In einem schwachen Gesamtmarkt notiert die Thyssenkrupp-Aktie am Mittwochnachmittag rund sieben Prozent im Minus bei 6,86 Euro. Ein Börsianer verwies auf Aussagen von Vorstandschefin Martina Merz, dass der Industriekonzern wegen des Kriegs in der Ukraine unter erheblichem Druck stehe, da die Lieferketten unterbrochen seien.

Zudem belasten Diskussionen um einen Lieferstopp für Öl und Gas aus Russland. "Ich denke, dass Maßnahmen zu Öl oder sogar Gas früher oder später gebraucht werden", sagte EU-Ratspräsident Charles Michel am Mittwoch im Straßburger Europaparlament.

Die EU-Kommission hatte am Dienstag bereits ein Embargo russischer Kohle-Importe vorgeschlagen. "Heute stoppen wir die Kohle, aber das ist nur ein sehr kleiner Teil der Rechnung", sagte er. Man müsse sich nun auch Öl anschauen, sagte auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Über die Maßnahme müssen nun die EU-Staaten einstimmig entscheiden. Vorgesehen ist derzeit, dass es für das Kohle-Importverbot eine dreimonatige Übergangsfrist gibt, in denen Lieferungen noch möglich sein sollen.

"Öl wird auch, denke ich, relativ schnell kommen," sagte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley, dem ZDF-Morgenmagazin. Ein Einfuhrstopp für russisches Gas wäre hingegen schwierig. Damit hätte nicht nur Deutschland ein großes Problem, sondern auch andere Länder.

Industrie warnt vor Gas-Embargo


Die Wirtschaftsvereinigung Stahl, die die Interessen der deutschen Stahlhersteller vertritt, warnte bereits Ende März vor den Folgen eines Erdgasembargos: "Ohne Erdgas aus Russland wäre eine Stahlproduktion zurzeit nicht möglich." Die hiesige Stahlindustrie sei mit einer Rohstahlproduktion von 40 Millionen Tonnen der größte Hersteller in der EU und der achtgrößte Produzent weltweit.

Die deutsche Industrie unterstützt die angedachten Kohle-Sanktionen gegen Russland, warnt aber ebenfalls vor einem Gas-Embargo. "Die Umsetzung ist nicht einfach und hat ihren Preis, aber die Entscheidung ist vor dem Hintergrund der Eskalation der Gewalt mehr als nachvollziehbar", sagte Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf Kohle. Völlig anders sei die Situation beim Gas, so Russwurm: "Ein Komplettausfall russischer Gaslieferungen, die andere Lieferanten nicht kurzfristig ersetzen können, wäre ein gewaltiger Stresstest für die EU - mit unabsehbaren Folgen für Versorgungssicherheit, Wachstum, Beschäftigung und unsere politische Handlungsfähigkeit."

Auch die Bundesregierung lehnt ein Embargo russischer Gasimporte ab und warnt vor schweren Schäden für die Wirtschaft.

Einschätzung zur Thyssenkrupp-Aktie


Seit Jahresbeginn hat die Thyssenkrupp-Aktie insgesamt mehr als 30 Prozent verloren. Der Ausbruch des Ukraine-Kriegs hatte den Kurs zwar zwischenzeitlich einen Schub gegeben - mit den Diskussionen um ein Gasembargo allerdings ging es dann wieder steil nach unten.

Perspektiven bieten sich für Thyssenkrupp im Geschäft mit Wasserstoff. Die Tochter Uhde Chlorine Engineers etabliert sich zu einem führenden Anbieter von Großanlagen für den industriellen Bereich. Grüner Wasserstoff als CO2-neutraler Kraftstoff gewinnt zunehmend an Bedeutung, gerade auch bei der Produktion von Stahl. Die Sparte Marine Systems dürfte von den steigenden Verteidigungsausgaben von Nato-Ländern - darunter auch Deutschland - profitieren.

Wir bleiben bei der Kaufempfehlung für Thyssenkrupp - wenngleich Anleger den volatilen Wert eher gestaffelt ordern und Rückschläge zum Einstieg nutzen sollten.

dpa-AFX/fh