Um Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe ist es zuletzt auffallend ruhig geworden. Doch jetzt wagt sich der Rheinländer wieder aus der Deckung. Gut eine Woche, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneien für Versandapotheken mit Sitz im Ausland gekippt hat, eilt Gröhe den stationären Apotheken mit Blaulicht zu Hilfe.

Nach den am Freitag bekannt gewordenen Plänen will der CDU-Politiker den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln jetzt kurzerhand verbieten. Nur so könne die Qualität und Sicherheit der flächendeckenden Versorgung mit Medikamenten gesichert werden, heißt es zur Begründung aus dem Ministerium.

Ökonomen wie der ehemalige Chef der Monopolkommission Prof. Justus Haucap schütteln darüber nur den Kopf. Auch in der Branche sorgt Gröhes Idee für Fassungslosigkeit. Es sei "nicht zeitgemäß, im 21. Jahrhundert eine ganze Branche per Gesetz vom Online-Versandhandel ausschließen zu wollen", sagte etwa Johann-Magnus von Stackelberg vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) am Freitag.

Der Verweis auf den Siegeszug des Internet ist noch das schwächste Argument gegen Gröhes erschütternden Lobbyisten-Anfall. Denn der Versandhandel mit Medikamenten würde den Zugang zu Arzneimitteln ja gerade vereinfachen. Statt mühsam zur nächsten Apotheken im Nachbarort fahren zu müssen, könnten chronisch Kranke ihre Medikamente künftig einfach per Post nach Hause bekommen. Das wäre für viele Menschen eine große Erleichterung.

Mehr Wettbewerb auf dem arg reglementierten Markt für Arzneimittel hätte noch einen anderen angenehmen Nebeneffekt. Sollte die Preisbindung in Deutschland nämlich tatsächlich fallen, würde das den galoppierenden Preisauftrieb im Gesundheitswesen zumindest dämpfen. Davon hätten alle was - bis auf die zeternde Pharma- und Apotheken-Lobby.

Dass Gröhe sich nun dennoch so ins Zeug legt, wirft kein gutes Licht auf den Minister und ist auch noch riskant. Zwar hat der EuGH schon ein Mal ein Verbot für den Versand von rezept-pflichtigen Medikamenten durchgewunken und dabei auf höhere Sicherheitsanforderungen verwiesen.

Aber das war 2003. Seit 2004 ist der Medikamenten-Versandhandel in Deutschland grundsätzlich erlaubt. Gravierende Sicherheitsprobleme gab es seither nicht. Sollte sich Gröhe jetzt also mit seinem Vorstoß tatsächlich durchsetzen, dürfte es zu einem weiteren Verfahren beim EuGH kommen. Spätestens dort dürfte Gröhes Konterrevolution ihr Ende finden. Es wäre das richtige Signal - für die Branche und am Ende auch für mehr Markt.