aber von Anfang an klar: Mit einem Zusammenschluss müssten wir höhere und nachhaltigere Renditen für unsere Aktionäre erreichen und die Leistungen für unsere Kunden verbessern können", erklärten Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing und der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, Martin Zielke, wortgleich in getrennten Mitteilungen. Beide hatten sich einem Insider zufolge am Morgen noch einmal getroffen und "ein bisschen länger" miteinander gesprochen.

Die zwei Institute hatten seit Mitte März formelle Gespräche über einen möglichen Zusammenschluss geführt, durch den die mit weitem Abstand größte deutsche Bank und eines der größten Institute in Europa entstanden wäre. Allerdings wären bei einem Zusammenschluss aller Wahrscheinlichkeit nach auch mehrere zehntausend Jobs wegfallen - in den beiden Frankfurter Zentralen und bundesweit in den Filialen. Die Gewerkschaften waren deshalb seit dem Bekanntwerden der Fusionspläne Sturm gelaufen. Auch große Investoren der Deutschen Bank, darunter das Emirat Katar und der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock, sahen das Unterfangen von Beginn an skeptisch.

Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner ließ am Nachmittag eine Erklärung verbreiten, in der er sich hinter die Entscheidung des Vorstands stellte: "So richtig die Entscheidung des Vorstands war, die Möglichkeit eines Zusammenschlusses mit der Commerzbank gründlich zu prüfen, so richtig ist die Entscheidung, diese nicht weiter zu verfolgen. Die intensiven Gespräche und Analysen der vergangenen Wochen haben uns gezeigt, dass das Verhältnis von möglichen Risiken und Ertrag für unsere Investoren nicht attraktiv ist."
ARBEITNEHMER ERLEICHTERT

Beide Banken laufen der internationalen Konkurrenz seit Jahren hinterher, wären durch eine Fusion zwar auf dem Papier deutlich größer, aber nicht unbedingt schlagkräftiger geworden. Die ersten Reaktionen auf das Scheitern der Gespräche waren weitgehend positiv. Frank Schulze, Konzernbetriebsratschef der Deutschen Bank, zeigte sich zufrieden: "Die Ergebnisse der Analyse scheinen unsere Einschätzungen zu bestätigen, dass ein Zusammenschluss keinen ausreichenden Mehrwert für Mitarbeiter, Kunden und Aktionäre bietet." Auch der Commerzbank-Betriebsrat begrüßte den Abbruch der Gespräche. "Wir sind sehr erleichtert. Dieser Deal wäre für die Mitarbeiter ein Desaster gewesen", sagte Vertreterin Gabriele Seum zu Reuters. "Wir fürchten aber, dass nun weitere schwierige Gespräche bezüglich Veränderungen anstehen und wir uns nicht entspannt zurücklehnen können."

Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment und bei beiden Banken investiert, erklärte: "Letztlich hat die Vernunft gesiegt." Eine Fusion wäre ein enorm komplexes und langwieriges Unterfangen gewesen. Bankenverbands-Chef Hans-Walter Peters erklärte: "Die deutsche Wirtschaft ist stark genug, um mehreren Großbanken Platz zu bieten."

Zuletzt war immer klarer geworden, dass es womöglich zu viele Hindernisse für eine Fusion gibt - angefangen von der Struktur einer neuen Bank, der Finanzierung des Deals bis zu dem erwarteten Jobkahlschlag. Insider hatten die Chancen auf eine Fusion oder Übernahme der kleineren Commerzbank durch die Deutsche Bank allerdings lange als 50 zu 50 bewertet. Vor allem Commerzbank-Chef Zielke galt als Befürworter eines Zusammengehens, ebenso wie der größte Aktionär der Commerzbank, der Bund. Finanzminister Scholz hatte immer wieder die Bedeutung eines nationalen Bankenchampions betont, der die heimischen Firmen im Ausland begleiten kann. Von Seiten der Aufseher - zuständig ist die Europäische Zentralbank (EZB) - waren zuletzt allerdings eher skeptische Töne zu hören.

WAS IST PLAN B?
Nun steht Branchenbeobachtern zufolge vor allem die Deutsche Bank zunächst mit leeren Händen da und muss wohl relativ schnell einen Plan B auf den Tisch legen - möglicherweise mit weiteren harten Einschnitten. Zuletzt war bekannt geworden, dass die Deutsche Bank ihre Vermögensverwaltungstochter DWS womöglich mit der entsprechenden Sparte der Schweizer Großbank UBS zusammenlegen könnte. UBS-Chef Sergio Ermotti lehnte einen Kommentar dazu ab, sieht die Absage der Fusion in Deutschland aber nur als Verzögerung der nötigen Branchenkonsolidierung: "Das ändert nichts daran, dass man früher oder später eine Art von Konsolidierung in der Industrie sehen wird", sagte er in einer Telefonkonferenz zu den eigenen Quartalszahlen.

Die Deutsche Bank veröffentlichte am Donnerstag ebenfalls einige Kennzahlen zum ersten Quartal. Demnach lag der Gewinn unter dem Strich bei rund 200 Millionen Euro. Analysten hatten im Schnitt mit einem deutlichen Gewinnrückgang auf nur 29 Millionen Euro gerechnet. Die offizielle Zwischenbilanz soll wie geplant am Freitag veröffentlicht werden.

Die Commerzbank, fokussiert auf Privatkunden und den deutschen Mittelstand, könnte nun das Interesse einer ausländischen Großbank auf sich ziehen - unter anderem hat Insidern zufolge die italienische Großbank Unicredit ein Auge auf das Institut geworfen. Auch die niederländische ING-Bank gilt als Interessent. "Es ist klar, dass jetzt andere aus dem Busch kommen werden mit Angeboten und Ideen", sagte ein hochrangiger Commerzbank-Manager zu Reuters.

Kommt es nicht zu einer solch grenzüberschreitenden Fusion, muss auch die Commerzbank einen Plan B ausarbeiten. Das Geldhaus hat im vergangenen Jahr zwar mehr als doppelt so viel verdient wie die Deutsche Bank, aber auch ihr machen die niedrigen Zinsen und der harte Wettbewerb zu schaffen. Konzernchef Zielke hat bereits klar gemacht, dass die Commerzbank unabhängig vom Ausgang der Fusionsgespräche handeln muss: "Die Alternative, nichts zu tun, gibt es nicht."

rtr