Lange Zeit schien Netflix in den wichtigsten Märkten der unangefochtene Platzhirsch zu sein. Erfolge locken aber bekanntlich neue Konkurrenten an, mit der Ruhe ist es seit Monaten vorbei. Mitte August setzte Disney mit Details zu seinem neuen Streamingdienst Disney+ den ersten Nadelstich. Am 12. November startet der Netflix-Rivale in den USA, Kanada und den Niederlanden mit einem Kampfpreis von 6,99 Dollar pro Monat. Innerhalb von zwei Jahren soll Disney+ weltweit erhältlich sein. Nun werden die Daumenschrauben weiter angezogen: Berichten zufolge verbannt Disney von seinen TV-Kanälen Netflix-Werbung. Apple legt nach Auch die Mitte September von Apple vorgestellten Pläne sorgen bei den Aktionären von Netflix für Unruhe. Am 1. November geht Apple TV+ an den Start, der Konzern greift die Konkurrenz über zwei Seiten an. Während Analysten mit einem Preis von acht bis zehn Dollar pro Monat gerechnet hatten, müssen Kunden nur knapp fünf Dollar berappen. Gerade über den Preisfaktor könnte Apple schnell Marktanteile erobern. Gleichzeitig spielt Apple eine weitere Trumpfkarte aus: Wer ein neues iPhone, iPad oder andere Hardware aus dem Apple-Geräteuniversum kauft, darf den Streamingdienst ein Jahr lang kostenlos nutzen. Dank der großen Apple-Fangemeinde dürfte die Zahl der Streaming-Nutzer schnell steigen. Zudem ist die Laufzeit recht lang - auch dies dürfte zur Kundebindung beitragen. Warner arbeitet ebenfalls an eigenen Streaming-Services, der Gigant hält u.a. die Rechte an der "Harry Potter"-Reihe, "Herr der Ringe" sowie der Kult-Sitcom "Friends". Was bedeutet dies für Netflix? Auf einen Preiskampf will sich der Branchenprimus bisher nicht einlassen und erhöhte im April sogar die Abo-Gebühren von 10,99 auf 11,99 Euro pro Monat. In den USA kostet das Standardpaket seit dem Frühjahr nicht mehr acht sondern neun Dollar, hochauflösende Filme und Serien kosten 12,99 Dollar und somit zwei Dollar mehr. Damit ist klar: Im Konkurrenzvergleich ruft Netflix hohe Preise auf. Die Strategie wird aber nur aufgehen, wenn den Kunden auch hochwertiger Exklusiv-Inhalt geboten wird. Es wäre nicht überraschend, wenn Warner und Disney die Lizenzen für ihre beliebten Filme und Serien bei anderen Anbietern wie Netflix auslaufen lassen oder dafür sehr hohe Preise aufrufen. Hoher Einsatz Zwar hat Netflix in den vergangenen Jahren eine treue Fangemeinde aufgebaut und viel Erfahrung im Streaming-Bereich gesammelt. Dennoch muss der Konzern tief in die Tasche greifen, um seine Kundschaft bei Laune zu halten. Der Kampf um Film- und Serienrecht wird härter, dies führt zu steigenden Preisen, auch bei den Eigenproduktionen. In diesem Jahr wird Netflix etwa 15 Mrd. Dollar für Inhalte auf den Tisch legen, 2018 waren es rund zwölf Mrd. Dollar. Der enorme Kapitalbedarf treibt die Verschuldung in die Höhe, das Schuldenwachstum ist seit Jahren dynamischer als das Umsatzwachstum. Die Gesamtsumme der langfristigen Verbindlichkeiten dürfte bald bei 13 Mrd. Dollar liegen, ein immer größerer Anteil am Gesamtumsatz muss für Zinszahlungen verwendet werden. Bislang hat der Markt die aggressive Strategie von Netflix-Chef Reed Hastings mitgespielt. Angesichts der bald weiter zunehmenden Konkurrenz ist allerdings fraglich, ob sich die hohen Investitionen am Ende auch mit einer weiter steigenden Zahl an kostenpflichten Abos und sprudelnden Gewinnen auszahlen wird. Im zweiten Quartal entschieden sich weltweit nur noch 2,7 Millionen neue Nutzer für das Angebot - Netflix hatte selbst mit fünf Millionen gerechnet. In den USA sanken die Nutzerzahlen sogar erstmals seit 2011 wieder um rund 130.000 Kunden. Und der Konkurrenzkampf wird in den kommenden Monaten erst richtig an Fahrt aufnehmen. Möglicherweise warten schon jetzt Interessierte auf das Angebot von Disney und Apple und verzichten auf Netflix. An der Schwelle Mit Spannung werden daher die Zahlen zum dritten Quartal am Mittwoch erwartet. Die Messlatte liegt bei einem Ergebnis je Aktie von 1,03 Dollar, für das vierte Quartal sind es 0,82 Dollar. Sollte das Nutzerwachstum positiv überraschen, dürfte sich die Aktie wieder von der kritischen Schwelle bei 230/240 Dollar deutlich nach oben absetzen und die 200-Tage-Linie bei 330 Dollar ins Visier nehmen. Setzt sich hingegen die Tendenz des zweiten Quartals fort, drohen kräftige Verluste. Technisch wäre unterhalb von 230 eine obere Konsolidierungsformation abgeschlossen, die nächste gute Haltezone liegt erst wieder bei 130 Dollar. Auch der Faktor "Zeit" spricht für ein Hoch: Zwischen dem ersten markanten Top 2004 und dem zweiten Gipfel 2011 vergingen sieben Jahre. 2018/2019 wäre daher wieder eine oberer Umkehr zu erwarten. Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse. www.index-radar.de