Der öffentliche Taxistand ist inzwischen nahe an die Henkel-Zentrale gerückt. Drei bis vier Fahrzeuge stehen permanent für Fahrten zum Flughafen bereit. Schuld daran dürfte nicht zuletzt Kasper Rorsted, Chef von Deutschlands größtem Konsumgüterkonzern, sein. Er verbringt viel Zeit vor Ort bei Kunden, und diese Nähe hat er auch seinen Managern verordnet. So zog der Däne gleich nach der Vorstellung der Konzernstrategie bis 2016 in London weiter zu wichtigen Klienten.

Den Familienkonzern Henkel gibt es seit über 130 Jahren. Der 52-jährige Skandinavier hat den Vorstand in den vergangenen sieben Jahren drastisch verjüngt. Rorsted kam als Quereinsteiger aus der Computerbranche und arbeitete zunächst eng mit Vorgänger Ulrich Lehner zusammen. Noch vor dem planmäßigen Wechsel im Jahr 2008 hatte Lehner den Konzern mit dem Kauf der britischen National Starch nachhaltig verändert: Aus dem Persil-Hersteller wurde der Weltmarktführer bei Industrieklebstoffen.

Noch während der Finanzkrise formte Rorsted die neue Sparte zum stärksten Treiber der Gewinnmargen. Der damalige Chef des Konzerncontrollings, Carsten Knobel, setzte zugleich ein umfangreiches Restrukturierungsprogramm um.

Was Henkel bei der Marge schaffte, trauten nur wenige den Düsseldorfern zu: Seit 2009 stieg die operative Marge von rund zehn auf zuletzt 15,4 Prozent und damit so deutlich wie bei keinem anderen Konzern in der Branche. Das ist auch das Verdienst von Renditetrimmer Knobel, der seit Juli 2012 Finanzchef der Düsseldorfer ist. Während Rorsted im Ausland unterwegs ist, achtet Knobel darauf, dass der DAX-Konzern bei den Finanzkennziffern auf Kurs bleibt.

Mittelfristig müsste allerdings noch deutlich mehr drin sein, vor allem bei Klebstoffen: Henkels größter Rivale in diesem Bereich, der USKonzern 3M, brachte es im vergangenen Jahr auf fast 22 Prozent operative Rendite, Henkel auf 16,9.

Diesen Abstand will Knobel verkürzen, auch durch Zukäufe. "Wir haben eine solide Position als Weltmarktführer, sowohl nach Regionen als auch nach Produktkategorien. Deshalb wollen wir vor allem Technologien kaufen", sagt der Finanzchef gegenüber €uro am Sonntag.

Was mit modernen Technologien in diesem Bereich möglich ist, zeigt die Kooperation mit dem Autozulieferer Benteler-SGL. Henkel entwickelte ein spezielles Kunstharz und eine Technik, um Blattfedern für Fahrzeuge mit einem hohen Glasfaseranteil zu bauen. Diese Federn sind bis zu 65 Prozent leichter als Stahlprodukte.

Auch in der Flugzeugindustrie profitiert Henkel mit Entwicklungen im Kundenauftrag vom Trend zum Leichtbau. Ähnlich macht es Rivale 3M. Der Finanzchef will Henkel künftig stärker auf dieses Geschäft fokussieren. "Wir passen das Portfolio zugunsten von Produkten mit hohen Margen an und werden deshalb bis 2016 Geschäfte mit 500 Millionen Euro Gesamtumsatz verkaufen", sagt Knobel. Zudem will Henkel bis zu 30 Fabriken schließen, viele davon in der Klebstoffsparte.

Zugleich soll der Gesamtumsatz bis 2016 um ein Fünftel auf 20 Milliarden Euro steigen. Um den Spagat zu schaffen, sind Zukäufe notwendig. Vor Kurzem griff Henkel gleich zweimal innerhalb weniger Tage zu. Für 1,2 Milliarden Euro erwarb der Konzern Firmen in Frankreich und Amerika: Die Marken der französischen Spotless Group erweitern das Portfolio in den Nischenmärkten Waschmittelhilfen, Insektenschutzmittel und Haushaltspflegemittel. In den USA, wo Henkel mit Schwarzkopf bisher nur mit Produkten zur Haarcolorierung präsent ist, schnappten sich die Rheinländer Marken für Haarpflege und Styling.

Geld für weitere Deals ist vorhanden: Mit einer soliden Bilanz und deutlich höheren Mittelzuflüssen aus dem Tagesgeschäft kann Henkel bis zu 4,5 Milliarden Euro in Zukäufe investieren, ohne bei der Kreditbonität die wertvolle Note "A" zu riskieren. Auch für Aktionäre bleibt etwas übrig - allerdings weniger als bei der Konkurrenz. Während Meister-Proper- Hersteller Procter & Gamble drei Prozent Dividendenrendite springen lässt, kassieren Henkel-Aktionäre bislang lediglich 1,6 Prozent. €uro am Sonntag sprach mit Knobel über die Argumente für die Aktie.

€uro am Sonntag: Herr Knobel, wie sehen Sie Henkel: als Wachstumswert oder als Value-Aktie aus dem Konsumbereich mit möglichst attraktiver Dividendenrendite?

Carsten Knobel: Das muss jeder Anleger für sich entscheiden. Aus unserer Sicht hat sich die Kombination aus den Konsumentengeschäften in den traditionellen Bereichen Waschmittel und Kosmetik sowie dem überwiegend von Industriekunden geprägten Klebstoffgeschäft während der Finanzkrise 2009 sehr gut bewährt. Mit diesem ausgewogenen Portfolio ist es uns gelungen, die operative Marge im Konzern von etwa zehn Prozent im Jahr 2008 auf heute über 15 Prozent zu steigern. Parallel dazu haben sich relevante Finanzkennzahlen wie die freien Mittelzuflüsse, der sogenannte Cashflow, oder die Nettoverschuldung deutlich verbessert. Ohne unseren künftigen strategischen Handlungsspielraum einzuschränken, konnten wir uns deshalb die Erhöhung der Dividendenausschüttung für 2013 von 25 auf 30 Prozent des bereinigten operativen Gewinns leisten. Zudem haben wir einen Korridor für Ausschüttungen festgelegt, der zwischen 25 und 35 Prozent des operativen Gewinns liegt.

Was muss geschehen, damit Henkel mehr ausschüttet?

Wir werden das jährlich prüfen. Uns ist bewusst, dass wir Aktionäre neben der Dividendenausschüttung auch über Aktienrückkäufe stärker am Gewinn beteiligen können. Derzeit ist das jedoch keine Option. Wir sind überzeugt, dass Investitionen in die Weiterentwicklung des Konzerns einschließlich Akquisitionen auch im Sinne der Anteilseigner der beste Weg zu Wertsteigerungen bleiben.

Hat die Eigentümerfamilie auf eine höhere Dividende gepocht?

Nein. Die Erhöhung für 2013 und den Korridor für Ausschüttungen können wir uns leisten, weil wir wesentliche Finanzkennzahlen und unsere Profitabilität verbessert haben.

Währungseffekte drückten den Umsatz im vergangenen Jahr. Kann das 2014 wieder der Fall sein?

Operativ, also ohne Berücksichtigung der Währungseffekte, konnten wir die Umsätze im ersten Quartal um rund vier Prozent steigern. Und das, obwohl Währungskurseffekte einen negativen Einfluss auf die Erlöse von fast sieben Prozent hatten. Wir erwarten auch für das zweite und dritte Quartal keine maßgebliche Veränderung dieser Situation. Kurzfristig können wir diese negativen Effekte nur sehr bedingt auffangen und müssen diese Schwankungen deshalb aushalten.

Werden Sie deshalb die Preise in den Schwellenländern erhöhen?

Nein. Aus unserer Sicht ist die Korrelation zwischen Preisen und Währungseffekten gering. Über höhere Preise können wir nur den Anstieg bei Rohstoff- und Materialkosten ausgleichen. Und eine wesentliche Verteuerung ist hier für 2014 bisher nicht zu erwarten.

In Indien und Brasilien hat sich Henkel aus dem wenig profitablen Geschäft mit Markenartikeln verabschiedet, in China aus dem Waschmittelmarkt. Steht Weiteres unter Beobachtung?

Nein. Aber wir überprüfen kontinuierlich anhand konkreter Ziele die Geschäftsentwicklungen in den Bereichen. Wenn alles funktioniert, wird weiter investiert. Wenn nicht, dann sind wir auch bereit, eine Entscheidung zu treffen und diese umzusetzen. In dieser Hinsicht sind wir heute deutlich konsequenter als noch vor einigen Jahren.

Sie wollen die Konzernverwaltung über sogenannte Shared Service Center verschlanken. Was verbirgt sich hinter dem sperrigen Begriff?

Im Wesentlichen geht es um die Bündelung und Standardisierung von Prozessen und Abläufen, die in jedem Land, in jeder Sparte und in jedem Bereich eines Unternehmens mit weltweit 47 000 Mitarbeitern ähnlich verlaufen. Wir wollen Henkels Umsatz während der vier Jahre zwischen 2012 und 2016 mit einer etwa gleichbleibenden Anzahl von Mitarbeitern um 25 Prozent steigern. Das funktioniert nur über effiziente Strukturen. Daher sind wir auch dabei, die Anzahl der IT-Systeme von derzeit über 30 auf eins zu reduzieren. In Asien wurde die Einführung gerade abgeschlossen. Eine IT-Plattform ersetzt dort die mehr als 20 bisherigen Systeme.

Sie sind Fußballfan - auch die Bundesliga verändert sich rasant. Bei Ihrem Lieblingsklub Hertha BSC stieg US-Finanzinvestor KKR ein. Ihr fachmännisches Urteil?

Mit professionellem Management können Vereine heute viel erreichen, und wer in diesem Umfeld mehr verdienen will, der muss seine Strukturen weiter aufwerten. Was ich mir als Fußballfan allerdings nicht wünsche, ist eine Entwicklung, wie sie zum Teil in England zu beobachten ist, wo einzelne Investoren die Kontrolle über Vereine übernehmen. Zum Glück ist das in Deutschland nicht möglich.

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