Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien am 22.06.2017 in Heftausgabe 25/2017

Ein Sommergewitter fegte über die Börsen hinweg, genauer gesagt über die Technologieaktien. Auslöser war eine Studie, in der die US-Investmentbank Goldman Sachs vor der Sorglosigkeit der Anleger und der Konzentration auf die "Big Five" - die Aktien von Apple, Amazon, Facebook, Alphabet und Microsoft - warnte.

Für US-Anleger war dies der Anlass, um Gewinne mitzunehmen. Binnen zwei Stunden wurde ein Börsenwert von mehr als 100 Milliarden Dollar vernichtet. Die Verkaufswelle schwappte über den großen Teich und belastete hierzulande vor allem den TecDAX: Innerhalb weniger Stunden büßte der Index der 30 wichtigsten deutschen Technologieaktien mehr als drei Prozent ein.

In den Wochen zuvor hatte der TecDAX eine beinahe unglaubliche Rally hingelegt. In der Spitze lag der Index verglichen mit dem 2016er-Schlussstand mit 28,6 Prozent im Plus. Damit wurden alle anderen deutschen Auswahlbarometer in den Schatten gestellt. Beim DAX etwa waren in der Spitze "nur" 12,5 Prozent Plus aufgelaufen. Angesichts der starken TecDAX-Performance waren Gewinnmitnahmen nur eine Frage der Zeit.

Wir haben das Sommergewitter zum Anlass genommen, um unsere aktuellen Einschätzungen für die TecDAX-Mitglieder auf den Prüfstand zu stellen. In die Analyse sind neben konjunkturellen Aspekten vor allem die Berichte der Unternehmen zum ersten Quartal 2017 und die darin enthaltenen Ausblicke eingeflossen. Bei der Ermittlung der Kursziele und Stoppkurse spielte natürlich auch die charttechnische Verfassung eine Rolle.

Gründe für die TecDAX-Outperformance gibt es reichlich. Viele Firmen haben sich in ihren Märkten führende Stellungen erarbeitet, was sich in entsprechend hohen Margen niederschlägt. Die aktuell 25 profitablen Unternehmen kamen 2016 auf eine durchschnittliche operative Marge von 13,21 Prozent und eine Nettomarge von 9,26 Prozent. Bereinigt um Titel aus den Bereichen Finanzen, Immobilien und Beteiligungen schafften die DAX-Konzerne nur 11,65 Prozent (operativ) beziehungsweise 7,72 Prozent (netto).

Zudem wachsen die TecDAX-Gesellschaften rasant: Zwischen 2016 und 2018 dürften deren Gewinne in der Summe um satte 84,4 Prozent vorankommen. Die fundamentalen Vorteile der TecDAX-Aktien haben sich gegenüber DAX, MDAX und SDAX allerdings auch in durchgängig höheren Bewertungskennziffern niedergeschlagen. Das macht die Titel in nervösen Marktphasen anfällig für Rückschläge.



Auf Seite 2: 22 Aktien sehen wir als "Kauf"





22 Aktien sehen wir als "Kauf"



Allerdings halten wir die Zukunftsperspektiven der meisten Unternehmen für völlig intakt. Dies spiegelt sich auch in unseren Empfehlungen wider: 22 der 30 Aktien stufen wir als "Kauf" ein. Während wir siebenmal für "Beobachten" plädieren, sehen wir nur einen Wert als "Verkauf" (siehe Tabelle unten).

Bei drei Papieren sind wir zu einer Neueinschätzung gekommen: SLM Solutions ist für uns kein Kauf mehr. Denn die Aktie des Anbieters von Produktionsanlagen für den 3-D-Druck hat sich zu weit von den Fundamentaldaten entfernt. Sogar mit "Verkaufen" statt "Beobachten" stufen wir nun die Aktie von Nordex ein. Die Aktie des Windanlagenbauers markiert gegen den starken Trend am Gesamtmarkt beinahe täglich neue Tiefs - ein Warnzeichen.

Umgekehrt plädieren wir bei Dialog nun für "Kaufen" statt "Beobachten". Bei dem Apple-Zulieferer zeichnet sich im Zusammenhang mit der Einführung des neuen iPhone im Herbst eine stürmische Nachfrage ab. Dialog Semiconductor sowie unsere fünf weiteren TecDAX-Favoriten stellen wir Ihnen auf den folgenden Seiten ausführlich vor. Vier Aktien davon - Morphosys, S & T, SMA Solar und United Internet - sind auch in unserem Nebenwerte-Wikifolio vertreten.

16,5 Prozent Kurspotenzial



Bei insgesamt zehn Aktien haben wir die Kursziele aufgrund der gestiegenen Notierungen und der weiterhin guten Perspektiven nach oben angepasst. Würden alle Einzeltitel die von uns berechneten Kursziele ausschöpfen, würde der TecDAX um knapp 16,5 Prozent höher notieren. Um diesen Wert zu ermitteln, haben wir unsere Kursziele für die 30 einzelnen Werte mit ihrem jeweiligen Indexgewicht verknüpft. Aktien mit höherem Börsenwert werden also - wie in der tatsächlichen Indexberechnung auch - stärker berücksichtigt als Leichtgewichte.

Ausgehend vom aktuellen Niveau bei 2270 Zählern könnte der TecDAX somit auf etwa 2645 Punkte steigen. Auf dem Weg dorthin muss der Index charttechnisch gesehen erst den nächsten Widerstand bei 2475/2500 aus dem Weg räumen - eine Marke, die noch der Vorgänger-Index NEMAX 50 ausgebildet hatte. Bis zum Allzeithoch ist es jedoch noch ein weiter Weg: Im März 2000 notierte der NEMAX 50 bei 9694,07 Punkten - wohl ein Höchststand für die Ewigkeit.



Auf Seite 3 - 8: Sechs Aktien, die die größten Gewinne versprechen





Compugroup-Aktie: Megatrend E-Health treibt das Geschäft an



Im Quartal per Ende März verzeichnete Compugroup einen auf den ersten Blick ungewöhnlichen Rückgang des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) um vier Prozent auf 30,1 Millionen Euro.

Allerdings hat sich die Aufregung schnell wieder gelegt. Zum einen kam der Umsatz des auf Arztpraxen und Apotheken spezialisierten Softwareanbieters mit plus fünf Prozent auf 142 Millionen Euro stärker voran als erwartet. Zum anderen hängt der Ergebnisknick mit hohen Investitionen im Hinblick auf die bundesweite Einführung der Telematik-Infrastruktur im Medizinwesen zusammen.

Herzstück der geplanten E-Health-Anwendungen sind elektronische Patientenakten. Mittels einer zentralen Basisaustauschplattform sollen die noch weitgehend ungenutzten Potenziale von E-Health im deutschen Gesundheitswesen, die das Strategieberatungsunternehmen PwC Strategy in einer Studie mit satten 39 Milliarden Euro beziffert, gehoben werden. Folglich hielt der Konzern auch an der Prognose für 2017 fest: Der Umsatz soll von 560,2 Millionen Euro im vergangenen Jahr auf 600 Millionen bis 630 Millionen Euro und das Ebitda von 127 Millionen Euro auf 138 Millionen bis 150 Millionen Euro zulegen.

Daraus errechnet sich eine stolze Marge von mehr als 22 Prozent. Nicht zuletzt wegen der hohen Profitabilität ist die E-Health-Aktie trotz der ambitionierten Bewertung eine ideale Beimischung für jedes Depot. Wir heben Ziel und Stopp deutlich an.





Dialog Semiconductor-Aktie: Einführung des iPhone 8 sorgt für Fantasie



Ausgerechnet das iPhone, die smarte Wunderwaffe von Apple, sorgte im Technologiesektor für Missmut und fallende Kurse. Einige Experten befürchten, der Börsenriese könnte mit dem iPhone 8, das im Herbst dieses Jahres erscheinen wird, technisch ins Hintertreffen geraten sein. Doch die Sorgen dürften übertrieben sein.

Schon zu oft wurde Apples Flaggschiff totgesagt, immer wieder hat der Konzern am Ende seine Kritiker eines Besseren belehrt und die Geräte fanden reißenden Absatz. Ähnlich verhält es sich mit den Zulieferern für das iPhone wie Dialog Semiconductor. Vor gut zwei Monaten mussten die Aktionäre des Chipherstellers vorübergehend einen Kurseinbruch von mehr als einem Drittel hinnehmen. Auslöser war eine Verkaufsempfehlung des Bankhauses Lampe. Die Experten haben auf Risiken im Geschäft mit dem Großkunden Apple verwiesen. Es gebe Anzeichen, dass dieser Dialog-Produkte durch Eigenentwicklungen zumindest teilweise ersetzen könnte. In einer Stellungnahme bekräftigte das Unternehmen jedoch seine Jahresziele und betonte, dass die Geschäftsbeziehungen normal verliefen.

Es ist also anzunehmen, dass die Nachfrage nach Dialog-Chips im Zusammenhang mit der Produktion des neuen iPhone stark zunehmen wird. Da wir davon ausgehen, dass die Aktie bereits in den Wochen vor der Einführung des Apple-Geräts anziehen wird, stufen wir sie auf "Kaufen" herauf.





Morphosys-Aktie: Erste Produktzulassung wird immer wahrscheinlicher



Bislang erlöst die Biotechfirma Morphosys ihr Geld vor allem damit, dass sie in Partnerschaften mit großen Pharmakonzernen Antikörper entwickelt und bei Erfolgen Meilensteinzahlungen und Forschungsgelder erhält. Doch das soll sich in Zukunft ändern.

Die Münchner versuchen, ihre eigene Pipeline voranzutreiben und somit unabhängiger vom Erfolg von Partnerprogrammen zu werden. Grundsätzlich verfügt Morphosys über eines der breitesten Wirkstoffportfolios in der biopharmazeutischen Industrie. Aktuell befinden sich 114 Programme in Forschung und Entwicklung. Insgesamt erwartet der Konzern für 2017 Ergebnisse aus bis zu 31 verschiedenen klinischen Studien. Für genügend Newsflow ist also gesorgt.

Kurzfristig fiebert das Unternehmen der Zulassung von Guselkumab entgegen. Der Morphosys-Partner Janssen hat bei der US-Gesundheitsbehörde FDA ein beschleunigtes Zulassungsverfahren für das Mittel, das bei mittelschwerer bis schwerer Schuppenflechte zum Einsatz kommt, beantragt. Im Falle einer positiven Entscheidung ist die Marktzulassung in den USA schon im dritten Quartal 2017 möglich. Ein Kurssprung der Morphosys-Aktie wäre obligatorisch. Dann fiele auch weniger stark ins Gewicht, dass der Konzern 2017 mehr Geld in Forschung und Entwicklung stecken will und der Fehlbetrag daher steigen soll. Da der FDA-Bescheid durchaus auch negativ ausfallen kann, sollten Anleger starke Nerven mitbringen.





S&T-Aktie: Den Weg zur Umsatzmilliarde eingeschlagen



Hannes Niederhauser, der Chef des IT-Dienstleisters S & T, wurde schon oft unterschätzt. Als die Österreicher im Jahr 2012 noch unter Quanmax firmierten und die Fusion mit S & T System Integration & Technology Distribution ankündigten, glaubte dem umtriebigen Manager kaum jemand, dass er den verlustträchtigen Konzern in die schwarzen Zahlen führen würde.

Doch noch im gleichen Jahr blieben unter dem Strich 7,7 Millionen Euro in der Kasse hängen. Außerdem ist S & T durch den Zusammenschluss in eine neue Umsatzdimension vorgestoßen und hat sich auf dem osteuropäischen Markt eine führende Position erarbeitet. Die Aktie reagierte mit einer Klettertour von rund zwei Euro auf mehr als zehn Euro, was mit dem Aufstieg in den TecDAX belohnt wurde.

Nun steht der nächste Coup an: Niederhauser will mit dem Minicomputerhersteller Kontron, dessen Vorstandschef er früher schon einmal gewesen ist, fusionieren. In diesem Zusammenhang konnte der chinesische Auftragsfertiger Foxconn als neuer Großaktionär gewonnen werden. Aus der Dreierkonstellation erwartet sich Niederhauser eine führende Rolle bei den Zukunftstrends Industrie 4.0 und Internet der Dinge. "Für 2018 ist die Überschreitung der Umsatzmarke von einer Milliarde Euro fest im Visier", erklärt der S & T-Chef überzeugt. Der Gewinn könnte gegenüber 2017 um fast die Hälfte steigen - positive Überraschungen nicht ausgeschlossen.





SMA Solar-Aktie: Arbeit an Trendwende läuft auf Hochtouren



Schon seit Jahren sieht sich SMA Solar erheblichem Preisdruck ausgesetzt. Vor allem chinesische Anbieter drängen mit Vehemenz in den Markt für Wechselrichter für Solaranlagen, in dem die Deutschen tätig sind und eine führende Rolle einnehmen. Allein im vergangenen Jahr sind die durchschnittlichen Verkaufspreise von SMA Solar um rund 20 Prozent gesunken. "Auch für dieses Jahr rechnen wir mit einem hohen Preisdruck in allen Märkten und Segmenten", räumte Vorstandschef Pierre-Pascal Urbon im Mai auf der Hauptversammlung ein.

Um gegenzusteuern, will sich SMA Solar in den kommenden Jahren verstärkt zu einem Energiedienstleister entwickeln. Dabei steht die Verknüpfung der klassischen Systemtechnik mit Speichermöglichkeiten für den gewonnenen Solarstrom im Fokus. Zudem sollen Softwarelösungen das Energiemanagement der Haushalte digital steuern können. Auch für Großkraftwerke will SMA Solar künftig solche Dienstleistungen anbieten.

Noch können die neuen Produkte und Dienstleistungen, die mittelfristig 40 Prozent zu den Erlösen beitragen sollen, den erwarteten Preisrückgang nicht kompensieren. Deswegen rechnet SMA Solar für 2017 mit einem Rückgang des operativen Gewinns (Ebitda) von 141,5 Millionen auf 70 Millionen bis 90 Millionen Euro. Mit einer Nettoliquidität von 413 Millionen Euro per Ende März ist das Unternehmen aber gut für den laufenden Konzernumbau gerüstet.





United Internet-Aktie: Übernahme sorgt für Sprung in neue Dimension



Mit einem Börsenwert von knapp zehn Milliarden Euro ist die Aktie von United Internet hinter Telefónica Deutschland der zweitschwerste Wert im TecDAX.

Mit dem jüngsten Coup dürfte der Internet- und Telekommunikationskonzern, der durch Marken wie 1 & 1, GMX und Web.de bekannt ist, diese Stellung festigen: United Internet will das ebenfalls im Index der 30 wichtigsten Technologieaktien notierte Mobilfunkunternehmen Drillisch übernehmen. Dazu bietet der Konzern in einer komplexen Transaktion unter anderem den Drillisch-Aktionären 50 Euro je Anteil.

Mit der bis zu 2,5 Milliarden Euro schweren Transaktion, durch die der Anteil von United Internet an Drillisch auf mindestens 72,7 Prozent steigen wird, soll neben den drei Anbietern Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica eine starke vierte Kraft im deutschen Telekommarkt entstehen. Gemeinsam haben United Internet und Drillisch mehr als zwölf Millionen Kundenverträge und machten 2016 einen Umsatz von über 3,2 Milliarden Euro. Die Einsparungen durch die Übernahme sollen 2020 bei jährlich rund 150 Millionen Euro liegen und bis 2025 dann auf rund 250 Millionen Euro ansteigen.

Seit Ankündigung des Deals sind beide Aktien kräftig im Aufwind. Analysten sind begeistert: Reihenweise wurden die Kursziele nach oben angehoben. Auch wir räumen der Aktie nun mehr Potenzial ein: 60 statt 50 Euro. Der Stoppkurs sollte bei 39,50 Euro eingezogen werden.