Hin und wieder mahlen bürokratische Mühlen doch schneller als gedacht. Eine Meldung aus Luxemburg sorgte am 26. Juni kurzzeitig für Verunsicherung unter den Aktionären von Cannabisunternehmen. Weil die Droge in der luxemburgischen Heimat des Wertpapierverwahrers Clearstream verboten ist, kündigte die Deutsche Börse die Einstellung des Handels mit den aktuell knapp 150 in Deutschland notierten Marihuana-Aktien per 29. September an.

Lediglich zwei Tage später brachte das luxemburgische Parlament dann allerdings eine Gesetzesvorlage zur Legalisierung von medizinisch genutztem Cannabis auf den Weg. Tritt das Gesetz in Kraft, würde wohl auch die lokale Aufsichtsbehörde CSSF ihre Richtlinien überarbeiten. Die Restriktionen würden nicht für Wertpapiere gelten, bei denen das Hauptgeschäft der Emittenten medizinisches Cannabis betrifft, so die Deutsche Börse auf Nachfrage von BÖRSE ONLINE.

Megawachstum erwartet



Während Cannabis für medizinische Zwecke in vielen Ländern heute bereits eingesetzt werden darf, gibt es immer mehr Initiativen für eine komplette Freigabe der Droge auch für Freizeit- und Erholungszwecke. Vor allem Kanada hat dabei die Vorreiterrolle inne, nachdem im vergangenen Monat sowohl Senat als auch Parlament für den sogenannten "C-45 - The Cannabis Act" gestimmt haben.

Kanada ist der erste G7-Staat, in dem ab diesem Herbst der freie Verkauf von Cannabisprodukten startet. Weil sich die Freigabe gegenüber früheren Einschätzungen damit um wenige Monate verzögert, hat das kanadische Researchhaus PI Financial seine Erwartungen an den Cannabismarkt für das laufende Jahr auf 2,5 Milliarden kanadische Dollar zurückgenommen. Mittelfristig taxieren die Experten das jährliche Marktvolumen aber noch höher als bislang vorgezeichnet - auf bis zu 10,2 Milliarden Dollar in den kommenden fünf Jahren.

Schon die bloße Aussicht auf die Liberalisierung des Milliardenmarkts hat die Kurse der Marihuana-Aktien durch die Decke gehen lassen. In den zurückliegenden 24 Monaten ist der Canadian Marijuana Index, in dem 24 der wichtigsten kanadischen Cannabisunternehmen zusammengefasst sind, von knapp 90 auf zeitweise über 1000 Zähler nach oben geschossen, ehe er zu Jahresbeginn in eine Korrektur übergegangen ist.

Auf Seite 2: Guter Einstiegszeitpunkt





Guter Einstiegszeitpunkt



Unmittelbar vor dem Startschuss für den freien Verkauf könnte damit ein guter Zeitpunkt zum Einstieg in den Sektor gekommen sein - etwa bei Aphria, einem der Marktführer. Das Unternehmen sicherte sich zuletzt 225 Millionen kanadische Dollar zur Finanzierung der ehrgeizigen Unternehmensziele, die unter anderem den Ausbau der Produktionskapazitäten auf 225 Tonnen pro Jahr beinhalten. Auf der Vertriebsebene kooperiert Aphria künftig mit Southern Glazer’s, dem größten Wein- und Spirituosenhändler in Nordamerika, wodurch kräftige Umsatz- und Gewinnsteigerungen in den kommenden Jahren vorprogrammiert scheinen.



Auch Analysten sind von den Aussichten angefixt: Mit Kursen zwischen 23 und 26 Dollar signalisieren verschiedene Häuser ebenso Verdopplungspotenzial für den Aktienkurs wie bei The Supreme Cannabis Company. Hatte sich das Unternehmen bislang auf den B2B-Handel mit medizinischem Cannabis konzentriert, hofft man künftig auf das große Geschäft mit dem Einzelhandel und will dafür die Produktionskapazitäten bis zum Jahresende auf zehn Tonnen pro Jahr verdoppeln.

Längst blicken die kanadischen Can-nabisanbieter über den Tellerrand hinaus und versuchen, sich auf den international vielversprechendsten Märkten zu positionieren. Branchenexperten wie Prohibi-tion Partners taxieren auch in Europa das Marktpotenzial auf bis zu 50 Milliarden Euro. Canopy Growth konnte seine Quartalserlöse in Deutschland zuletzt bereits auf 2,3 Millionen kanadische Dollar mehr als verdoppeln und erste Vertriebsstrukturen in Schweden, Tschechien und Dänemark aufbauen. Seit unserem ersten Hinweis im Februar 2018 hat der Titel mit einem zeitweisen Anstieg um 100 Prozent unser Kursziel überrannt. Die Bewertung mit dem Zehnfachen der per 2020 erwarteten Umsätze ist inzwischen aber selbst für den Branchenprimus zu hoch.

Eine spannende Alternative finden Anleger in Organigram Holdings, die sich für die anstehende Marktöffnung rüsten und von Health Canada gerade die Genehmigung zum Ausbau seiner Produktionsanlagen erhalten haben. Mit einer Kapazität von 36 Tonnen Cannabis pro Jahr gehört die Gesellschaft heute bereits zu den fünf größten lizenzierten Cannabisproduzenten des Landes. Analystenhäuser wie Haywood Securities rechnen im kommenden Jahr mit einer Versechsfachung der Umsätze auf 112 Millionen kanadische Dollar. Blickt man auf die Gewinnerwartungen per 2020, wäre der Titel gerade im Peer-Group-Vergleich mit einem KGV von 12 günstig bewertet.



Auf Seite 3: Kanada auf einen Blick





Kanada auf einen Blick