Den Trend gibt es bereits seit Jahren. Doch jetzt hat der Camping- und Outdoor-Urlaub den absoluten Höhepunkt erreicht. In Zeiten von Corona scheuen sich selbst die Sonnenhungrigsten vor einer Reise in die Ferne. Viele Urlauber zieht es aktuell auf Zeltplätze, vornehmlich in Deutschland und am besten im eigenen Camper. Laut Kraftfahrtbundesamt haben die Neuzulassungen im Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat um 65 Prozent zugelegt. Entschleunigtes und bewussteres Reisen sind die Trends der Saison. Urlauber bekommen das zu spüren: Nicht jeder bekommt im Moment seinen Lieblingsplatz in erster Reihe am See. Sämtliche Campingplätze sind für diesen Sommer ausgebucht. Für mehr Parkraum sollen Pop-up-Plätze sorgen. Temporär werden diese zur Verfügung gestellt, über Plattformen im Internet können Interessenten buchen.

Vom Boom profitiert etwa Deutschlands größter Hersteller Hymer. Das Unternehmen aus Bad Waldsee in der Nähe von Ravensburg wurde im Jahr 2013 nach dem Tod des Firmengründers Erwin Hymer von der Börse genommen und ist wieder in den Besitz der Familie übergegangen. Anleger können sich dennoch indirekt beteiligen. Nach zähem Ringen blätterte der Freizeitriese Thor Industries letztlich 2,1 Milliarden Dollar auf den Tisch. Für die US-Amerikaner ein cleverer Zug: Mit einem Mal hatten sie die Chance auf einen stärkeren Fußabdruck in Europa. Thor Industries stieg zum weltgrößten Hersteller von Freizeitfahrzeugen auf.

Mit dem Kauf kam auch die Fantasie für künftiges Wachstum. Vom Zwischentief Mitte März kletterte der Titel von knapp über 30 Euro auf mittlerweile 97 Euro. Und das, obwohl der Umsatz für das Jahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent auf 7,9 Milliarden Dollar schrumpfte. Auch im dritten Quartal 2020 - das Geschäftsjahr endet am 31. Juli - landeten die Erlöse um ein Drittel unter dem Vorjahreswert bei 1,68 Milliarden Dollar. Geschuldet war der Rückgang vor allem dem Produktions- und Verkaufsstopp während des Lockdowns. Allerdings verdiente Thor 43 Cent je Aktie - Analysten rechneten mit einem negativen Ergebnis. Und der Konzern hat Großes vor: Bis 2025 soll sich der Umsatz knapp verdoppeln und die Marge kräftig steigen. Auch künftig dürften die Amerikaner stark davon profitieren, dass weniger Menschen Kreuzfahrten buchen oder in den Flieger steigen. Doch ist aktuell viel Hoffnung im Aktienkurs eingepreist. Anleger warten erst einmal ab.

Aus Bewertungssicht ist die Aktie des französischen Marktführers Trigano interessanter: Unter 25 Marken wie Karmann-Mobil, Caravelair oder Challenger produziert das Unternehmen Wohnwagen und Wohnmobile. In Europa haben die Franzosen einen Marktanteil von rund 30 Prozent. Auch bei ihnen lief das vergangene Quartal nicht wie gewünscht: Die Erlöse fielen um knapp die Hälfte auf 392 Millionen Euro. Dafür zog das Geschäft ab Mai wieder an: Insgesamt wurden fast 11 700 Fahrzeuge neu zugelassen - so viele wie noch nie. Im Vergleich zu Thor ist der Titel günstiger bewertet. Zwar zog auch der Kurs von Trigano kräftig an. Allerdings liegt das Allzeithoch von 175 Euro noch weit über dem aktuellen Kurs. Der Trend zum Wohnmobil und die Entwicklung im Unternehmen sprechen dafür, dass dieses mittelfristig wieder erreicht werden kann.

Boom bei den Booten

Wegen Covid-19 wurden die meisten Sommerpläne ad acta gelegt. An den großen Seen der Welt, vor allem in den USA, gibt es den Trend zum eigenen Boot. Die Leute sind öfter in der Natur allein mit der Familie unterwegs und sind dennoch von zu Hause weg. Wer sich kein Boot leisten kann oder will, kann trotzdem profitieren: Die Aktien der Hersteller erleben aktuell eine Renaissance. Einer der großen ist Brunswick. In den vergangenen Jahren strukturierte der Konzern kräftig um. Vor fünf Jahren wurde die Bowlingsparte verkauft, im vergangenen Jahr trennte man sich dann auch vom Billardgeschäft. Heute widmet sich der Konzern vor allem Booten und Motoren. Brunswick produziert Motorboote unter Marken wie Sea Ray, Bayliner oder Crestliner. Ein Teil des Umsatzes kommt vom Motorengeschäft. Vor allem hier ist es dem Konzern gelungen, Kosten einzusparen: 20 Bootswerke wurden geschlossen, sodass lediglich neun übrig blieben. Die Brunswick-Marke Mercury und die des Wettbewerbers Yamaha diktieren das Geschäft in den USA mit einem Anteil von 80 Prozent. Analysten gehen davon aus, dass Brunswick mittelfristig wieder fünf Dollar je Aktie verdienen kann. Verglichen mit der Bewertung von Herstellern von Wohnmobilen hätte der Titel einen ordentlichen Aufschlag verdient.

Einige Reiseexperten sind sich nicht so sicher, ob der Trend zurück zur Natur nachhaltig ist. Das Management von Polaris glaubt jedenfalls daran. Sicher, qua Geschäftsmodell sollten sie das auch sagen: Polaris stellt Boote, aber auch Geländefahrzeuge und Motorräder her. Vor allem die Bootsverkäufe haben im Juli angezogen. Im zweiten Quartal übertraf der Konzern sämtliche Analystenschätzungen. Polaris ist ein klarer Krisenprofiteur und erwartet auch für das zweite Halbjahr ein Wachstum. Zuletzt sprang der Aktienkurs auf ein neues Zweijahreshoch. Hält der Outdoor-Trend an, sollte das noch nicht das Ende gewesen sein.


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Freizeit

Campen liegt in der Gunst der Urlauber ganz vorn. Längst sind es nicht mehr nur die Rentner, die sich im Wohnmobil auf den Weg machen. Auch immer mehr jüngere Leute gönnen sich ein solches Fahrzeug.