So sehen Kreditverträge heute aus: Der jährliche Zinssatz sinkt, wenn nachhaltige Ziele erreicht werden. Abgeschlossen haben ihn das Modelabel Prada und die französische Geschäftsbank Crédit Agricole Ende vergangenen Jahres. Drei Kriterien legten die Banker fest: die Arbeits- und Ausbildungsstunden der Angestellten, dazu die Klassifizierung einer gewissen Anzahl der Läden als umweltfreundliche Bauten.

Und die Luxusfirma muss statt Nylon Econyl verwenden, ein Material aus recyceltem Plastik, Fischernetzen und Textilien. Es ist unendlich oft wiederverwertbar und spart bei der Herstellung massiv CO2. Im nächsten Jahr sollen alle Nylonprodukte der Marke, auch die begehrten Taschen, daraus hergestellt werden.

Prada ist das erste Unternehmen der Luxusindustrie, das einen derartigen Deal abgeschlossen hat. Die Zahl der Kredite, die an nachhaltige Ziele gekoppelt sind, wächst beachtlich. Die niederländische Großbank ING etwa will ihr gesamtes globales Finanzierungsport­folio von 500 Milliarden Euro mit den Pariser Klimazielen in Einklang bringen. Die Geldgeber machen Druck.

Und nicht nur sie. Auch die Klientel, gerade in der Luxusbranche, fordert zunehmend nachhaltige Produkte und Produktion. Rücksichtsloser Hedonismus war einmal. Speziell die kaufkräftigen Millennials haben einen gänzlich anderen Luxusbegriff als die Genera­tionen vor ihnen. Grün statt Bling-Bling, so lautet ihre Devise. Und die Nachricht ist angekommen. "Es gibt keinen größeren Luxus als unsere Zukunft" - dieser bedeutungsschwere Satz stammt ausgerechnet von Donatella Versace, deren Name und Modemarke eigentlich mit Überfluss bis hin zur Dekadenz verbunden ist.

"Nachhaltiges und verantwortliches Handeln wird von Luxusmarken mehr erwartet als von Unternehmen anderer Branchen", konstatiert das Beratungsunternehmen Bain in seiner Studie zum Luxusmarkt 2019. Demnach ist der Umsatz mit hochwertiger Kleidung, Lederwaren, Schmuck und Parfüm weltweit um vier Prozent auf 281 Milliarden Dollar gewachsen, und mit dieser Wachstumsrate soll es bis 2025 auch weitergehen.

Aber: Das gesamte globale Wachstum der Branche entfällt auf die Generationen Y (nach 1980 geboren) und Z (nach 1995 geboren). "Diese äußerst selbst­bewussten Kunden fordern die Luxusmarken permanent heraus, kreativ zu sein und sich weiterzuentwickeln, und zwar über das reine Produkt hinaus", sagt Bain-Experte Oliver Merkel. Soziale Verantwortung bleibe ein wichtiges Thema und umfasse mehr als Umweltschutz bei der Herstellung.

Angst vor der "Shopping-Scham"


Laut einer Untersuchung der Unternehmensberatung McKinsey machten nachhaltige Produkte im vergangenen Jahr 23 Prozent aller Käufe im Luxussegment aus. Zum Ende des Jahrzehnts, so die Prognose, werde der Marktanteil von Labels, die zumindest anteilig nachhaltig arbeiten, bei 85 Prozent liegen. Und für 90 Prozent der Kunden wird Nachhaltigkeit ein Kaufargument sein.

Schon macht nach der "Flugscham" die "Shopping-Scham" die Runde. Die Modebranche insgesamt ist schließlich eine gigantische Dreckschleuder, nur übertroffen von der Ölindustrie. Sie verursacht laut Vereinten Nationen mehr CO2-Emissionen als Seeschifffahrt und Luftfahrt zusammen. Die Ökobilanz eines weißen T-Shirts aus Baumwolle ist ähnlich verheerend wie der Anbau von Avocados oder die Herstellung eines Smartphones. Für die Produktion einer einzigen Jeans sind Tausende Liter Wasser nötig. Kurz: Die Modeindustrie ist nach Ansicht der Vereinten Nationen ein "ökologischer und sozialer Notfall".

Das betrifft natürlich in erster Linie Billiglabels wie Primark, H & M oder Zara, die möglichst günstige Massenware herstellen. Und die sich schon mal durch Greenwashing aus der Affäre zu ziehen versuchen - der "vegane Schuh" entpuppte sich als Plastiktreter. Doch echte revolutionäre Entwicklungen setzen sich stets von oben nach unten durch. Ökologische Materialien wie ­Econyl etablieren sich zunächst bei hochpreisigen Anbietern, um dann - im besten Fall - den gesamten Markt zu durchdringen.

Pelz ist längst passé


Was sich bei der Ernährung an differenziertem Bewusstsein entwickelt habe, werde auch auf die Modeindus­trie zukommen, sagt Gerd Müller-Thomkins, Chef des Deutschen Mode Instituts in Köln. Aber es ist bereits einiges im Gange. Pelz etwa wird kaum noch verwendet. Beispiel Burberry: Die Briten erkannten die Zeichen der Zeit spät und verzichten erst seit 2018 darauf. Das brachte ähnlich negative Kritiken wie das Verbrennen nicht verkaufter Ware vor etlichen Jahren. Nun aber steuert auch Burberry massiv um.

Das Unternehmen setzt unter anderem auf Kreislaufwirtschaft und kooperiert mit dem Secondhandhändler The RealReal. So durften etwa US-Kundinnen, die ein Burberry-Teil auf die Plattform stellten, beim nächsten Besuch in einer Filiale mit bevorzugter Behandlung rechnen - samt Champagner und persönlicher Beratung. Deutschlands größter Modeversender, Zalando, betreibt eine eigene Secondhandplattform, H & M ist mehrheitlich am schwedischen Händler Sellpy beteiligt, der noch in diesem Jahr die weltweite Expansion plant.

Momentan plagen Burberry und die Branche freilich ganz andere Sorgen: Am Freitag vergangener Woche strichen die Briten ihren Ausblick für das bis Ende März laufende Geschäftsjahr. Das Coronavirus in China habe einen erheblichen negativen Effekt auf die Nachfrage von Luxusgütern, erklärte Vorstandschef Marco Gobbetti. Die Umsätze in dem für die Luxusindustrie so wichtigen Markt seien um 70 bis 80 Prozent eingebrochen. Derlei Nachrichten sind auch von den anderen Firmen der Luxusbranche in nächster Zeit zu erwarten. Für Börsianer heißt das: Aussicht auf Kaufkurse.

Da rückt dann beispielsweise Mon­cler in den Fokus. Auch bei der in Grenoble gegründeten und heute in Mailand sitzenden Firma ist der Ökogedanke eingezogen. Im Dezember brachte sie eine klimaneutrale Biodaunenjacke auf den Markt. Stoff, Futter, Knöpfe und Reißverschlüsse sind aus Samen von Rizinus hergestellt, einer Pflanze, die keinen Einfluss auf die Nahrungsmittelversorgung hat. Sie benötigt kaum Wasser und wächst in für Landwirtschaft unge­eigneten, da trockenen Gegenden. Aus Rizinusöl wiederum stellt Gucci seine Brillengestelle her, nur eines von vielen zumindest halbwegs nachhaltigen Produkten aus dem Programm. Die Kering-­Tochter begann bereits 2010, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Als Galionsfigur für Nachhaltigkeit gilt Stella McCartney. Die Veganerin und Umweltaktivistin nutzt schon lange keine tierischen Produkte wie Leder mehr und setzt sich seit fast 20 Jahren für eine umweltfreundliche Produktion ein. Im Juli sorgte sie für Aufsehen, als sie mit ihrem Label bei LVMH andockte. Für den Chef des weltgrößten Luxuskonglomerats, Bernard Arnault, fungiert McCartney nun als eine Art oberste Nachhaltigkeitsbeauftragte.

Ihr Label kann in puncto Umsätze zwar nicht mit anderen Marken wie Louis Vuitton, Christian Dior oder Celine mithalten, dafür aber sind Name und Funktion der Beatles-Tochter wesentlich für die Neupositionierung von LVMH als nachhaltig agierender Konzern. Schließlich wurde 2019 der große Konkurrent Kering als umweltfreundlichstes Luxusunternehmen ausgezeichnet. Der war bis 2018 Partner von McCartney - und hat offenbar gelernt.

Wo sich Jeff Bezos Rat holt


Der Pionier der Luxusbranche in Sachen Nachhaltigkeit sitzt freilich in Italien. Schon vor mehr als 40 Jahren baute Brunello Cucinelli ein vorbildliches Unternehmen auf. Mit 550 US-Dollar Startkapital färbte er Kaschmirpullover kunterbunt. Die Kundschaft riss sie ihm aus den Händen. Längst sind die Strickwaren aus dem Dörfchen Solomeo in Umbrien dezenter gefärbt, und die Kollektion umfasst auch Anzüge oder Jeans, die Nachfrage aber ist hoch wie eh und je. Und Cucinelli ist einer der reichsten Männer Italiens. Wurde er früher für den von ihm propagierten "humanitären Kapitalismus" belächelt und für einen Sonderling gehalten, so gilt er jetzt als Vorreiter. Kaderschmieden wie die Harvard-Universität oder das MIT schicken Studenten zu ihm. Amazon-Gründer Jeff Bezos schätzt seinen Rat ebenso wie Italiens Premier Giuseppe Conte und dessen Vorgänger Matteo Renzi.

Cucinelli zahlt seinen Leuten 20 Prozent mehr als die Konkurrenz. "Handarbeit muss honoriert werden", argumentiert der Sohn eines Bauern und ­Fabrikarbeiters. Die Mittagspause in der weithin gerühmten Kantine ist verpflichtend, E-Mails unter den Mitarbeitern in der Freizeit unerwünscht.

Geschadet hat das alles nicht. Der Umsatz hat sich seit dem Börsengang 2012 in etwa verdoppelt. "Natürlich müssen wir was verdienen", zitierte ihn die "Süddeutsche Zeitung" 2018. "Aber Gewinn an sich ist kein Wert, die Würde des Menschen schon." Übrigens kümmert sich Cucinelli persönlich sogar um die Haltung der Schafe, die seine Wolle liefern. "Ich will, dass wir alle wieder an große ­Ideale glauben, an Schönheit, Gerechtigkeit und Tugend", sagte er einmal. ­"Eigentlich will ich nur, dass wir alle wieder normal werden."

Grüne Gewinner: Kommende Woche lesen Sie, welche Lebensmittelunternehmen vom Trend zur Nachhaltigkeit profitieren.

Investor-Info

LVMH
Der Mächtige


Der weltgrößte Luxuskonzern hat viele Marken in mehreren Branchen, gerade erst kam US-Juwelier Tiffany hinzu. Die Ausrichtung auf nachhaltige Produkte ist glaubhaft. Eine kleine Dividende erhalten Aktionäre ­zudem. Das Coronavirus hinterlässt zwar im Moment Bremsspuren bei den Kursen vieler Luxusfirmen, da China ein sehr wichtiger Markt ist, doch erste Käufer schlagen wieder zu. Basis­investment in der Branche.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 500,00 Euro
Stoppkurs: 335,00 Euro

Brunello Cucinelli
Der Altmeister


Der Italiener beweist, wie Geschäftserfolg und gutes Gewissen vereinbar sind. Umsätze und Gewinne des Luxusunternehmens wachsen überschaubar, aber stetig. Der Kurs hat sich kontinuierlich entwickelt, auf drei Jahre gesehen hat er um rund 60 Prozent zugelegt. Das Argument Nachhaltigkeit in der Luxusbranche spricht für den Wert. Inzwischen ist die Aktie aber sehr teuer, deshalb ist sie eine Halteposition.

Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 38,00 Euro
Stoppkurs: 26,00 Euro

Moncler
Der Aufsteiger


Die Mailänder haben vom Hersteller von Ski- und Kletterbekleidung zur Nobelmarke einen fulminanten Aufstieg geschafft. Die Daunenjacken gelten als Statussymbol, die Marke zählt zu den angesagtesten und wichtigsten der Branche. Das spiegelt auch der Kurs wider, der binnen drei Jahren um rund 125 Prozent zulegte. Trotzdem ist die Aktie noch fair bewertet. Dazu kommt Übernahmefantasie - Kering soll interessiert sein. Spekulativ.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 45,00 Euro
Stoppkurs: 31,00 Euro