Gut zwei Drittel der insgesamt 64 Spiele bei dem Turnier in Russland gehen innerhalb der Handelsstunden der europäischen und amerikanischen Börsen über die Bühne. Bei der WM in Südafrika 2010, als die Spiele zu ähnlichen Zeiten angepfiffen wurden, brachen die Handelsumsätze einer Studie zufolge im Schnitt um 55 Prozent ein. "Die Leute sind abgelenkt, und das wird wohl wieder passieren", sagt Michael Ehrmann, Chef-Analyst der Europäischen Zentralbank (EZB) für Geldpolitik und Co-Autor der Untersuchung. Daher wolle er das Anlegerverhalten auch bei dem aktuellen Turnier, das am Donnerstag beginnt, unter die Lupe nehmen. Allein in den ersten beiden Wochen laufen 35 Spiele während der Börsenzeiten.

Ehrmanns Studie zufolge, bei der die Autoren die Entwicklung in 15 Ländern untersuchten, gingen die Umsätze während WM-Partien im Schnitt um ein Drittel zurück, selbst wenn die eigenen Nationalmannschaften nicht beteiligt waren. Spielten die eigenen Kicker mit, ging die Aktivität mit dem Ertönen der Hymnen um 40 Prozent in den Keller und erholte sich erst etwa 45 Minuten nach Abpfiff wieder. In fußballverrückten Ländern wie Brasilien und Argentinien belief sich das Minus sogar auf 75 beziehungsweise 80 Prozent. Tore drückten die Umsätze um weitere fünf Prozentpunkte - sowohl in diesen beiden südamerikanischen Staaten als auch weltweit.

Der Anleihemarkt bleibt vom WM-Fieber nicht verschont. Während deutscher Spiele in den Turnieren von 2006 und 2010 brach der Handel mit Bundesanleihen der Studie zufolge um die Hälfte ein.

FUSSBALL-ERGEBNISSE MACHEN KURSE

Andere Untersuchungen weisen nach, dass der Ausgang eines Spiels manchen Kurs direkt beeinflusst. So gaben die in Mailand notierten Aktien von STMicroelectronics beim WM-Aus Italiens 2010 nach. Als Frankreich ausschied, gingen die Pariser Titel der Chipfirma in die Knie.

Bereits im Jahr 2007 zeigten drei Professoren in einer Studie, dass zerstörte Hoffnungen auf einen Titelgewinn den Aktienindex eines Landes am darauffolgenden Handelstag um etwa 50 Punkte drücken. Für den Londoner Auswahlindex FTSE bedeutet dies einen Verlust an Börsenwert von insgesamt umgerechnet gut elf Milliarden Euro. Im Dax sind es rund 4,5 Milliarden Euro.

Im Gegenzug verhelfe der Gewinn des Weltmeister-Pokals der jeweiligen heimischen Börse im darauffolgenden Monat zu einer überdurchschnittlichen Kursentwicklung, ermittelten die Analysten der Bank Goldman Sachs. Seit 1974 sei diese Regel nur einmal durchbrochen worden. 2002 überschattete eine Rezession den Sieg Brasiliens in Südkorea.

rtr