Ein lindgrünes Waschbecken und hellbraun marmorierte Fliesen: In vielen deutschen Bädern herrscht noch immer der Charme der 70er-Jahre. Auch deshalb ist das Badezimmer der Renovierungsliebling der Deutschen. Knapp zwölf Millionen Immobilienbesitzer planen derzeit konkrete Modernisierungsarbeiten. Mehr als zwei Fünftel wollen nicht nur neue Farben bei den Kacheln und leicht zu reinigende WC-Schüsseln. Das Traumbad mit Wellnessfeeling soll auch altersgerecht sein.

Der Trend zum barrierefreien Sanitärbereich wird zum einen von der demografischen Entwicklung getragen. Zum anderen greifen viele Eigenheimbesitzer tief in die Tasche, weil sich Sparen schlicht nicht lohnt. "Unsere Fachhandwerker sind zu wahren Anlageberatern geworden", sagt Manfred Stather, Präsident des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima. "Die Menschen sehen in der Immobilie die sicherste Wertanlage und stecken ihr Erspartes in neue Bäder oder effizientere Heizungsanlagen." Deshalb läuft das Geschäft mit Waschbecken, Armaturen und Urinalen hervorragend.

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Saubere Abläufe

Unangefochtene Nummer 1 in Europa ist der Schweizer Geberit-Konzern. 1874 legte Caspar Melchior Gebert mit seinem Spenglereibetrieb den Grundstein für den Marktführer im Bereich Sanitärtechnik und Rohrleitungssysteme. Sein Sohn Leo entwickelte einen mit Blei ausgekleideten Holzspülkasten, der 1912 patentiert wurde. Bis heute ist Geberit dem Bereich "hinter der Wand" treu geblieben.

Um neue Wachstumsfelder zu erschließen, haben die Schweizer ihre Kernkompetenzen im Januar erweitert. Für 1,4 Milliarden Franken übernahm Geberit den finnischen Badezimmerausstatter Sanitec, der erst vor einem Jahr an die Börse gegangen war. Weil die Schweizer einen satten Aufschlag auf den Aktienkurs bezahlten, fiel es den Sanitec-Aktionären nicht schwer, der Übernahme zuzustimmen.

Geberit-Aktionäre reagierten im ersten Augenblick verschnupft, weil sie eine Verschlechterung der Finanzkennzahlen - vor allem der Marge - befürchteten. Geberit ist mit Margen von über 25 Prozent eines der stärksten Schweizer Industrieunternehmen und schüttet regelmäßig zwischen 50 und 70 Prozent des Gewinns aus. Die hohen Gewinnspannen erzielt Geberit, weil die Produkte ausschließlich über den Großhandel vertrieben werden. Installateure sind die wichtigste Kundengruppe. Mit den Sanitec-Produkten erreicht Geberit künftig die Endverbraucher auch direkt, weil sie auch in Baumärkten verkauft werden. Bereits 2016 soll Sanitec voll integriert sein. Als Komplettanbieter "vor und hinter der Wand" will Geberit dann die Internationalisierung in den Vereinigten Staaten und Asien ausbauen. Langfristig orientierte Anleger nutzen Kursrückschläge zum Aufbau einer Position.

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Traditionsreich, aber modern

In Deutschland steht der Name Grohe für eine lange Tradition, aber auch für Innovationen. Hans Grohe, der Anfang der 50er-Jahre die Duschstange erfand, gründete das gleichnamige Unternehmen vor mehr als 100 Jahren. Die Grohe-Familie hält noch immer 32 Prozent an der Ursprungsfirma Hansgrohe. Die verbleibenden 68 Prozent liegen seit 1985 bei Masco. Der US-Riese erzielte mit Bädern, Küchen und Zubehör für den Innenausbau im vergangenen Jahr 8,5 Milliarden Dollar. Hansgrohe trug dazu einen Umsatz von 874 Millionen Euro und einen Gewinn von 100,5 Millionen Euro bei. Doch damit rangiert Hansgrohe deutlich hinter dem einstigen Schwesterunternehmen und heutigen Konkurrenten Grohe.

Friedrich, ein Sohn von Hans Grohe, gründete seine Firma Grohe 1948 und brachte sie 1991 an die Börse. Die Notiz wurde 2000 eingestellt, als die Familie Kasse machte und an einen Finanzinvestor verkaufte. Grohe erwirtschaftete im vergangenen Jahr 1,58 Milliarden Euro Umsatz. Die Investoren verkauften Anfang 2014 an den japanischen Hausgerätekonzern Lixil, der für Grohe drei Milliarden Euro auf den Tisch legte. Das Desaster mit Joyou war da noch nicht bekannt.

Bereits seit 2009 bestand zwischen Grohe und dem chinesischen Hersteller von Badarmaturen eine strategische Partnerschaft. Grohe baute seinen Anteil immer weiter auf zuletzt 72,3 Prozent aus. 2014 wurde Grohe für seine langfristigen strategischen Entscheidungen mit dem Corporate-Finance Stetigkeitspreis ausgezeichnet. Diese Auszeichnung verleiht die "Börsen-Zeitung" seit 2010 jährlich an Unternehmen, deren durchdachte Unternehmens- und Finanzstrategie über einen längeren Zeitraum hinweg besonders positiv aufgefallen ist.

Wie eine Bombe muss deshalb die Nachricht der Insolvenz von Joyou eingeschlagen haben. Der Joyou-Aktienkurs stürzte von 16,50 Euro auf Pennystock-Niveau ab. Grohe wurde kalt erwischt und hat angekündigt, rechtliche Schritte gegen die beiden Ex-Vorstände einzuleiten. Immerhin könnte sich die Belastung für Grohe auf bis zu 200 Millionen Euro belaufen. Doch Grohe hat mit Lixil einen starken Mutterkonzern im Rücken. Die Japaner werden an der Börse mit 5,3 Milliarden Euro bewertet und erzielten im vorigen Geschäftsjahr einen Gewinn von 333 Millionen Euro.

Trotz der Negativschlagzeilen um Joyou kam Ende April die chinesische Firma Roy Ceramics mit einer Erstnotiz von neun Euro auf das deutsche Börsenparkett. Der Hersteller von Sanitärkeramik, Badezimmerartikeln und Accessoires zählt sich selbst zu den Top Ten auf dem chinesischen Markt für Sanitärwaren. Der Umsatz wuchs im ersten Quartal um 64 Prozent auf 30,9 Millionen Euro. Wie Joyou hat auch Roy Ceramics eine Firmenstruktur mit zwischengeschalteter Holding. Im Fall von Roy Ceramics residiert diese auf den Cayman Islands. Die deutsche Tochter ist praktisch mittellos. Ähnlich war es auch bei Joyou, wo die Deutschland-Tochter wegen der Kredite an die chinesische Holding auf einmal überschuldet war. Wegen der Parallelen sollten bei deutschen Anlegern sämtliche Alarmglocken schrillen. Seit der Erstnotiz hat sich der Einstandskurs gedrittelt. Roy Ceramics könnte ein Griff ins Klo werden.

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Schönes für Bad und Tisch

Ganz im Gegensatz dazu steht das deutsche Traditionsunternehmen Villeroy & Boch, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1748 zurückreichen. Damals begann François Boch, Keramikgeschirr herzustellen, und legte den Grundstein für die Sparte Tischkultur. Mitte des 19. Jahrhunderts kamen Fliesen dazu. 1899 hatte sich die Produktionstechnik so weit verbessert, dass das Unternehmen mit der Serienproduktion von Wannen und Toiletten aus Keramik startete. Sanitärprodukte wurden so für eine breite Schicht erschwinglich. Villeroy & Boch ist heute in 125 Ländern aktiv - mit einem Sortiment, das von leicht zu reinigenden WC-Schüsseln bis hin zu hochwertigem Geschirr für die Gastronomie reicht. Die Vorzugsaktie notiert seit 1990 an der Börse, die Mehrheit wird aber bis heute über Stammaktien von der Familie gehalten. Dem Umsatz von 766 Millionen Euro steht ein Börsenwert von lediglich 350 Millionen Euro gegenüber. Vorzugsaktionäre strichen für 2014 eine Dividende von 44 Cent ein. Die beiden Geschäftsfelder Bad & Wellness sowie Tischkultur laufen hervorragend, auch ohne die Fliesensparte, die an die türkische Eczacibasi-Gruppe verkauft wurde.



Trotz der politischen Krise im wichtigen Markt Russland konnte Villeroy & Boch den Umsatz im ersten Quartal um ein Prozent auf 195 Millionen Euro steigern. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) legte um acht Prozent auf knapp zehn Millionen Euro zu. Der Clou an der Aktie ist das ansehnliche Immobilienvermögen. Ein Gelände in Luxemburg könnte in den kommenden Jahren zum Verkauf stehen und einen außerordentlichen Ertrag von 50 Millionen Euro beisteuern. Gute Geschäfte, stille Reserven und eine ansehnliche Dividendenrendite sind eindeutige Kaufargumente für Langfristinvestoren.

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