Herr Prof. Otte, nach einem schwarzen Mittwoch setzen die Börsen ihre Talfahrt auch am Donnerstag fort. Ist die jüngste Hausse Geschichte?
Ich als Value Investor sehe das positiv. Kursrückgänge sind langfristig immer eine schöne Sache. So werden gute Unternehmen wieder günstiger. Ich kaufe schließlich keine Indizes, sondern Einzelaktien. Deshalb interessiert es mich eher weniger, ob der Dax zwei Prozent oder fünf Prozent verliert.

Und es beunruhigt Sie auch nicht, dass der IWF wegen der Handelskonflikte und der steigenden Zinsen vor Finanzmarkt-Turbulenzen gewarnt hat? Starke Unternehmen haben bereits Weltkriege überlebt. Sie werden auch Handelskriege überleben. Dennoch habe ich in meinen Fonds seit Jahresbeginn Liquidität aufgebaut, um die nötigen flüssigen Mittel zur Hand zu haben, wenn ich sie für Nachkäufe und neue Investments brauchen werde.

Nun hat die US-Notenbank die Zinsen zuletzt deutlich angehoben und bis Ende 2019 vier weitere Zinsschritte in Aussicht gestellt. Viele Schwellenländer sind bereits in die Bredouille geraten, weil Investoren in großem Stil Kapital abziehen. Wie wackelig ist die Lage für Länder wie Brasilien, Indien oder Russland?
Natürlich ist die Lage für die Schwellenländer schwierig. Aber auch dort gibt es gute, gründergeführte Unternehmen, welche ihre Geschäfte im Ausland erzielen. Nochmal: Ich kaufe keine Märkte, sondern betreibe gezieltes Stock Picking.
Aber die Konjunktur trübt sich weltweit ein. Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Wachstumsprognosen gerade deutlich nach unten korrigiert. Auch die Bundesregierung erwartet nun deutlich weniger Wachstum. Müssen die Analysten ihre Gewinnschätzungen jetzt auf breiter Front revidieren?
Bankenanalysten sind immer sehr zyklisch und laufen hinterher. Gewinnwachstum wird bis ins Unendliche fortgeschrieben und auch schlechte Wachstumsprognosen werden immer stetig fortgeschrieben. Aber jeder Unternehmer weiß, dass das Gewinnwachstum mal ein Ende hat und auch nach einer Krise wieder mal ein Hoch kommt. Wir alle haben es ja schon mehrfach gehört: Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Diese Weisheit ist auch in diesen Tagen zutreffend.

In welchen Branchen rechnen Sie mit den größten Gewinn-Rückgängen?
Betroffen werden zunächst die zyklischen Branchen sein. Automobilhersteller, Banken sowie hoch verschuldete Unternehmen. Aber auch aktuelle gehypte Aktien wie Netflix, welche in aller erster Linie Geld verbrennen, könnten einen auf den Deckel bekommen.

Falls die Korrektur im Dax weitergehen gehen sollte: Welche Aktien wären besonders anfällig?
Zyklische Unternehmen wie Deutsche Bank, Daimler und BMW, obwohl die Automobilhersteller schon teilweise sehr billig sind sowie eine gute Cash-Reserve im Industriegeschäft haben und weiterhin gute Cashflows durch Finanzierungsgeschäft auch in der Krise bekommen. Dazu kommen die Highflyer, bei denn sehr hohes Wachstum eingepreist ist.

Und vom Sentiment?
Natürlich wird es auch Unternehmen treffen, bei denen das Verhältnis zwischen zukünftigen Wachstum und aktueller Bewertung nicht stimmt. Sentiment kann schnell umschlagen, vor allem in unserer kurzlebigen Welt. Und natürlich können stark gestiegene Werte stärker korrigieren. Aber sie können auch oben bleiben - gerade weil sie bereits fundamental Stärke bewiesen haben. Wenn das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt, muss man langfristig kaufen.

Im Dax ist die Lage auch charttechnisch angespannt. Der langjährige Aufwärtstrend im Bereich um die 11.720 Marke ist gefallen. Wo sehen Sie die nächste Haltemarke?
Mein Team und ich ignorieren Charttechnik aus guten Gründen. Wir sind fundamentale Analysten und freuen uns, wenn die Märkte etwas korrigieren. Genau dann können wir günstig in starke, aber vom Markt unterbewertete Unternehmen investieren.