Das schürt Überlegungen, welches Regierungsbündnis die SPD anstreben könnte. Sie ist dabei allerdings stark abhängig davon, welche Präferenzen Grüne und FDP an den Tag legen. Diese könnten sich auch in einer Jamaika-Koalition mit der Union Plätze am Kabinettstisch sichern und lassen sich daher alle Optionen offen.

KOALITIONS-OPTIONEN


Rein rechnerisch wären derzeit drei Regierungsbündnisse unter einem Bundeskanzler Scholz möglich - eine Ampel mit FDP und Grünen, eine rot-grün-rote Koalition mit der Partei Die Linke sowie - laut einem Teil der Umfragen - eine Fortsetzung der großen Koalition mit der Union. Hinter vorgehaltener Hand schließen viele SPD-Politiker ein Bündnis mit der Linken oder der Union aus - sofern es gelinge, die FDP für eine Ampel zu gewinnen. Auch Grünen-Politiker streuen angesichts der Differenzen vor allem in der Außenpolitik die Darstellung, die Linke wolle gar nicht regieren. Aber es gibt auch Stimmen, die sagen: Wenn es rechnerisch reicht, müsse die Linke mindestens zu Sondierungsgesprächen eingeladen werden.

Bleibt die SPD auch am Wahlabend des 26. September vorn, kann sie dies als Auftrag zur Regierungsbildung werten. Dies dürfte die SPD nach Äußerungen aus der Partei aber auch dann beanspruchen, wenn sie nur als Zweite durchs Ziel ginge - sofern der Vorsprung der Union sehr knapp ausfiele.

ROT-GRÜN-ROT


Eine Koalition aus SPD, Grünen und der Linken wird vor allem von der Union thematisiert. Die SPD lehnt es ab, öffentlich ein Bündnis mit der Linken auszuschließen. Alles andere wäre ein Verstoß gegen einen Parteitagsbeschluss von 2013, mit dem die SPD nach der damaligen Bundestagswahl einen Kursschwenk vollzog und festlegte, dass eine Koalition mit der Linken nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen, sondern an Inhalte geknüpft werde. In der SPD wird von vielen ein Bündnis mit der Linken dennoch nahezu ausgeschlossen, wenn auch nicht öffentlich. Das hat auch taktische Gründe: Die FDP könnte im Fall einer Absage der SPD an die Linken umgehend eine Ampel-Koalition ablehnen. Und schon stünde die SPD ohne echte Machtoptionen da, was ihr Wahlergebnis schmälern würde.

Dass sich die Linke nach der Wahl auf SPD und Grüne zubewegen könnte, nennt einer in der SPD eine Traumvorstellung. Die Abstimmung über den Rettungseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan, bei der sich die Linke enthielt, habe vielen die Augen geöffnet. Aber es gibt auch andere Stimmen. Manche setzen darauf, dass sich in der Linken die Regierungspragmatiker um Fraktionschef Dietmar Bartsch durchsetzen und Rot-Grün-Rot ermöglichen könnten. Ein kleiner Teil der Linksfraktion werde jede Regierungsbeteiligung weiter ablehnen. Bedingung für eine rot-grün-rote Koalition wäre demnach, dass es eine sehr deutliche Mehrheit für sie im Bundestag gäbe, um den Stimmen von entschiedenen Regierungsgegnern kein Gewicht zu verleihen.

SPD-FDP-GRÜNE ODER ROTE GROKO


Die Ampelkoalition gilt vielen als Wunschbündnis von Scholz - es sei denn, es gäbe eine derzeit nicht absehbare Mehrheit für ein Zweier-Bündnis von SPD und Grünen. Dafür müssten sich aber Grüne und FDP gegen eine rechnerisch mutmaßlich ebenso mögliche Jamaika-Koalition mit der Union aussprechen. Scholz hat deutlich gemacht, dass er sich zutraut, ein Dreier-Bündnis zu schmieden. Das Kalkül der SPD ist, dass das Wahlergebnis der FDP eine Absage an die Ampel erschwert: CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet wäre bei einem Ergebnis, wie es die Umfragen derzeit abbilden, stark beschädigt - eine im Bund neue Formation wie Jamaika hätte demnach Schwierigkeiten, überhaupt Fuß zu fassen. Es sei schwer vorstellbar, dass FDP-Chef Christian Lindner einer Koalition mit einem Wahlverlierer Union, der zudem neue Machtkämpfe drohten, den Vorzug gebe vor einer Siegerkoalition mit SPD und Grünen - wenn die Sozialdemokraten deutlich hinzugewinnen im Vergleich zu 2017 (20,5 Prozent). Die SPD kann zudem für sich beanspruchen, dass sie den Kanzlerkandidaten stellt, dem in Umfragen das Kanzleramt am ehesten zugetraut wird.

Für das rot-gelb-grüne Bündnis, das auf Landesebene etwa in Rheinland-Pfalz praktiziert wird, müssten vor allem Differenzen in der Steuer- und Finanzpolitik aufgelöst werden. Vor allem die FDP bräuchte eine Trophäe, um vor ihrer Wählerschaft einen Wechsel zur Ampel zu rechtfertigen. Das könnte etwa das Bundesfinanzministerium sein, auf das Lindner bereits Anspruch angemeldet hat. Ein Faustpfand hätte die SPD: Sollten die Liberalen eine Ampel ablehnen, wäre sie dem Vorwurf ausgesetzt, sie zwängen SPD und Grüne in ein Bündnis mit der Linken.

Aber nicht nur die FDP, auch die Grünen hätten die Wahl, sich der Union zuzuwenden. Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock erklärt zwar, als Kanzlerin wolle sie am liebsten mit der SPD regieren. Beim Klimaschutz, ihrem Hauptthema, sehen die Grünen alle anderen Parteien aber gegen sich - eine Koalitionspräferenz lasse sich aus diesem Thema daher nicht ableiten. In der Finanz- und Sozialpolitik dagegen gäbe es große Übereinstimmungen mit SPD und Linken. Eine geschwächte Union wäre allerdings womöglich zu größeren Zugeständnissen beim Klimaschutz an die Grünen bereit als die SPD, um sich an der Macht zu halten. Vor allem aus Baden-Württemberg, wo ein Grünen-Ministerpräsident bereits die zweite Wahlperiode mit der CDU regiert, wird einer Jamaika-Koalition das Wort geredet. Dabei dürften auch taktische Gründe eine Rolle spielen - auch die Grünen müssen sich andere Optionen offenhalten, wenn sie sich nicht der SPD ausliefern wollen.

Eine Fortsetzung der großen Koalition unter einem SPD-Kanzler wird in der Partei nur als Rückfalloption bezeichnet, wenn andere Bündnisse an möglichen Partnern scheiterten. Der Basis wäre ein Bündnis mit CDU und CSU nur schwer vermittelbar.

rtr