Der Börsengang des Software-­Unternehmens Team­viewer aus Göppingen im Parkettsaal des Handelsplatzes in Frankfurt am Main war eine Show. 380 Mitarbeiter standen in Firmenshirts auf dem Parkett, applaudierten und hoben die Sektgläser zum Läuten der Glocke. Sie feierten das mit einem Ausgabevolumen von 2,2 Milliarden Euro größte Debüt ­eines Technologiekonzerns in Deutschland seit der Jahrtausendwende.

Mit der cloud-basierten Plattform von Teamviewer können Nutzer aus der Ferne auf Computer und internetfähige Geräte zugreifen. Für Reparaturen oder Netzwerkarbeiten müssen die geschäftlichen und privaten Kunden damit nicht mehr vor Ort sein. Auch Videokonferenzen lassen sich mit der 2005, im Gründungsjahr des Unternehmens, vorgestellten Software durchführen. Ein Zukunftsmarkt.

Absturz nach der Erstnotiz


Die gesamte Branche der Software- und IT-Dienstleister soll in diesem Jahr um fünf Prozent wachsen. Das ist etwas weniger als in den vergangenen Jahren, geopolitische Risiken wie der Handelskrieg, die Folgen des Brexit sowie die Flaute der Autoindustrie bremsen die Anbieter aus. Anders sieht es für Anbieter cloud-basierter Lösungen aus. Laut US-Marktforschungs- und Beratungs­unternehmen Gartner soll das Branchensegment in diesem Jahr um knapp 18 Prozent wachsen, bei Entwicklern von Infrastrukturanwendungen soll das Plus sogar bei rund 22 Prozent liegen.

Trotz der positiven Vorzeichen geschah eine Woche nach dem Börsengang, was nach Erstnotizen hierzulande oft passiert: Der Aktienkurs rauschte in die Tiefe. Nahezu 20 Prozent ging es abwärts. Den Anlegern stieß sauer auf, dass die Einnahmen aus dem Börsengang nicht in das Wachstum von Teamviewer gesteckt werden. Der britische Finanzinvestor Permira, der das Unternehmen vor fünf Jahren für 870 Mil­lionen Euro gekauft hatte, strich den ­Gewinn ein.

Dabei hat Teamviewer im Wertpapierprospekt eine Verschuldung von 936 Millionen Euro ausgewiesen. Noch vor drei Jahren schrieb das Unternehmen operativ rote Zahlen, im vergangenen Jahr lag das Ergebnis bei 107 Millionen Euro. Vorstandschef Oliver Steil ist aber überzeugt: "Wir sind in der Lage, sowohl künftiges Wachstum als auch die konsequente Rückführung unserer Verschuldung mit unseren eigenen Mitteln zu finanzieren." Tatsächlich wächst Teamviewer hoch profitabel.

Skepsis löste bei Anlegern auch die hohe Bewertung aus. Mit einem Börsenwert von fünf Milliarden Euro zählt das Unternehmen aus Göppingen zu den ­sogenannten Einhörnern, also Jung­firmen, die mit mehr als einer Milliarde Euro bewertet werden. "Im Technologiebereich sind die Markterwartungen generell relativ hoch, aber die Bewertung von Teamviewer ist durchaus gerechtfertigt", sagte Mirko Maier, Analyst der Landesbank Baden-Württemberg. Begründung: Teamviewer habe eine aussichtsreiche Zukunft und werde recht zügig in den MDAX aufsteigen.

Kein Zwang zum Börsengang


Voraussetzung dafür ist jedoch, dass es der Firma anders ergeht als so manchem Techwert, der ebenfalls im vergangenen Jahr an der Börse gestartet ist. Die Titel der Online-Möbelverkäufer Home24 und Westwing haben in den letzten zwölf Monaten jeweils mehr als 80 Prozent eingebüßt. "Das Investoreninteresse lässt nach, wenn die Rahmenerwartungen nicht erfüllt werden", sagt Stefan Weiner, Chef des Geschäfts mit Eigenkapitaltransaktionen der US-Bank JP Morgan im deutschsprachigen Raum. Die Titel würden zu klein und damit ­illiquide werden.

Deshalb trauen sich einige Nachwuchsfirmen derzeit nicht an die Börse. "Gerade die Techunternehmen müssen auch nicht, wenn sie sehen, dass die Bedingungen nicht stimmen", erklärt Weimer. Da das Wagniskapital derzeit locker sitze, könnten sie sich so mit Finanzmitteln versorgen.

Die Bewertungen von Titeln wie Teamviewer oder auch des Softwaregiganten SAP sind exorbitant. Daneben gibt es aber gerade in Deutschland spannende Techwerte, die unter dem Radar laufen. Zum Teil ist das sogar gewollt. Adi Drotleff zum Beispiel, Vorstandschef von Mensch und Maschine, fühlt sich mit seinem Unternehmen - er hält 43,8 Prozent der Aktien - im Wachstumssegment Scale ganz wohl. Dabei ist das Unternehmen mit Sitz in Weßling bei München des Öfteren als SDAX- oder MDAX-Kandidat gehandelt worden. Die Aktie würde von einem Aufstieg insofern profitieren, als dass auch Emittenten von Indexfonds in das ­Software-Unternehmen investieren würden.

In der Szene der Nebenwerte gilt Mensch und Maschine als Perle. Um 15 Prozent hat der Entwickler und Vertreiber von 3-D-Software für Industrie, Architektur und Designbüros den Umsatz im vergangenen Jahr steigern können. Das operative Ergebnis legte sogar überproportional um 29 Prozent zu.

Das Ergebnis kommt nicht von ungefähr. Die Softwarebranche befindet sich im Umbruch. Mit dem Trend zu cloud- und plattformbasierten Anwendungen haben die Unternehmen ihre Bezahl­modelle angepasst. Einmal kaufen, installieren und, abgesehen von zwischenzeitlichen Updates, einfach nutzen - das gilt für Software schon lang nicht mehr. Vielmehr wird ein Abonnement zur Nutzung erworben, für die all­jährlich eine Gebühr fällig wird. Die Wartung ist dabei oft inklusive. Der Vorteil für die Unternehmen: Mit wiederkehrenden Einnahmen lässt es sich leichter planen, Konjunkturdellen lassen sich abfangen.

Mensch und Maschine hat umgestellt und damit Wachstum und Profitabilität angekurbelt - USU Software wechselt gerade. Das auf Service-IT spezialisierte Unternehmen aus Mönchengladbach hat nach einem schwierigen Jahr 2018 zurück in die Spur gefunden. Mehrere Großaufträge konnte USU Software 2019 bereits ergattern. Die Firma erwartet ein zweistelliges Wachstum für dieses Jahr. "Bei einer normalen Umsatzentwicklung gibt es eine überpropor­tionale Ergebnissteigerung", kündigte Investor-Relations-Chef Falk Sorge bei einer Veranstaltung von Rüttnauer ­Research an.

Techunternehmen sind nicht nur in den USA, auch in Deutschland einen zweiten Blick wert. Im nächsten Jahr dürften einige dazukommen. Stefan Weiner von JP Morgan rechnet mit sechs bis neun Börsengängen. Besonders bei den Techwerten gebe es attraktive ­Kandidaten.

Investor-Info

Mensch und Maschine
Vorsichtige Ziele


An diesem Montag will Mensch und Maschine Zahlen für das dritte Quartal vorlegen und sich dann auf das traditionell starke Jahresendquartal konzentrieren. Für das Gesamtjahr rechnet die Münchner Firma mit einem Umsatzwachstum zwischen 20 und 24 Prozent, das operative Ergebnis soll zwischen 22 und 33 Prozent zulegen. Im ersten Halbjahr 2019 lag das Unternehmen bereits deutlich über den schon verbesserten Zielen. Eine weitere Anhebung der Prognose ist durchaus möglich.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 42,00 Euro
Stoppkurs: 26,00 Euro

Teamviewer
Hohe Erwartungen


Teamviewer hat das Zeug zum Tech-Star, aber da sind ein paar Schönheitsfehler: Zum einen gibt es neben dem Wertpapierprospekt noch so gut wie keine Informationen. Die jährlichen Wachstumsraten im hohen zwei­stelligen Bereich sehen toll aus, aber die starke Verschuldung macht misstrauisch. Gläubiger ist Altaktionär und Private-Equity-Fonds Permira, der wohl an den Zinsen weiter verdienen will. Anleger warten zumindest die erste Quartalsmitteilung Mitte November ab.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 30,00 Euro
Stoppkurs: 19,00 Euro

USU Software
Klein, aber vielversprechend


Dank der Umstellung von Lizenz- auf den margenstarken Abo-Verkauf via Cloud hat USU im ersten Halbjahr die Krise 2018 abgeschüttelt und ist zurück auf dem Wachstum­pfad. Aufgrund von Nachholeffekten hat sich das operative Ergebnis mehr als verdoppelt, der Umsatz hat um rund sieben Prozent zugelegt. USU Software schaut sich derzeit nach Kaufzielen um, dafür stehen zwölf Millionen Euro Liquidität zur Verfügung - Fremdverbindlichkeiten hat das Unternehmen nicht. Nur für risikofreudige Anleger!

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 23,00 Euro
Stoppkurs: 14,00 Euro