Gut 50 Jahre nach seiner Postulierung droht das Moore’sche Gesetz seine Gültigkeit zu verlieren. Eine davon abgeleitete Faustregel besagt, dass sich die Zahl der Transistoren in einem Prozessor alle 18 bis 24 Monate verdoppeln lässt. Angesichts des erreichten technologischen Standes stößt diese Vorgabe an physikalische Grenzen. Doch deswegen wird die Halbleiterbranche keineswegs uninteressant. Im Gegenteil: Der Sektor ist spannend wie eh und je. Dafür sorgt allein schon der Trend zu einer immer stärkeren Vernetzung von Elektronik - etwa im Auto, im Haushalt oder bei am Körper tragbaren Geräten wie Fitnessarmbändern, sogenannten Wearables. Diese Megatrends sind ohne Produkte aus der Halbleiterindustrie nicht voranzutreiben. Die Unternehmensberatung PwC prognostizierte 2015, dass die Umsätze mit Halbleitern in Sensoren für das sogenannte Internet der Dinge bis 2019 durchschnittlich um 10,4 Prozent pro Jahr zulegen und 14 Milliarden Dollar erreichen werden. "Diese Entwicklung ist die größte Chance für die Halbleiterindustrie seit dem Internetboom", kommentiert PwC-Partner Werner Ballhaus.

Auch rekordhohe Übernahmen und Fusionen im Vorjahr sorgen dafür, dass sich in der Branche viel bewegt. Das hilft insbesondere den Halbleiteraktien aus den USA auf die Sprünge. Der Index NYSE Arca Semiconductor schaffte jüngst neue Rekordstände. Damit scheint nicht nur eine 21-monatige Seitwärtsbewegung beendet, auch der seit Ende 2008 gültige langfristige Aufwärtstrend wird untermauert. Das auf diese Weise generierte prozyklische charttechnische Kaufsignal verspricht mittelfristig weitere Gewinne. Allerdings steht diese Prognose unter dem Vorbehalt eines nie völlig auszuschließenden Fehlsignals. Denkbar wäre Letzteres, wenn der Gesamtmarkt nach unten drehen sollte. Das wiederum muss einkalkuliert werden, sollte sich die Weltkonjunktur deutlich eintrüben.

Aktuell sieht es aber gut aus. Warum gerade US-Halbleiteraktien gefragt sind, zeigen einige Fakten. So beziffert der Branchenverband Semiconductor Industry Association den weltweiten Marktanteil der US-Unternehmen auf 50 Prozent. Elektronische Produkte waren gemessen am Wert von 207 Milliarden Dollar im Vorjahr das zweitwichtigste US-Exportgut. Halbleiter sind dafür ein zentraler Baustein. Der Exportwert von US-Halbleiterprodukten wird für 2015 auf 42 Milliarden Dollar beziffert - Platz 3 nach Automobilen und Flugzeugen. Um den Marktanteil zu halten, wird eifrig investiert. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie allgemeine Investitionen stiegen von 1995 bis 2015 um durchschnittlich 9,5 Prozent pro Jahr auf zuletzt 55,4 Milliarden Dollar. Anstrengungen, die sich bezahlt machen. Seit 1995 hat sich die Arbeitsproduktivität mehr als vervierfacht. 2015 erzielten Halbleiterhersteller einen Rekordumsatz von 475 000 Dollar pro Mitarbeiter.

Ein weiteres Kaufargument: Stiegen die weltweiten Halbleiterumsätze von 1995 bis 2015 von 144,4 auf 335,2 Milliarden Dollar, sollten sie 2016 und 2017 weiter leicht steigen, und zwar auf 341 respektive 352 Milliarden Dollar, sagt der Branchenverband.

Die Bewertungen sind indes noch vertretbar. Laut Yardeni Research bewegt sich das geschätzte Branchen-KGV bei rund 14. Das Verhältnis vom Gewinnwachstum zum KGV wird auf 1,1 beziffert. Gemessen am KGV des Index S&P 500 sinkt dieser Wert sogar auf 0,8. Die fünf Aktien, die BÖRSE ONLINE favorisiert, weisen ähnliche oder noch bessere Relationen auf. Auch die Charttechnik kommt als Pluspunkt hinzu. In vier Fällen wurden jüngst entweder neue Mehrjahreshochs oder sogar Rekordhochs markiert. Lam Research ist nahe dran an einem neuen Mehrjahreshoch.

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Eine Ausnahme ist NXP Semiconductors. Denn zum einen steckt der Titel noch in einem mittelfristigen Seitwärtstrend fest, zum anderen sitzt das Unternehmen nicht in den USA, sondern in den Niederlanden. Das Hauptlisting ist aber an der Nasdaq in New York. Im Vorjahr übernahm NXP für rund 40 Milliarden Dollar den texanischen Chiphersteller Freescale Semiconductor - das sorgt für eine enge Verbindung zu den USA. Vor allem aber ist NXP vielversprechend positioniert, weshalb wir den Titel wieder auf die Kaufliste setzen. Auch für Broadcom ist die Perspektive gut. Nach dem Zusammenschluss mit Avago aus Singapur zählt der Konzern zu den führenden Halbleiterunternehmen. Analysten rechnen auf Sicht der nächsten fünf Jahre mit Gewinnsteigerungen von 18,3 Prozent jährlich. Bei Monolithic Power, einem Spezialisten für analoge Hochleistungshalbleiter, liegt die Messlatte sogar bei plus 21 Prozent jährlich.



Beim Halbleiterausrüster Lam Research geht es bei einem erwarteten Ergebnisplus auf Fünfjahressicht von im Schnitt rund elf Prozent etwas gemächlicher zu, aber das niedrige KGV lässt das auch zu. Bei Nvidia werden die Gewinnaussichten derzeit ähnlich beurteilt. Aber bei dem Spezialisten für Virtual Reality, künstliche Intelligenz und 3-D-Grafiken bestehen Chancen, dass die Erwartungen übertroffen werden.



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