Die Airline sei wegen der Pandemie schuldlos in eine schwierige Lage geraten, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Die Staatshilfen seien deshalb eine "sehr, sehr gute Lösung", um die Krise zu überbrücken, und trügen den Interessen des Steuerzahlers sowie des Unternehmens Rechnung.

"Wir sind außerordentlich dankbar für die Unterstützung der Bundesregierung in dieser so schwierigen Situation", erklärte Lufthansa-Vorstand Michael Niggemann, der die Verhandlungen geführt hatte. Es sei jetzt die Grundlage geschaffen, dass die Lufthansa erhalten bleibe und nach der Krise wettbewerbsfähig wirtschaften könne. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sprach von langen und zähen Verhandlungen, aber einem akzeptablen Ergebnis für das Unternehmen, die Regierung und die Arbeitnehmer. Tausende Jobs könnten so gesichert werden.

POLITIK HÄLT SICH AUS DEM GESCHÄFT RAUS


Der Staat bewahrt die Airline demnach mit stillen Einlagen von insgesamt 5,7 Milliarden Euro, einem staatlich abgesicherten Kredit von bis zu drei Milliarden Euro und einer direkten Beteiligung an der Lufthansa in Höhe von 20 Prozent oder 300 Millionen Euro vor der Pleite. Über den Staatseinstieg und den damit verbundenen Einfluss hatte es den meisten Streit gegeben. SPD-Politiker pochten auf ein Aktienpaket an der seit 1997 privatisierten Lufthansa in Höhe einer Sperrminorität von 25 Prozent. Dagegen wehrte sich die Lufthansa, unterstützt von Vertretern von CDU/CSU, die dem Konzern nicht reinreden wollen.

Jetzt kann der Staat unter zwei Umständen das Aktienpaket über die 25-Prozent-Schwelle erhöhen: Im Fall einer Übernahme der Lufthansa durch einen anderen Investor. "Damit verhindern wir, dass die Lufthansa zum Ausverkauf steht", sagte Altmaier. Oder ab 2024, wenn die Lufthansa jahrelang so viel Verlust machen sollte, dass sie die zeitlich gestaffelten Zinsen von vier bis 9,5 Prozent auf die Einlage nicht zahlen kann.

Wenn aber die Lufthansa die 5,7 Milliarden Euro vollständig tilgt und die Aktie steigt, muss der Staat bis Ende 2023 sein Paket verkaufen. "Wenn das Unternehmen wieder flott ist, dann wird der Staat seine Anteile veräußern", sagte Scholz. Dann falle hoffentlich ein kleiner Gewinn ab. Denn bei so viel Geld müsse die Regierung alles tun, damit das Investment nicht zu Lasten der Staatskasse ausgehe.

Das Stimmrecht auf Hauptversammlungen will die Regierung auch nur im Fall einer drohenden Übernahme nutzen. Es wurde festgehalten, dass die Politik sich nicht ins operative Geschäft einmischt. Der Staat kann die Lufthansa über zwei Sitze im Aufsichtsrat kontrollieren, die unabhängige Experten übernehmen sollen. Verdi-Vizechefin Christine Behle, zugleich stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Lufthansa, erklärte, die Arbeitsplätze der knapp 140.000 Beschäftigten sollten erhalten und gute tarifliche Standards gesichert werden.

Vorstand und Aufsichtsrat sollen dem Plan in Kürze endgültig zustimmen. In rund vier Wochen müssten dann die Aktionäre auf einer Hauptversammlung die damit verbundene Kapitalerhöhung beschließen. Die letzte Hürde ist die EU-Kommission, die bei Staatshilfen prüft, ob es zu Verzerrungen des Wettbewerbs in Europa kommt. Sie macht generell zur Auflage, dass staatlich gestützte Firmen keine Dividenden und Managerboni zahlen dürfen. Beim Klimaschutz muss die Lufthansa versprechen, Emissionen über die Anschaffung neuer sparsamerer Flugzeuge zu senken, was sie ohnehin schon beabsichtigte.

Die Gespräche mit der EU-Kommission laufen laut Altmaier auf Hochtouren. Eine EU-Sprecherin sagte, die Behörde sei sich der prekären Lage der Luftfahrtbranche infolge der Pandemie bewusst. Ein Insider sagte, die EU werde verlangen, dass die Lufthansa einen Teil ihrer Start- und Landerechte an wichtigen Flughäfen aufgebe. Die Union im Bundestag warnte die Kommission vor einer "Überregulierung". Es gehe nicht um eine Übernahme, sagte CDU/CSU-Fraktionsvize Ulrich Lange. "Die übliche Werkzeugkiste des europäischen Wettbewerbsrechts sollte daher geschlossen bleiben. Die Drehkreuze Frankfurt und München dürfen gegenüber Paris und Amsterdam nicht geschwächt werden."

Ähnlich äußerte sich der Berufsverband der Piloten, die Vereinigung Cockpit. Die EU-Kommission dürfe keine Vorgaben machen, die die Ausgangslage für einen Neustart verschlechterten. "Wir warnen eindringlich davor, das Unternehmen zur Abgabe von Teilen der Start- und Landerechte zu zwingen." Vor allem die Slots in Frankfurt und München seien wichtig, um attraktive Verbindungen anbieten zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Wegen Reisebeschränkungen gegen die Pandemie in mehr als 100 Ländern weltweit ist der Luftverkehr seit März nahezu zum Erliegen gekommen. Erst im Juni sollen wieder mehr Flugzeuge über eine Grundversorgung hinaus abheben. Die Lufthansa schreibt deshalb hohe Verluste - Vorstandschef Carsten Spohr hatte sie auf eine Million Euro in der Stunde beziffert. Ohne Staatshilfen droht ihr auf absehbare Zeit das Geld auszugehen.

rtr