Die Fragen zu Amerika konnte Detlef Borghardt irgendwann nicht mehr hören. Als im vergangenen Jahr der US-Markt für Trucks einbrach, litt auch der Lkw-Zulieferer SAF-Holland. Aktionäre waren besorgt, SAF-Chef Borghardt hingegen erklärte zu jedem Quartalsergebnis gebetsmühlenartig, dass derartige "Nachfrageschwankungen zum Tagesgeschäft" gehörten.



Allerdings machte der SDAX-Konzern in den USA zuletzt 40 Prozent seines Umsatzes und ausgerechnet dort wurden voriges Jahr fast ein Drittel weniger Sattelschlepper verkauft. Als Reaktion strichen Lkw-Hersteller von Paccar bis Volvo Tausende Stellen und reduzierten - wie auch Daimler - die Produktion. Borghardt aber treibt der Markteinbruch weniger um als seine Aktionäre, da SAF den Umsatzrückgang bisher wegsteckt.

Anders sieht es bei MS Industries aus. Die Firma fertigt den Ventiltrieb für den Weltmotor von Daimler. Wegen der eingebrochenen Verkäufe senkten die Stuttgarter die Motorenproduktion um ein Fünftel. Der Boss von MS Industries, Andreas Aufschnaiter, musste daraufhin seine Planung für 2016 zweimal kassieren und rechnet nun mit einem "deutlichen Rückgang" des operativen Ergebnisses.

Die Turbulenzen erreichten sogar Norma, dabei macht der Hersteller von Hightechbefestigungsschellen für Schläuche und Rohre Analysten zufolge nur zwölf Prozent seines Geschäftes mit US-Trucks. Nur eine Woche nach den Zahlen für das dritte Quartal musste Norma-Chef Werner Deggim dennoch eingestehen, dass aus dem geplanten Umsatzwachstum 2016 wegen Problemen auf dem US-Markt nichts wird.

Ausgelöst wurde der Marktzusammenbruch durch den abgestürzten Ölpreis sowie durch Überkapazitäten. Das Truckgeschäft in den USA reagiert sensibel auf Rohstoffpreise. Sind das schwarze Gold, Metalle und Erze teuer, investieren die Förderunternehmen. Dann müssen Einzelteile oder fertige Ausrüstung transportiert werden. Und die Ölgewinnung per Fracking lohnt sich. Da bei der Fördermethode tonnenweise Sand, Wasser und Chemikalien an den Bohrtürmen gebraucht werden, beschert ein hoher Ölpreis den Truckern eine Sonderkonjunktur.

Mittlerweile haben sich Öl- und weitere Rohstoffpreise von ihren Tiefständen im vergangenen Jahr erholt. Auch die amerikanische Wirtschaft zeigt sich robust. Bei Truckern scheint damit die Kauflaune zurückzukehren. Diesen Januar verbesserte sich der Lkw-Absatz den dritten Monat in Folge und stieg auf den höchsten Stand seit 13 Monaten. Mit 45 300 wurden 27 Prozent mehr Zugmaschinen verkauft als im Vorjahreszeitraum.



Auf Seite 2: Auf dem Tiefpunkt





Auf dem Tiefpunkt



Grund für den Optimismus ist, dass die Geschäfte seit dem vergangenen Sommer wieder besser laufen. Zwar ist die Branche noch weit vom Boomniveau des Jahres 2014 entfernt, doch Frachtvolumen und Preise steigen (siehe Grafik Seite 3). Die größten Logistikkonzerne des Landes haben ihre ältesten Laster zu Hunderten ausgemustert, Neukäufe allerdings noch verschoben.

"Der Markt scheint den Tiefpunkt überwunden zu haben. Es werden weniger Trucks gekauft als für die reine Instandhaltung der Lkw-Flotten nötig ist", sagt Kenny Vieth. "All das hilft Angebot und Nachfrage in die Balance zu bringen und ebnet den Weg für steigende Verkäufe ab 2018", so der Chef des auf Logistiker spezialisierten Marktforschers ACT. Im aktuellen Jahr müssen Zulieferer und Hersteller allerdings noch eine kleine Durststrecke überstehen. Zwar sinken die Verkaufszahlen nicht mehr, doch um besser abzuschneiden als im Vorjahr, reichen stagnierende Absätze nicht aus.

Beobachter erwarten daher, dass der Markt dieses Jahr um fünf bis elf Prozent schrumpft. Ein zusätzliches Problem könnte der neue US-Präsident werden. Doch trotz geplanter Einschränkungen des internationalen Handels wähnt die Branche Donald Trump bisher eher als Hilfe denn als Hindernis. Immerhin will er die Wirtschaft mit Infrastrukturprojekten ankurbeln.

Nachholbedarf der Europäer



An der Wall Street wurden die sich verbessernden Aussichten bereits bemerkt. Die Kurse etlicher amerikanischer Truckzulieferer zogen seit dem vergangenen Sommer stark an. Ein mit SAF-Holland am ehesten vergleichbarer Konkurrent ist Oshkosh. Die Aktie des Unternehmens hat sich binnen eines Jahres fast verdoppelt. "Aktien wie Norma, MS Industries oder SAF-Holland hinken dieser Entwicklung ungerechtfertigter Weise hinterher und bieten daher großes Aufholpotenzial", fasst Hauck-&-Aufhäuser-Analyst Christian Glowa zusammen.

Den größten Rückstand weist demnach SAF-Holland auf. Während etwa Oshkosh mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von fast 20 gehandelt wird, liegt die Bewertung des SDAX-Titels für 2017 bei 12,5. Der Konzern ist damit nicht nur deutlich günstiger, sondern wird auch zur gesamten Vergleichsgruppe mit einem Abschlag von 20 Prozent gehandelt.

Dabei verschlankt sich der Zulieferer in Amerika, um Kosten zu sparen, verstärkte sich jüngst mit einem Zukauf in Brasilien und gilt manchem Beobachter als Übernahmeziel. An dem Plan, die Ebit-Marge stabil über acht Prozent zu halten und den Jahresumsatz bis 2020 von zuletzt 1,06 auf 1,5 Milliarden Euro zu steigern, hält SAF-Chef Borghardt daher fest.

Ein ähnliches Bild bietet MS Industries. Fast 40 Prozent der Weltmotoren werden in Amerika verkauft. Daimler will den Diesel mindestens bis 2027 einsetzen. Der Motor ist damit noch jung und soll erst ab 2020 eine jährliche Spitzenstückzahl von 200 000 bis 250 000 erreichen. Im vergangenen Jahr wurden geschätzte 147 000 Einheiten produziert. Wie die gesamte Branche profitieren die Münchner gleichzeitig vom steigenden Lkw-Absatz in Europa, was den Einnahmerückgang in den USA ausgleichen sollte. Experten erwarten, dass der hiesige Markt 2017 um neun Prozent wächst. Lastet dann eine steigende Nachfrage die US-Fertigung wieder besser aus, dürfte die Marge anziehen und den Kurs treiben.

Norma hat dank strikter Kostenkontrolle keine Probleme mit der Gewinnspanne. Trotz gekappter Prognose lag die operative Marge wie geplant über 17 Prozent. Firmenchef Deggim zeigte sich "angesichts des stark eingebrochenen US-Markts für Nutzfahrzeuge und landwirtschaftliche Maschinen" mit dem Jahresergebnis zufrieden. Weil Norma neben Trucks deutlich mehr Produkte in Autos und Wasserleitungen verbaut, sollte die Kursdelle selbst ohne US-Erholung schnell ausgebeult sein. Die nächsten Fragen zu Amerika dürften Deggim und Borg-hardt daher wieder gern beantworten.

Auf Seite 3: LKW-Zulieferer auf einen Blick