Nach Steuern muss Siemens im dritten Geschäftsquartal einen Fehlbetrag von rund 1,5 Milliarden Euro verbuchen, nach einem Gewinn von knapp 1,5 Milliarden Euro im Vorjahr. Es ist nach Angaben eines Unternehmenssprechers der erste Verlust seit Sommer 2010.

Siemens Energy und Russland lasten auf Siemens-Geschäft


Siemens hatte auf Siemens Energy wegen der schwachen Entwicklung 2,7 Milliarden Euro abschreiben müssen. Die Russland-bezogenen Belastungen bezifferte der Konzern zudem auf knapp 600 Millionen Euro. Damit hat der Ausstieg aus dem russischen Markt, der insbesondere die Zugsparte betrifft, Siemens nach Angaben von Finanzvorstand Ralf Thomas bislang rund 1,1 Milliarden Euro gekostet.

Abseits dessen liefen die Geschäfte jedoch robust. Auftragseingang und Umsatz lagen im dritten Quartal deutlich über den Erwartungen. Von April bis Juni kamen Aufträge über 22 (Vorjahr 20,5) Milliarden Euro herein, das war auf vergleichbarer Basis ein Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der Umsatz kletterte ohne Währungs- und andere Sondereffekte um vier Prozent auf 17,9 Milliarden Euro. Der Auftragsbestand habe mit 99 Milliarden Euro ein Rekordniveau erreicht. "Das zeigt: Wir haben das richtige Angebot und die richtige Strategie, um selbst in unsicheren Zeiten erfolgreich zu sein", sagte Vorstandschef Roland Busch.

Siemens will Energy-Aktien noch nicht verkaufen


Der operative Gewinn aus dem Industriegeschäft schnellte um 27 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro hoch, lag damit aber leicht unter den Analystenprognosen. Die Beteiligung an Siemens Energy verdirbt alles: Statt einer Steigerung des Gewinns je Aktie auf 8,70 bis 9,10 (2020/21: 8,32) Euro je Aktie erwartet Finanzvorstand Ralf Thomas für das laufende Geschäftsjahr nun einen Rückgang auf 5,33 bis 5,73 Euro. Die Differenz von 3,37 Euro je Aktie entspreche genau der Siemens-Energy-Abschreibung, vor der Siemens bereits Ende Juni gewarnt hatte. Zuvor befragte Analysten hatten zuletzt im Schnitt mit einem Gewinn von 5,97 Euro je Aktie gerechnet.

Siemens will sich trotz der Milliarden-Abschreibung in nächster Zeit nicht von Siemens-Energy -Aktien trennen. Es wäre "unglücklich und unklug", vor der geplanten Kapitalerhöhung des Energietechnik-Konzerns Aktien auf den Markt zu werfen und damit den Kurs zu belasten, sagte Thomas in einer Telefonkonferenz. Siemens Energy will die vier Milliarden Euro teure Komplett-Übernahme der defizitären Windkraft-Tochter Siemens Gamesa zum Teil mit einer Kapitalerhöhung finanzieren.

Einschätzungen zur Siemens-Aktie


Die Aktie von Siemens rutschte im frühen Handel deutlich ab, stabilisiert sich jedoch und verzeichnet noch ein Minus von 1,5 Prozent auf 107,54 Euro. Der seit Januar intakte Abwärtstrend verläuft derzeit bei etwa 110 Euro.

Das Analysehaus Jefferies hat die Einstufung für Siemens nach den Zahlen zum dritten Geschäftsquartal auf "Buy" belassen und prognostiziert ein Kursziel von 155 Euro. Mit Blick auf den neuen Ausblick des Industriekonzerns seien die Konsensschätzungen nun etwas zu hoch.

Die US-Bank JPMorgan ist optimistischer und hat ihre Einstufung für Siemens auf "Overweight" mit einem Kursziel von 178 Euro belassen. Analyst Andrew Wilson bezeichnete den Auftragseingang des Technologiekonzerns in einem ersten Kommentar als durch die Bank sehr stark. Auch der Barmittelzufluss sei stark gewesen. Guillermo Peigneux Lojo von der UBS sprach ebenfalls von starken Aufträgen und Umsätzen, bemängelte aber die geringe Profitabilität im Industriegeschäft. Von den bei Bloomberg geführten 27 Analysten, die Siemens untersuchen, sagen 21 "Kaufen". Das durchschnittliche Kursziel für das DAX-Schwergewicht liegt bei 144 Euro.

Auch BÖRSE ONLINE hält die Siemens-Aktie längerfristig für kaufenswert und hat ein Kursziel von 150 Euro ausgegeben. mmr mit rtr und dpa