Andrew Carnegie wurde 1835 in der schottischen Stadt Dunfermline als ältester Sohn eines armen Leinenwebers geboren. Die Webereien von Baumwolle, Wolle, Seide und Leinen waren in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die mit Abstand größten Arbeitgeber in Schottland und Großbritannien. Aber der zunehmende Einsatz von Maschinen machte die Arbeit von Hand immer unrentabler. 1848 wanderte die Familie Carnegie deshalb in die USA aus und ließ sich in der Stadt Allegheny in Pennsylvania nieder.

Andrew Carnegie, der in Schottland nicht mehr als ein oder zwei Jahre formale Schulbildung genossen hatte, arbeitete schon mit 13 Jahren als Klöppeljunge in einer Baumwollspinnerei und verdiente 1,20 Dollar pro Woche. Nach seinem Zwölf-Stunden-Arbeitstag bildete er sich noch an einer Abendschule weiter.

Nach weniger als einem Jahr in der Spinnerei fand er eine Anstellung als Bote in einem Telegrafenamt in Pittsburgh und brachte sich selbst den Morsecode bei. Thomas A. Scott, der Leiter der Western Division der Eisenbahngesellschaft von Pennsylvania, wurde auf den ehrgeizigen und hart arbeitenden Carnegie aufmerksam und machte ihn zu seinem Sekretär.

Carnegie verdiente 400 Dollar im Jahr. Eine Summe, von der er früher nur hatte träumen können. Außerdem bot ihm Scott an, für 500 Dollar zehn Aktien der Adams-Express-Eisenbahngesellschaft zu kaufen - er ergriff die Chance, obwohl er das ganze Familienvermögen dafür einsetzen musste. In den nächsten zwölf Jahren arbeitete Carnegie für die Eisenbahngesellschaft, stieg die Karriereleiter hoch und wurde schließlich zum Leiter des Eisenbahnbereichs von Pittsburgh ernannt. Als Thomas A. Scott im amerikanischen Bürgerkrieg stellvertretender Kriegsminister wurde, ging Carnegie mit ihm nach Washington, wurde seine rechte Hand und organisierte das militärische Telegrafensystem. Zu dieser Zeit investierte Carnegie bereits erfolgreich in mehrere Unternehmen der Kohle-, Stahl- und Ölbranche.

1865 machte sich Carnegie selbstständig. Er war Anfang 30 und bereits reich. Es war die Zeit, als die US-Eisenbahnindustrie in eine Phase des schnellen Wachstums eintrat. Carnegie erweiterte seine Investitionen in dieser Branche und gründete Unternehmen wie eine Eisenbrückenbaufirma (Keystone Bridge Company) und eine Telegrafenfirma, wobei er oft seine Insiderbeziehungen nutzte, um Deals abzuschließen. Insiderkorruption, Vetternwirtschaft und rücksichtslose Spekulationen waren damals, in dieser frühen Phase des Kapitalismus in den USA gang und gäbe.

Carnegie, der meist hochhackige Stiefel und Zylinder trug, um seine geringe Körpergröße (1,60 Meter) zu kaschieren, verfügte nun über ein Einkommen von rund 50 000 Dollar pro Jahr. Jede wichtige unternehmerische Entscheidung, die er traf, schien im Nachhinein richtig gewesen zu sein. Aber schon damals hatte er Zweifel, ob Geld wirklich glücklich macht.

Die Zukunft braucht Stahl

Bei seinen regelmäßigen Besuchen in seiner britischen Heimat - damals das Zentrum der industriellen Revolution - erkannte Carnegie, wie wichtig Stahl werden würde: Der britische Ingenieur und Erfinder Sir Henry Bessemer hatte ein Verfahren entwickelt, Stahl günstig in Massenproduktion herzustellen. Sein Bessemer-Konverter war eine der wichtigsten technologischen Innovationen des 19. Jahrhunderts: Er ermöglichte die Herstellung großer Mengen von Baustahl, einem Material, das die Vorzüge von Guss- und Schmiedeeisen in sich vereinte.

Amerika brauchte damals viel Stahl. Die Eisenbahnen brauchten Stahl für ihre Schienen und Waggons, die Marine brauchte Stahl für ihre neue Flotte und die Städte brauchten Stahl für den Bau von Wolkenkratzern.

Andrew Carnegie nutzte die Gunst der Stunde: 1870 baute er seinen ersten Hochofen, der die von Bessemer entwickelten Ideen umsetzte, und drei Jahre später folgte seine erste Stahlfabrik in Pittsburgh. Schon 1880 produzierte er 10 000 Tonnen Stahl pro Monat. Gleichzeitig baute er moderne Stahlwerke, die jenen der Mitbewerber weit überlegen waren. Und er nutzte die Wirtschaftskrise von 1873, um darbende Konkurrenzbetriebe aufzukaufen. 1892 wurden seine vielen Beteiligungen zur Carnegie Steel Company konsolidiert - nun der größte Stahlproduzent der Welt.

Der Stahlmagnat zog von Pittsburgh nach New York City. Von seiner Hotelsuite aus, die er mit seiner Mutter teilte, kümmerte er sich weiterhin um seine Investitionen, beschränkte jedoch seinen Arbeitstag auf ein paar Stunden am Morgen und auf ein gelegentliches Geschäftsessen. Das arme schottische Einwandererkind hatte viel erreicht in seinem Leben. Das machte ihn stolz. Er wurde ein Vertrauter republikanischer Präsidenten sowie liberaler Premierminister und Kabinettsmitglieder und mischte sich in die Innen- und Außenpolitik der USA und Großbritanniens ein. Zudem wollte er in seiner zweiten Lebenshälfte als Schriftsteller und intellektueller Vordenker des modernen Industriekapitalismus anerkannt und respektiert werden. Getrieben vom Druck, seinen enormen Reichtum zu rechtfertigen, und mit einem gehörigen Maß an Sendungsbewusstsein, verfasste er zahlreiche Schriften zu Themen wie "Erfolg im Geschäftsleben".

Er etablierte sich mit seinem 1889 erschienen Essay "Das Evangelium des Reichtums" als Moralphilosoph des Kapitalismus. Getreu dieser Überzeugungen wurde er nun zum Philanthropen und beschloss, sein Vermögen zu verschenken. Er tat dies nicht aus Scham oder Schuld oder religiösen Motiven, er habe einfach, erklärte er, sein Vermögen der Gemeinschaft zurückgeben wollen. So gründete er Bibliotheken, richtete Stiftungen zum Unterhalt von Universitäten ein, unterstützte die Forschung und finanzierte im Jahr 1890 den Bau der Carnegie Hall, des legendären Konzerthauses in New York.

Carnegie heiratete erst spät. Er war 51, als er die 21 Jahre jüngere Louise Whitfield, Tochter eines New Yorker Geschäftsmanns, vor den Traualtar führte. 1897 kam das einzige Kind Margaret zur Welt. Die Carnegies wohnten in New York und verbrachten die Sommer in ihrem Schloss in den schottischen Highlands. 1919 starb Andrew Carnegie in Massachusetts an einer Lungenentzündung.