Vorgesehen sind nach Reuters-Informationen eine Neuverschuldung von 156 Milliarden Euro sowie ein Rettungsschirm von bis zu 600 Milliarden. Das Kabinett soll am Montag den Nachtragshaushalt beschließen, der für Solo-Selbstständige, Kleingewerbe und Miniunternehmen bis zu 50 Milliarden Euro an Hilfen vorsieht. Das Arbeitsministerium lockert die Hartz-IV-Regeln und erwartet bis zu 1,2 Millionen zusätzliche Bezieher der Grundsicherung. Wirtschaftsminister Peter Altmaier sagte: "Wir lassen niemanden allein." Auch Mieter sollen vor Kündigungen geschützt werden.

Der Kabinettsvorlage für den Nachtragshaushalt zufolge will die Bundesregierung Maßnahmen auf den Weg bringen, die zusätzliche Ausgaben von rund 122,8 Milliarden Euro umfassen. Zudem rechnet die Regierung in dem Reuters vorliegenden Entwurf mit Steuermindereinnahmen von 33,5 Milliarden Euro. In der Summe kommt sie auf neue Schulden von 156,3 Milliarden Euro. Scholz sagte: "150 Milliarden Euro sind eine große Summe, aber sie verschaffen uns die Möglichkeiten, die wir jetzt auch brauchen." Damit sollten Arbeitsplätze gesichert und Firmen stabilisiert werden.

Die im Grundgesetz festgelegte Schuldenbremse wird den Plänen zufolge um etwa 100 Milliarden Euro überschritten. Am kommenden Mittwoch soll daher der Bundestag mit Kanzlermehrheit einen Notfallmechanismus aktivieren, der in einer außergewöhnlichen Notsituation mehr Schulden erlaubt. Dies werde aber mit einem Tilgungsplan verbunden, so Vize-Kanzler Scholz. Der vergleichsweise niedrige Schuldenstand in Höhe von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung ermögliche es der Regierung, jetzt mit ganzer Kraft zu handeln.

VORBILD BANKENRETTUNG IN FINANZKRISE


Für die von der Pandemie betroffenen Unternehmen will die Regierung Hilfen von 600 Milliarden Euro bereitstellen. 400 Milliarden davon sind als Garantien vorgesehen, mit denen Unternehmen sich gegen eine Gebühr absichern können, wie aus dem Gesetzentwurf zum Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) hervorgeht. Die Bundesregierung plant daneben eine Kreditermächtigung von 100 Milliarden Euro für direkte Unternehmensbeteiligungen ein. Damit will der Staat notfalls bei angeschlagenen Firmen einsteigen, um diese zu stabilisieren. Zudem soll der WSF mit einer weiteren Kreditermächtigung über 100 Milliarden Euro in die Lage versetzt werden, der Förderbank KfW Darlehen zur Refinanzierung der Liquiditätshilfen für Firmen zu gewähren.

Scholz sagte, die Regierung werde den Stabilisierungsfonds aus der Finanzkrise neu aktivieren - "jetzt allerdings zur Rettung der Realwirtschaft". Es sei noch unklar, wie stark diese dann tatsächlich in Anspruch genommen würden. Altmaier will einen Ausverkauf der Industrie verhindern. "Dabei darf es keine Tabus geben." Vorübergehende staatliche Beteiligungen und Übernahmen seien dabei zwei mögliche Instrumente.

Der WSF soll für Unternehmen gelten, die in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren vor dem 1. Januar 2020 mindestens zwei von drei Merkmalen erreicht haben: eine Bilanzsumme von 160 Millionen Euro, 320 Millionen Euro Umsatz sowie im Jahresdurchschnitt 2000 beschäftigte Arbeitnehmer. Diese Schwellenwerte sollten noch abschließend geklärt werden.

HILFEN NICHT NUR FÜR DIE GROSSEN


"Wir arbeiten an weiteren Hilfen für Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen, die wir bereits am Montag verabschieden wollen", sagte Altmaier. Dabei gehe es neben Krediten auch um direkte Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssten. Laut Regierungsentwurf sind dafür 50 Milliarden Euro vorgesehen für Überbrückungshilfen, wenn ohne Hilfe eine Existenzgefährdung droht.

Die Voraussetzungen für Hartz-IV-Leistungen will die Bundesregierung für sechs Monate befristet deutlich verringern, um vor allem kleinen Selbstständigen zu helfen. Laut einem Reuters vorliegenden Gesetzentwurf rechnet das Arbeitsministerium mit neuen Hartz-IV-Beziehern in einer "maximalen Größenordnung von 1,2 Millionen zugehenden Bedarfsgemeinschaften". Die "maximalen Mehrausgaben" für sechs Monate werden auf 9,6 Milliarden Euro beziffert. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte der "Bild am Sonntag": "Das hilft erst einmal, um nicht ins Bodenlose zu stürzen."

Auch die von den Corona-Auswirkungen betroffenen Mieter und Schuldner will die Bundesregierung schützen. Eine Gesetzesänderung soll sicherstellen, dass Schuldner Zahlungen vorerst nicht leisten müssen.

rtr