Andreas Stihl kam 1896 in Zürich zur Welt, besuchte dort die Volksschule und zog dann zu Verwandten nach Deutschland. Die Realschule in Singen und das Gymnasium in Düsseldorf waren die nächsten Stationen, bevor er 1915 zum Militär eingezogen wurde und den Ersten Weltkrieg als Frontsoldat erlebte. Nach Kriegsende studierte er Maschinenbau an der Technischen Lehranstalt in Eisenach und schloss das Studium als Ingenieur ab. Zusammen mit einem Partner betrieb er von 1923 bis 1926 ein kleines Ingenieurbüro, das - allerdings ohne großen Erfolg - Dampfmaschinen entwickelte. Parallel dazu übernahm er die Vertretung einer Berliner Firma, die Baumfällmaschinen herstellte.

Ärger mit Kunden veranlasste ihn, diese Vertretung aufzugeben. Er konzentrierte sich darauf, eine eigene "gut funktionierende und hochbelastungsfähige" Motorsäge zu konstruieren. 1927 war er so weit: Seine erste Motorsäge hatte noch einen elektrischen Antrieb, die erste Benzinsäge wurde 1929 fertiggestellt. Mit mehr als 60 kg Gewicht war sie aber fast doppelt so schwer wie die elektrische Maschine.

Die Sägen wurden ihm, wie er sagte, "aus der Hand gerissen". Die "Stihlsche Baumfällmaschine Typ A" wurde in großen Stückzahlen nach Russland, in die USA und nach Kanada exportiert - aus dem kleinen Ingenieurbüro wurde die "Maschinenfabrik Andreas Stihl". Aber Ende 1929 begann die Weltwirtschaftskrise. Die Geschäfte liefen zwar anfänglich noch gut, und Auftragsrückgänge konnte Stihl durch die Verkäufe nach Russland ausgleichen. Aber 1932 brach der Umsatz auf ein Viertel des Vorjahres ein. Die Folge: Stihl musste Angestellte entlassen und konnte nur unter "äußersten persönlichen Einschränkungen" und dank der Unterstützung einer befreundeten Bank die Krise bewältigen.

Erfolgreich war Stihl in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit einer selbst entwickelten "Waschmaschine", die er in der Werbung als "Freundin der Hausfrau", die den "Waschtag zum Freudentag" mache, anpries. Gleichzeitig arbeitete er mit Hochdruck an der Entwicklung neuer Sägen, zum Beispiel an der ersten elektrischen Einmann-Motorsäge, die nur noch 25 Kilo wog und zu einem Exportschlager wurde.

Stihl, ein überzeugter Anhänger der Nationalsozialisten, trat nach Hitlers Machtergreifung der NSDAP bei und stieg in der Allgemeinen SS zum Hauptsturmführer auf. Seine guten Kontakte zum Oberkommando des Heeres nutzte er zur Vermarktung seiner Kettensägen. Kurz nach Kriegsende wurde Stihl von den französischen Besatzern verhaftet und später von den Amerikanern in einem Arbeitslager im bayerischen Moosburg interniert. Sein Vermögen wurde beschlagnahmt. Stihl musste im Forst arbeiten, durfte dabei aber seine Sägen einsetzen, um die Leistung der Arbeitstrupps zu steigern. Das Unternehmen leitete inzwischen ein loyaler Mitarbeiter Stihls als Treuhänder. Im März 1948 wurde Stihl aus der Internierung entlassen. Er musste sich einem Entnazifizierungsverfahren stellen, das von der Spruchkammer Waiblingen durchgeführt wurde. Stihl wurde als "Mitläufer" eingestuft und musste 500 DM bezahlen.

Der Neustart des Unternehmens war schwierig. Von den früheren 500 Mitarbeitern waren nur noch 80 da. Stromsperren und Kohlemangel erschwerten die Arbeit. Das Geschäft mit den Sägen lief schlecht, denn neuwertige oder wenig gebrauchte Sägen aus Wehrmachtsbeständen verstopften den Markt. Stihl suchte deshalb ein zweites Standbein für sein Unternehmen und entwickelte einen preiswerten Traktor. Aber die Kosten für die Entwicklung des Ackerschleppers und den Bau eines Fertigungsgebäudes waren hoch, und gleichzeitig war der Absatz der Sägen zu gering, um die Verluste wettzumachen. Stihl steckte in der Krise. Im Februar 1950 beantragte der Unternehmer ein Vergleichsverfahren. Weil sich inzwischen der Traktorverkauf gut entwickelt hatte und für die Sägen Exportaufträge eingingen, stimmten die Gläubiger einem Vergleichsvorschlag zu.

Expansion und Direktantrieb

"Neben neuen Sägen entwickelt Stihl Diesel-Einbaumotoren für kleine Landmaschinen und Lastenaufzüge der Bergbauern", schrieb das "Handelsblatt". "Er erschließt neue Auslandsmärkte und baut im Inland einen Kundendienst auf. Langsam wandelt sich das Unternehmen vom Handwerks- zum Industriebetrieb."

Beinahe hätte er einen neuen Trend bei Motorsägen verpasst: den Direktantrieb, bei dem der Motor die Kette ohne ein dazwischengeschaltetes Getriebe antreibt. Die neue Technik machte die Säge nicht nur leichter, sie war damit auch schneller und leistungsfähiger.

Zum Verkaufsschlager entwickelte sich vor allem die "Stihl Contra", eine Motorkettensäge, die 1959 auf den Markt kam. Die Säge wog lediglich 12 Kilo und hatte eine Leistung von 6 PS. In nicht einmal zwei Jahren wurden über 200 000 Stück davon produziert. Das Unternehmen musste 1961 sogar Frachtflugzeuge chartern, um den hohen Bedarf in Kanada und den USA decken zu können.

1959 begann der Senior, über einen Generationenwechsel nachzudenken. Sein ältester Sohn Hans Peter trat 1960 nach seinem Studium zum Diplomingenieur als Assistent der Geschäftsleitung ins Unternehmen ein. Der Sohn musste sich mit einer Bürogemeinschaft mit seiner Schwester Eva begnügen, die einige Monate zuvor in die Firma eingetreten war. Später übernahm Hans Peter Stihl die Abteilung "Fertigung und Konstruktion", Eva Stihl den Bereich Werbung und Marktforschung, dann auch Finanzen und Controlling.

Noch war Stihl stark handwerklich geprägt. Aber die Kinder hatten ambitionierte Pläne: Sie wollten ein modernes Industrieunternehmen schaffen. Mit den Jahren zog sich der Patriarch mehr und mehr aus dem Tagesgeschäft zurück. 1971 wurde sein Sohn Hans Peter Stihl persönlich haftender Gesellschafter. Aber er und seine Schwester banden den Vater bis zu dessen Tod 1973 in alle wichtigen Entscheidungen ein.

Gegen harten Wettbewerb errang Hans Peter Stihl in den 70er-Jahren die Weltmarktführerschaft bei Motorsägen - die das Unternehmen noch heute innehat. Bereits 1971 war Stihl die Nummer 1 auf dem US-Markt. Die Nachfolge an der Unternehmensspitze hat inzwischen Hans Peter Stihls Sohn Nikolas übernommen. So wird sichergestellt, dass Stihl auch in Zukunft ein mittelständisch geprägtes Familienunternehmen bleibt.