Sei es das glutenfreie Müsli zum Frühstück, der Tofu-Burger beim Mittagstisch oder der Cappuccino mit Soja-Milchschaum am Nachmittag: Immer mehr Menschen achten auf eine ausgewogene Ernährung. Sei greifen aus gesundheitlichen, moralischen oder aber auch ökologischen Gründen zu nachhaltig erzeugten Produkten. Dieser Trend schlägt sich längst in den Verkaufszahlen nieder. 2017 knackte der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln in Deutschland die Marke von zehn Milliarden Euro. Innerhalb von fünf Jahren ist das Segment damit um mehr als 40 Prozent gewachsen (siehe Seite 3 "Auf einen Blick").

Dieser Trend ist kein deutsches Phänomen. Karel Zoete, Analyst bei Kepler Cheuvreux, taxiert den globalen Bio-Markt auf 90 Milliarden US-Dollar. Er hält es für möglich, dass sich das Geschäft innerhalb des kommenden Jahrzehnts verdoppelt. Derweil würde das Geschäft mit konventionell erzeugter Nahrung nur noch ein begrenztes Volumenwachstum verzeichnen. "Bio-Lebensmittel boomen und werden damit zu einem Segment, welches die führenden Anbieter nicht länger ignorieren können", stellt Zoete fest.

Milch der anderen Art



In der Tat sind Europas führende Nahrungsmittelkonzerne dabei, die Bio-Welt für sich zu entdecken. Neben der Suche nach neuen Wachstumsfeldern spielt dabei das eigene Image eine Rolle. An der Spitze der Bewegung steht Danone. Laut Kepler Cheuvreux entfallen acht Prozent der Umsätze beim französischen Molkereikonzern auf Bioprodukte. Einen Sprung nach vorn machte Danone 2017 mit der milliardenschweren Übernahme von Whitewave. Das US-Unternehmen produziert unter anderem Milchersatzprodukte auf Soja-, Mandel- oder Reisbasis und ist in Deutschland mit den Marken Alpro und Provamel aktiv.

An der Börse ist Danone zuletzt aus dem Tritt geraten. Zu schaffen machte der Aktie insbesondere der Geschäftseinbruch in Marokko. Nach einem Boykottaufruf durch Aktivisten büßte die lokale Tochter die Hälfte ihres Anteils am dortigen Markt für Frischmilch ein. Konzernchef Emmanuel Faber reiste eigens nach Afrika, um das Problem anzupacken. Er möchte das Vertrauen der Verbraucher zurückgewinnen und neue Verträge mit den Bauern abschließen. Dazu ist Faber bereit, Milch in Marokko zu den Produktionskosten zu verkaufen. Zwar wird dieses Thema in der Halbjahresbilanz der Franzosen Spuren hinterlassen. Gleichwohl sollte Danone am 27. Juli weitere Zuwächse bei Umsatz und Ergebnis melden.

Einen Tag zuvor äußert sich Nestlé zum jüngsten Geschäftsgang. Kepler Cheuvreux sieht den Bio-Anteil beim weltgrößten Lebensmittelkonzern bei unter fünf Prozent. Jedoch hat das der permanenten Kritik von Umweltaktivisten und Menschenrechtlern ausgesetzte Unternehmen die Zeichen der Zeit erkannt. Anfang Februar übernahmen die Schweizer eine Mehrheitsbeteiligung am Snack-Hersteller Terrafertil. Das südamerikanische Unternehmen liefert unter anderem sogenanntes Superfood aus den Anden. Dabei handelt es sich um Früchte, die besonders vitaminhaltig und reich an Antioxidantien sind. Ende Juni gab Nestlé ein Umdenken in der Geflügelproduktion bekannt. Bis 2026 sollen die Vorgaben von Tierschutzorganisationen umgesetzt werden.

Weniger die Arbeit an einem guten Gewissen als vielmehr ein Brief aus New York löste den jüngsten Kurssprung beim Branchenkrösus aus. Der über den Hedgefonds Third Point im großen Stil bei Nestlé engagierte Investor Daniel Loeb erhöht darin den Druck auf die Eidgenossen. Unter anderem forderte er Konzernchef Mark Schneider auf, beim Umbau des Unternehmens schärfer, mutiger und schneller zu agieren.



Mit Unilever wurde ein weiterer europäischer Konsumgigant von einem namhaften Investor sprichwörtlich wachgeküsst. Im vergangenen Jahr griff Warren Buffett zusammen mit dem US-Ketchupkonzern Kraft Heinz nach dem Hersteller bekannter Markenprodukte wie Knorr-Suppen oder Dove-Seifen. Unilever blockte die Offerte ab und stellte sich anschließend neu auf. Um die Margen aufzupeppen, hat der Konzern unter anderem sein Brotaufstriche-Geschäft verkauft. Anleger lässt das Management mit einem bis zu sechs Milliarden Euro schweren Aktienrückkauf an dem Deal teilhaben. Zwar spielen Bioprodukte bei Unilever eine eher untergeordnete Rolle. Kepler Cheuvreux taxiert ihren Umsatzanteil auf weniger als ein Prozent. Aber das Unternehmen forciert das Segment mit kleineren Übernahmen. Beispielsweise zählt seit dem vergangenen Jahr der britische Bio-Teehersteller Pukka zum Markenportfolio.

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Wachstumsstarkes "Pure Play"



Als potenzielles Übernahmeziel mit Börsenlisting gilt Wessanen. Das niederländische Unternehmen hat sich seit der Jahrtausendwende voll auf biologische und vegetarische Produkte fokussiert. Gesundheitsbewusste Verbraucher in Deutschland dürften die Müslis, Brotaufstriche und Milchalternativen der Wessanen-Marke Allos kennen. Das Wachstum ist enorm: Bei einer Umsatzsteigerung von knapp einem Zehntel verbesserte das Unternehmen den operativen Gewinn 2017 um knapp 30 Prozent. "Wessanen ist ideal positioniert, um weiterhin vom erwarteten Marktwachstum zu profitieren", blickt Zoete nach vorn.

Dass die Aktie momentan von Kepler Cheuvreux dennoch nur ein "Halten"-Rating bekommt, führt der Analyst einzig auf die hohe Bewertung zurück. Obwohl dieses Argument nur schwer von der Hand zu weisen ist, nehmen wir Wessanen in unseren Favoritenkreis aus dem europäischen Lebensmittelsektor auf. Der Mix aus einzigartigem Geschäftsmodell und latenter Übernahmefantasie spricht dafür, dass die Aufwärtsfahrt bei dem Bio-"Pure Play" weitergeht.



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