Mehr als 4700 Diagnoseprodukte hat der US-Labordienstleister Laboratory Corp of America, kurz Lab Corp, derzeit im Angebot. Das neueste kommt aus Deutschland: Als erster US-Labordienstleister bietet Lap Corp den von der Berliner Biotechfirma Epigenomics entwickelten Bluttest Epi proColon zur Darmkrebsvorsorge an. Dieser wurde von der US-Behörde FDA vor wenigen Wochen zugelassen.

Der Darmkrebstest spricht auf Septin an, einen Biomarker, der gehäuft bei Personen mit Darmkrebs vorkommt. Biomarker sind charakteristische biologische Merkmale, die auf krankhafte Prozesse im Körper hinweisen können - und das oft bereits vor dem Auftreten erster Krankheitssymptome. Besonders wichtig bei Leiden wie Darmkrebs, kommt doch der Früherkennung hier zentrale Bedeutung zu, da in diesem Stadium der Tumor oft noch heilbar ist.

Wachsender Milliardenmarkt



Die Börsen haben das Potenzial solcher Diagnostika inzwischen entdeckt. Während die Kurse der meisten Biotech- und Pharmafirmen nach der Korrektur seit Sommer 2015 bestenfalls im Seitwärtsmodus laufen, sind bei einzelnen Diagnostikspezialisten wie Thermo Fisher oder Biomérieux neue Rekordkurse der Aktien in Reichweite. Der Optimismus der Börsianer speist sich aus dem riesigen Effizienzgewinn, den solche Tests bieten können - gerade in der Krebsmedizin.

Derzeit liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient auf ein Medikament anspricht, je nach Medikament und Tumorart zwischen 25 und 50 Prozent. Angesichts jährlicher Behandlungskosten von über 100 000 US-Dollar bei neu zugelassenen Krebsmitteln sowie der Nebenwirkungen und des Zeitverlustes bei unwirksamen Arzneimitteln sind Gesundheitsbehörden und Krankenkassen stark daran interessiert, die Trefferquoten zu erhöhen. Sie verstärken daher den Druck auf Pharma- und Biotechfirmen, mit neuen Medikamenten zugleich auch Tests zu entwickeln, mittels derer sich erkennen lässt, ob bestimmte Patienten auf die Medikamente überhaupt ansprechen würden. Im Fachjargon werden solche Tests Companion Diagnostics genannt.

Hintergrund: Die Fortschritte in der Genforschung ermöglichen es inzwischen, Patientengruppen mit einem bestimmten genetischen Profil zu identifizieren, das auf bestimmte Wirkstoffe anspricht. Je genauer sich dieser Patientenkreis eingrenzen lässt, desto niedriger sind die Entwicklungskosten für neue Arzneimittel und die Behandlungskosten je Patient. Die meisten dieser Diagnostika werden für Krebs- und Infektionserkrankungen entwickelt (siehe Infografik Seite 3).

Im Diagnostikmarkt tummeln sich einerseits etablierte Pharmagrößen wie Roche oder Abbott Labs. Die steigenden Preise für Krebsmedikamente erhöhen bei ihnen den Druck, eigene Companion Diagnostics zu ihren Heilmitteln zu entwickeln, meint Kai Brüning, Fondsmanager bei Apo Asset Management: "Diagnostika, mit denen sich der Patientenkreis mit dem optimalen Wirkprofil bestimmen lässt, sind ein wichtiges Argument, um höhere Medikamentenpreise zu rechtfertigen."

Eine wichtige Rolle spielen in diesem Markt auch Diagnostikspezialisten wie Thermo Fisher, Quest Diagnostic oder Agilent Technologies sowie Nischenplayer wie Qiagen aus Deutschland oder Diasorin aus Italien. Längst hat das Potenzial der sogenannten personalisierten Medizin und der damit verbundenen Analyse von Patienten- und Diagnostikdaten aber auch Technologiegiganten wie Apple, Alphabet, Samsung oder IBM auf den Plan gerufen.



Inzwischen hat aber auch hier eine Konsolidierung eingesetzt. "Kleinere Firmen können sich in Marktnischen behaupten. Ansonsten herrscht ein harter Verdrängungswettbewerb über Masse, Automatisierung und Qualität", erläutert Stefan Blum, Portfoliomanager bei Bellevue Asset Management. Entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg neuer Therapien sind letztlich die gesicherte Kostenerstattung durch die Krankenkassen sowie die Aufnahme in die Behandlungsrichtlinien der jeweiligen Ärzteschaft.

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Attraktive Spezialisten



Zu den attraktivsten europäischen Nischenplayern zählt Biomérieux. Das französische Unternehmen hält seit Jahren sein Gewinnwachstum konstant hoch und erzielt 80 Prozent seiner Erlöse mit Diagnostika zur Untersuchung von Flüssigkeiten wie Blut, Serum oder Urin auf Anzeichen von Blutvergiftung, Hepatitis oder Krebs.

TecDAX-Mitglied Qiagen hingegen bleibt nach dem jüngsten Gewinnrückgang eine Halteposition. Der starke US-Dollar, anhaltender Preisdruck und Marketingkosten für neue Produkte schlugen sich -negativ nieder. Kaufkurse bei recht moderater Bewertung und breitem Produktportfolio bietet indes Agilent Technologies mit seiner führenden Marktposition bei Mikro-Arrays: Basismaterialien für Einzelnachweise von mehreren Tausend unterschiedlichen Molekülen mit einem Minimum an biologischem Probenmaterial.

Mit einem Marktanteil von 70 Prozent ist Illumina bei Geräten zur Gensequenzierung, also zur Erstellung individueller genetischer Profile, weltweit die unangefochtene Nummer 1. Das Unternehmen verfügt zwar über eine hohe Preissetzungsmacht, jedoch ist das bisher stramme Gewinnwachstum in der ambitionierten Bewertung bereits eingepreist - zumal Illumina bei den Quartalszahlen die Erwartungen verfehlte.

Eine bessere Wahl ist Lab Corp. Der Labordienstleister führt unter anderem klinische Studien für Pharma- und Biotechfirmen durch. Zudem ist er bei Companion Diagnostics top. Allein 2015 entwickelte die Firma 75 neue Tests, um zu ermitteln, welche neuen Krebsmedikamente für welche Patienten geeignet sind. Und: Das Management hat nach starken Quartalszahlen die Gewinnprognose angehoben.



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