Der Rückschlag kommt unerwartet: Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem Anstieg von 0,5 Prozent gerechnet. Eine rasche Trendwende ist nicht in Sicht: Einer Ifo-Umfrage zufolge schraubte die Industrie ihre Produktionserwartungen im Juli weiter zurück.

"Maßgeblich waren Versorgungsengpässe bei Halbleitern vor allem im Automobilbereich, die auch aktuell noch Probleme bereiten", erklärte das Ministerium das Minus. "Im Baugewerbe ging die Bremswirkung von einer Knappheit von Bauholz aus, die allerdings bald überwunden sein könnte." Ökonomen schätzen das ähnlich ein. "Die Industrie bekommt auch im Juni ihre PS nicht auf die Straße", sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. "Die Auftragsbücher sind gut gefüllt, doch die Produktion kann davon nicht in vollem Umfang profitieren."

Das werde mehr und mehr zur Gefahr für den Aufschwung, sagte DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle. "Nicht nur für die Industrie und das Baugewerbe, sondern inzwischen auch für die Konjunktur insgesamt." Aktuell könnten dies noch Handel und Dienstleister kompensieren. Die seien dabei, die Lockdown-Folgen hinter sich zu lassen. "Doch diese Sonderkonjunktur wird nicht ewig währen", sagte Scheuerle.

"BLEIERNE KETTE AM BEIN"


Die Industrieproduktion allein schrumpfte diesmal um 0,9 Prozent. Am Bau gab es einen Rückgang von 2,6 Prozent, die Energieerzeugung sank 0,6 Prozent zum Vormonat. Im Vergleich zum Februar 2020, dem Monat vor dem Beginn der Corona-Einschränkungen, lag die gesamte Produktion um 6,8 Prozent niedriger.

Die Industrie hat derzeit dick gefüllte Auftragsbücher. Allein im Juni legten die Bestellungen mit 4,1 Prozent zum Vormonat so kräftig zu wie seit zehn Monaten nicht mehr. Vielfach können sie nicht abgearbeitet werden angesichts akuter Engpässe bei wichtigen Vorprodukten wie Mikrochips. In der gesamten Industrie geben fast zwei Drittel der Unternehmen an, dass ihnen Engpässe zu schaffen machen, wie das Ifo-Institut in seiner Firmenumfrage herausfand. "Die Lieferkettenprobleme sind nach wie vor eine bleierne Kette am Bein der Industrie - daran dürfte sich in den kommenden Monaten wenig ändern", sagte Commerzbank-Ökonom Marco Wagner.

Die deutsche Industrie hat ihre Produktionserwartungen etwas gesenkt. Das entsprechende Barometer fiel im Juli um fünf auf 22 Punkte, wie das Ifo-Institut ermittelte. Das ist aber noch immer ein sehr hoher Wert im langjährigen Vergleich. "Lieferengpässe bei wichtigen Vorprodukten machen sich nun bemerkbar", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Gegen den Trend gestiegen sind die Erwartungen in der Autobranche.

rtr