Der 33-jährige ÖVP-Chef Kurz sagte, er sei "fast sprachlos" über das Wahlergebnis. "Es waren schwere vier Monate, aber heute hat uns die Bevölkerung zurückgewählt". Kurz wurde im Früjahr nach dem Ibiza-Skandal und dem Bruch der rechts-konservativen Regierung aus ÖVP und FPÖ über ein Misstrauensvotum gestürzt.

Das prognostizierte Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der sozialdemokratischen SPÖ und der FPÖ blieb hingegen aus. Die SPÖ musste hohe Verluste hinnehmen und fiel auf 21,7 Prozent - ihr schlechtestes Ergebnis auf Bundesebene. Noch stärker rutschte die FPÖ ab, die nach der Affäre um Ex-Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache zehn Prozentpunkte auf 16,1 Prozent verlor. Strache war zurücktreten, nachdem im Mai ein heimlich in Ibiza aufgenommenes Video lanciert wurde. Die Aufnahme zeigt, wie der FPÖ-Politiker einer angeblichen russischen Investorin Regierungsaufträge für Wahlkampfhilfen in Aussicht stellt. Nach Straches Rücktritt zerbrach die Regierung. Zuletzt sorgten zudem Berichte über die Spesenabrechung von Strache für Aufsehen. Die Wiener Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Untreueverdacht.

Die Grünen erreichen 14 Prozent und schaffen damit klar den Wiedereinzug ins Parlament. Rückenwind bekam die Partei von der Klimadebatte. 2017 waren die Grünen nach dem Rücktritt ihrer Parteichefin und internen Streitereien an der Vier-Prozent-Hürde gescheitert. Die wirtschaft-liberalen Neos kommen auf 7,8 Prozent, die Liste JETZT verpasst den Einzug.

ÖVP HAT KOALTIONSOPTIONEN RECHTS UND LINKS DER MITTE


Was das Ergebnis für die künftige Regierung bedeutet, ist offen. Um eine Mehrheit im Nationalrat - die Abgeordnetenkammer des österreichischen Parlaments - zu haben, muss die ÖVP eine Koalition bilden. Optionen hat sie dafür drei: Eine Neuauflage der Zusammenarbeit mit der FPÖ, eine große Koalition mit der SPÖ oder erstmals ein Bündnis mit den Grünen. Kurz ließ sich bisher nicht in die Karten blicken. Er räumte aber im Vorfeld ein, dass er sich eine "ordentliche Mitte-Rechts-Politik" wünschen würde.

Der Spitzenkandidat der Grünen, Werner Kogler, bremste Überlegungen zu einer möglichen Regierungsbeteiligung. "Das zeichnet sich überhaupt nicht ab", sagte er. Sein Ziel sei es, Österreich zur Umwelt- und Klimaschutznation Nummer eins zu machen. Zudem solle die Korruption bekämpft werden, "aber das kann man alles vom Nationalrat aus machen". Politologen sehen vor allem inhaltliche Differenzen zwischen ÖVP und Grünen, etwa bei der Asylpolitik, wo Kurz einen scharfen Kurs verfolgt.

Die FPÖ, die bis zuletzt wieder mit der ÖVP koalieren wollte, sieht sich laut Klubobmann Herbert Kickl nun auf der Oppositionsbank. Der "Wählerauftrag" sei "ein klarer", sagte er. Parteichef Norbert Hofer sagte, er hält eine Regierungsbeteiligung für "sehr unwahrscheinlich".

Bundespräsident Alexander Van der Bellen kündigte an, Kurz den Auftrag zur Regierungsbildung zu erteilen. "Durch Ibiza und seine Folgen wurde viel Vertrauen zerstört", sagte er. In den nächsten Wochen werde er darauf achten, dass das Vertrauen weiter aufgebaut und eine tragfähige Regierung gebildet werde, die sich den "wichtigen Zukunftsthemen" widmet.

rtr