Laut der im März veröffentlichten Prognose des Schweizer Staatssekretariats für Wirtschaft werden die Konsumentenpreise in unserem Nachbarland 2022 um 1,9 Prozent steigen. 2023 wird eine Teuerung von 0,7 Prozent erwartet. Wie schön, wenn man eine stabile Währung hat! Allein in den vergangenen 18 Monaten verlor der Euro gegenüber dem Dollar fast 20 Prozent. Das nennt man dann importierte Inflation.

Nie waren die Spritpreise in Deutschland so hoch wie aktuell. Laut ADAC und EU-Kommission kostete der Liter Super am 9. Mai im Durchschnitt 2,04 Euro, der Liter Diesel sogar 2,05 Euro. Doch während Deutschland den mit Abstand stärksten Spritpreisanstieg innerhalb der EU verzeichnet, sind in anderen Ländern die Spritpreise sogar unter das Niveau vor dem Kriegsbeginn gefallen. Beim Liter Diesel beispielsweise legte der Preis in Deutschland vom 22. Februar bis zum 25. April um 38 Cent zu. In Frankreich betrug der Anstieg aber laut der EU-Kommission lediglich 17 Cent und in Italien sogar nur fünf Cent. Noch extremer stellt sich die Situation beim Liter Super dar. Der verteuerte sich in Deutschland im Betrachtungszeitraum um 23 Cent, in Ungarn und Italien aber sank der Preis sogar: um sechs Cent in Ungarn und um acht Cent in Italien.

Die Erklärung dafür ist nicht ganz sicher, aber wahrscheinlich: Für russische Güter sind die Häfen der EU gesperrt, für russisches Öl noch nicht. Dies nutzen offensichtlich einige EU-Länder, um sich preiswert mit russischem Öl einzudecken, das griechische Reeder in alle Teile der Welt verschiffen. Das nennt man dann europäische Solidarität. Übrigens, hier die aktuellen Benzinpreise: Russland 0,36 Euro, Ukraine 1,08 Euro, Ungarn 1,25 Euro, Polen 1,43 Euro, Slowenien 1,56 Euro, Österreich 1,76 Euro, Deutschland 2,04 Euro.

Der Zinsabstand für italienische Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen ist auf über zwei Prozentpunkte gestiegen. Die Angst der Märkte ist: Wenn die EZB im Zuge ihrer Inflationsbekämpfung aufhört, italienische Staatsanleihen aufzukaufen, schießen deren Renditen durch die Decke und werden zur Gefahr für den Staatshaushalt. Seit der Finanzkrise ist die Staatsschuldenquote in Italien von gut 100 auf mehr als 150 Prozent gestiegen. Erlaubt wären laut EU-Vertrag nur 60 Prozent. Brüssel ist alarmiert, und Gerüchten zufolge basteln Kommission und EZB an neuen Hilfspaketen. Nur noch einmal zur Erinnerung: Rund 35 310 Euro besaß der mittlere Deutsche laut einer Erhebung im Jahr 2020, 91 889 Euro der Italiener und der mittlere Spanier sogar 95 360 Euro. 51,4 Prozent der Deutschen leben im eigenen Haus, 72,4 Prozent der Italiener und sogar 77,1 Prozent der Spanier. Das nennt man dann Umverteilung.

Last but not least noch eines - weil wir gerade über Hilfspakete reden. Wussten Sie, dass der 750 Milliarden Euro schwere Corona-Hilfsfonds der EU überhaupt kein Corona-Hilfsfonds ist? Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs "Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft" am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, hat es analysiert: Etwa drei Viertel der Gelder fließen in den sogenannten RRF-Topf und werden laut EU-Kommission nach folgendem Schlüssel verteilt: "Inverse des Pro-Kopf-Einkommens eines Landes im Jahr 2019 relativ zum EU-Durchschnitt multipliziert mit dem Verhältnis der Arbeitslosenzahl des Landes in den Jahren 2015 bis 2019 relativ zur Gesamtzahl der EU-Arbeitslosen in diesem Zeitraum, gewichtet mit der Bevölkerungsgröße."

Klingt auf den ersten Blick kompliziert, ist aber leicht zu entlarven: Pro-Kopf-Einkommen eines Landes im Jahr 2019? Arbeitslosenzahl in den Jahren 2015 bis 2019? Leiden alle unter posttraumatischem Long Covid, oder begann Corona nicht erst 2020?

Professor Heinemann: "Für den RRF-Topf spielt die tatsächliche Schwere der Corona-Rezession keine Rolle. Stattdessen sind einzig Indikatoren aus der Zeit vor der Krise von Bedeutung." Also Umverteilungspaket statt Corona-Hilfspaket oder, wie es die Ökonomen vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ausdrücken: Das nennt man dann "Etikettenschwindel".