Hellofresh kämpft gegen die Eintönigkeit. Gerade einmal sieben verschiedene Gerichte kennt und kocht der durchschnittliche Deutsche. Sein Leben lang. Mit den Kochboxen des Start-ups -sollen die monotonen Mahlzeiten ein Ende haben.

Die Berliner Firma entstammt dem Reich des Start-up-Finanziers Rocket Internet und liefert Lebensmittelpakete an die Haus- oder Bürotür. Inhalt: vorportionierte, wenn nötig gekühlte Zutaten samt passenden Rezepten. Schnippeln, kochen, abwaschen muss der Kunde zwar weiterhin selbst, doch nicht mehr über Speisepläne grübeln, im Supermarkt zwischen Regalreihen hindurchrollen und in der Kassenschlange warten.

Zugleich verspricht das Angebot gestressten Büromenschen eine frischere und gesündere Ernährung als das Fertiggericht aus der Tiefkühltruhe. Die Essensboxen werden als wöchentliches Abo geliefert und enthalten je nach Wunsch Zutaten für bis zu fünf Gerichte, mit Portionen für zwei bis vier Personen. Je nach Hunger und Zahl der Mitesser kostet die Lebensmittellieferung zwischen 43 und 90 Euro.

Dass die Rezepte schmackhaft sind, zeigt auch das zweite Quartal 2018. Hellofresh lieferte von April bis Juni insgesamt 48,9 Millionen Mahlzeiten an gut 1,8 Millionen Kunden aus. Der Umsatz sprang mit 340 Millionen Euro wechselkursbereinigt um 48 Prozent in die Höhe. Angesichts des starken Wachstums hob das Unternehmen mit Bekanntgabe der Zahlen für das erste Halbjahr erneut seine Prognose an und plant nun, die Einnahmen um 32 bis 37 Prozent zu steigern. Zuvor wurde ein Umsatzplus von 30 bis 35 Prozent erwartet. Doch selbst nach den erhöhten Planungen sieht Robert Berg von der Berenberg Bank noch "klar die Möglichkeit", dass Hellofresh die Ziele weiter anhebt.

Werben, wachsen, profitabel werden



Doch das Wachstum ist teuer erkauft. Der Lieferdienst gab alleine in den ersten drei Monaten des Jahres 84 Millionen Euro für Marketing aus. Umgelegt auf alle und nicht nur die neu gewonnenen Kunden, fallen damit grob gerechnet fast 13 Euro je Bestellung für Marketing an. Einkaufen, Lagern, Umpacken und Ausliefern der Lebensmittel schlagen mit gut 33 Euro je Order zu Buche. Dem durchschnittlichen Bestellwert von rund 45 Euro stehen damit knapp 46 Euro an Ausgaben gegenüber. Inklusive Verwaltungskosten werden die Lebensmittel nach Rezept endgültig zum Verlustgeschäft. Insgesamt betrug das Minus im ersten Quartal knapp 30 Millionen Euro.

Um profitabel zu werden, müssen daher die Werbeausgaben sinken. Doch maßgeblich reduzieren will Hellofresh den absoluten Marketingetat nicht. Stattdessen soll der Sprung in die Profitabilität über das Nutzerwachstum gelingen. Dann würden die Werbekosten je Kunde sinken, das Geschäft skalieren und Hellofresh Gewinn machen. Eine Strategie, die bei Weitem nicht immer aufgeht.

Für das laufende 3.Quartal rechnet das Unternehmen mit einem schwächeren Umsatzplus. Die Hitzewelle in den USA - wichtigster Markt für Hellofresh - sowie in Europa fordere umfangreichere Verpackungen und führte dazu, dass die Kunden weniger kochen. Ursprünglich wollte der Kochbox-Versender im vierten Quartal die Gewinnschwelle knacken. Dies sei nun für kommendes Jahr geplant, kündigte Finanzchef Christian Gärtner an.

Umso erfreuter sind Börsianer, dass die Marketingausgaben im Verhältnis zum Umsatz sinken. Nachdem die Werbequote im Vorjahr bei 31 Prozent lag, ging sie zu Jahresbeginn auf 28 Prozent zurück. Insgesamt verringerte sich der Betriebsverlust (Ebitda) zum Halbjahr um 77 Prozent auf rund vier Millionen Euro.

Mittelfristig will Hellofresh 13 bis 15 Prozent seines Umsatzes ins Marketing stecken. So soll das Jahresergebnis 2019 schwarze Zahlen und eine Ebitda-Marge von zwölf bis 15 Prozent liefern. "Aus unserer Sicht ist das Unternehmen diesem Ziel deutlich näher gekommen", urteilt Bankhaus-Lampe-Analyst Christoph Bast.

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Schlacht ums Milliardenbüfett



Welches Potenzial das Geschäft bietet, zeigen die USA. In Amerika setzen Supermärkte und Restaurants jährlich 1,3 Billionen Dollar um, während sich die Kochbox-Einnahmen 2017 erst auf 2,2 Milliarden Dollar summierten. Laut dem Marktforscher eMarketer soll deren Absatz bis 2022 auf 11,6 Milliarden Dollar steigen. Doch auf dem größten Markt herrscht auch der härteste Konkurrenzkampf. Von Supermarktketten wie Kroger oder Walmart bis hin zu Amazon drängen insgesamt 150 Kochbox-Lieferanten an das vermeintliche All-you-can-eat-Büfett.

Trotz der vielen Köche ist Hellofresh in den USA Marktführer und erzielt dort 60 Prozent seiner Umsätze. Die Nummer 2 des Marktes, Blue Apron, kämpft dagegen mit Lieferproblemen und sinkenden Kundenzahlen. Amazon stellt sein Testangebot in immer mehr Bundesstaaten ein, und mit Chef’d gab jüngst einer der größeren Anbieter auf. Zudem gibt es Hellofresh-Boxen seit Anfang Juni in rund 600 Filialen der Supermarktkette Ahold Delhaize. Das Bankhaus Lampe glaubt, dass über den neuen Vertriebsweg mittelfristig 53 Millionen Euro an Zusatzumsatz möglich sind.

Kurzfristig gefährlich werden könnte stattdessen Rocket Internet. Für das Aktienpaket des Start-up-Finanzierers von 36 Prozent lief vergangene Woche die Sperrfrist ab. Beginnt Rocket Internet mit dem Ausstieg aus Hellofresh, könnte das den Kurs belasten und gute Nachrichten, wie zu den Halbjahreszahlen erwartet, schnell überschatten.

Spekulativen Anlegern böte das in den kommenden Wochen günstige Einstiegskurse. Denn hält Hellofresh weiterhin sein Nutzerwachstum und senkt die Werbequote, dürften mehr und mehr Investoren Appetit auf den Lieferdienst bekommen.