Frisch aus der Presse, duften die Teller von Bio-Lutions nach Bananen und Zuckerrohr. Das liegt an den Fasern, aus denen sie bestehen. Die Hamburger Firma kauft Bauern in Indien Erntereste wie Bananenstauden, Ananas- und Zuckerrohrblätter ab und verarbeitet sie unweit der Millionenstadt Bangalore zu Verpackungen und Einweggeschirr.

"Weltweit fallen in der Landwirtschaft so viele Reste an, dass wir damit Kunststoffe in großer Zahl ersetzen könnten", sagt Firmengründer Eduardo Gordillo. Allein in Deutschland sieht er ein Potenzial solcher Biorohstoffe von mehreren Millionen Tonnen. Ab kommendem Jahr will Bio-Lutions, an dem der Lieferdienst Delivery Hero beteiligt ist, deshalb auch in Brandenburg Alternativen zu Plastik produzieren.

Zwang zur Umstellung


Denn Deutschland muss handeln. Rund eine Million Tonnen Plastikmüll pro Jahr schickten Entsorger bislang ­bequem ins Ausland. Doch wie in anderen Industriestaaten - die USA, Japan, Deutschland und Großbritannien sind die größten Müllexporteure der Welt - ist es hierzulande deutlich schwieriger geworden, den Abfall loszuwerden. Die Umstellung auf mehr Recycling und alternative Rohstoffe birgt Chancen für Unternehmen. Und für Anleger.

Seit China der Einfuhr von Plastikabfall 2018 weitgehend einen Riegel vorgeschoben hat, ziehen immer mehr Länder nach. In diesem September hat Indien einen Importstopp für Kunststoffmüll verhängt. Noch im vergangenen Jahr war der Subkontinent hinter Ma­laysia das größte Importland für deutschen Plastikmüll. Auch Ma­laysia schickt neuerdings Abfall zurück. Die Firma Tomra Systems berichtet, dass infolge der Importverbote der weltweite Export von Plastikmüll in den vergangenen zwölf Monaten um zwölf Prozent zurückgegangen ist.

Exportverbot für Problemstoffe


Die mehr als 180 Staaten des Basler Abkommens, das Export und Entsorgung gefährlicher Abfälle international regelt, haben im vergangenen Frühjahr auch bestimmte Sorten von Plastikabfall in die Liste der Problemstoffe aufgenommen. Dabei geht es um die minderwertigen Mischfraktionen, die in der Praxis in den Empfängerländern oft ­verbrannt werden - zum Schaden von Gesundheit und Umwelt. Setzen die EU-Staaten die neuen Bestimmungen in nationales Recht um, käme das laut Experten einem Exportverbot für diese Art von Plastikmüll in Schwellen- und Entwicklungsländern gleich.

Immer mehr Müll bleibt so in Deutschland und muss recycelt werden. Mit dem neuen Verpackungsgesetz gelten ab diesem Jahr deutlich höhere Quoten. Jetzt müssen 58,5 Prozent aller Kunststoffverpackungsabfälle aus privaten Haushalten wiederverwertet werden, ab 2022 sind es dann 63 Prozent. Bisher lag der Pflichtteil lediglich bei gut einem Drittel.

Die EU hat ihre Anforderungen schon verschärft. So müssen 70 Prozent aller Verpackungsabfälle im Jahr 2030 wiederverwertet werden und 100 Prozent recycelfähig sein. Damit will Brüssel auch dem drängenden Problem der Vermüllung der Gewässer entgegenwirken. Das Kalkül: Je mehr Plastikmüll eingesammelt und verwertet wird, desto weniger kann über Bäche und Flüsse in die Meere gelangen. Die Industrie unterstützt das Vorhaben. Eine Allianz gegen Plastikmüll, bei der Größen wie BASF, Procter & Gamble oder Pepsico dabei sind, stellt für Lösungen in den kommenden Jahren mehr als eine Milliarde Euro bereit.

Dazu kommt, dass bestimmte Einwegprodukte in der EU keine Zukunft mehr haben, etwa Strohhalme und Ohrenreiniger. Die künftige EU-Kommission unter Ursula von der Leyen will jedoch noch deutlich weiter gehen. Eine Idee: der Kunststoffindus­trie künftig vorzuschreiben, dass ein wachsender Anteil von recyceltem Kunststoff bei der Produktion neuer Verpackungen verpflichtend wird. Bisher ist die Nachfrage gering, denn wiederverwerteter Kunststoff ist teurer als solcher, der aus Erdöl hergestellt wird. Außerdem sei die Qualität oft schwankend, sagen Branchenkenner.

Auch die Mehrwegquoten sollen steigen. Das heißt, dass immer mehr Ver­packungen nicht nur mit einem Pfand versehen, sondern auch de facto wieder benutzt werden. Das ist bei vielen Getränkeflaschen aus dem Kunststoff PET bisher nicht der Fall. Sie werden nach einmaligem Gebrauch gepresst und zu einer Art Granulat aufbereitet, das für andere Produkte als Ausgangsstoff dient. Ein anderer bedeutender Kunststoff ist Polyethylen (PE). Daraus bestehen die Plastiktüten, die in immer mehr Ländern der Welt verboten werden.

Alles in allem müssen hierzulande mehr und mehr Kunststoffe eingesammelt und neue Verwertungswege aufgebaut werden. Laut Branchenbeobachtern wachsen Entsorgungskapazitäten zwar erst langsam. Doch das Tempo dürfte zulegen, da die Bestimmungen strenger werden. Außerdem sind Alternativen wie Biokunststoffe gefragt. Diese bestehen aus Chemikalien, die aus nachwachsenden Rohstoffen wie Getreide oder Fettsäuren produziert werden statt aus Erdöl. Bioplastik ist vor ­allem in Verpackungen zu finden, aber auch in Produkten wie Computermäusen, Dübeln oder Autoteilen. Das Entsorgungsproblem entfällt bei der Bio­variante übrigens nicht. Solche Kunststoffe verrotten nicht einfach, sondern müssen ebenfalls eingesammelt und recycelt werden.

Trend zur Kreislaufwirtschaft


Profiteure einer neuen Plastikwelt sind neben Entsorgern, die künftig mit höheren Einnahmen aus der Kunststoffverwertung rechnen können, spezialisierte Maschinenbauer. Die Schweizer Firma Sulzer etwa stellt Anlagen für die Bioplastikproduktion und das Kunststoffrecycling her. Der finnische Verpackungsproduzent Huhtamäki hat zunehmend Einwegbecher und Geschirr aus Pappe oder Fasern im Angebot. Auch wenn die Firma mehr auf grüne Produkte setzt, bestehen die meisten Produkte immer noch aus klassischem Kunststoff.

Unter den großen Industrieunter­nehmen beschäftigen sich BASF oder Thyssenkrupp Solutions mit Biokunststoffen, allerdings in einem kleinen Rahmen. Dagegen bedienen Spezialisten wie Corbion aus den Niederlanden und der Getränkemaschinenspezialist Tomra voll den Trend zu mehr Bio und Kreislaufwirtschaft. So wie auch das Hamburger Ökoverpackungshaus Bio-­Lutions, das schon weitere Fabriken für seine Teller aus Bananen und Zuckerrohr plant.

Investor-Info

Tomra Systems
Sammeln und Sortieren


Die Norweger sind einer der weltweit größten Anbieter von Automaten, die Pfandverpackungen zurücknehmen, und von Sortieranlagen für Reststoffe wie Metalle und Kunststoffe für das Recycling. Weltweit sind mehr als 5500 Tomra-Sortieranlagen im Einsatz. Angesichts des globalen Bedarfs an Recycling­lösungen sind die Aussichten für die Aktie der soliden Firma langfristig sehr gut. Nach einer Delle im aktuellen Geschäft ist das Papier ­zurückgekommen. Kaufen.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 31,00 Euro
Stoppkurs: 22,00 Euro

Corbion
Nachhaltige Alternativen


Corbion produziert den auf Zucker basierenden Kunststoff PLA als Alternative zu aus Erdöl gewonnenen Kunststoffen. Biorohstoffe kommen außerdem für die Gesundheitsbranche und in der Industrie zum Einsatz. Daneben bieten die Niederländer Nahrungsmittel- und Futterzusätze an, etwa auf Basis von Algen. Vom Biotrend dürfte die Firma grundsätzlich profitieren. Die Aktie litt zuletzt aber wegen teurer Übernahmen. Weitere Rück­setzer abwarten.

Empfehlung: Beobachten.
Kursziel: 33,00 Euro
Stoppkurs: 23,50 Euro

Robecosam Smart Materials
Effizienter Rohstoffeinsatz


Pieter Busscher, Manager des nachhaltigen Smart-Materials-Fonds, investiert in internationale Unternehmen, die Materialien für Technologien, Produkte und Dienstleistungen effizient abbauen, einsetzen oder recyceln. Das wird in einer Welt der Ressourcenknappheit immer wichtiger. Zu den größten Positionen zählen aktuell der US-Carbonmaterialien-Hersteller Hexcel und IPG Photonics, ein Lasersystem-Produzent. In den vergangenen zwölf Monaten eher enttäuschende Performance, mittelfristig aber aussichtsreich.