DAS IST LOS BEI THYSSENKRUPP:

Es war ein Paukenschlag als Thyssenkrupp-Chef Hiesinger vor einer Woche den Aufsichtsrat um die Auflösung seines Vertrages bat. Wenige Tage zuvor erst hatte er nach zähem Ringen endlich die Fusion der Stahlsparte mit dem europäischen Geschäft der indischen Tata Steel unter Dach und Fach gebracht. Nicht nur für den Aktienmarkt kam daher die Demission völlig überraschend, wurde doch gemutmaßt, der Manager würde nach dem Erfolg mit Tata nun wieder fester im Sattel sitzen. Doch der Dauerkonflikt mit Großaktionär Cevian hatte seine Spuren hinterlassen. Der schwedische Finanzinvestor feuerte seit Monaten gegen Hiesinger und seinen Kurs, den Konzern nach der Stahlfusion im Kern als Ganzes zu erhalten.

Cevian-Mitgründer Lars Förberg forderte zuletzt mehr Freiraum für einzelne Sparten nach dem Vorbild von Siemens. Damit würden Börsengänge einzelner Bereiche oder Teilverkäufe einfacher. Dabei hatte er etwa die lukrative Aufzugsparte im Blick. Dabei griff Förberg direkt nach der Entscheidung über die Stahlfusion Hiesinger erneut frontal an. "Thyssenkrupp ist mit der Strategie des Konglomerats und seiner Matrixorganisation gescheitert. Jetzt muss für jede der Sparten konsequent geprüft werden, welche Struktur und welche Eigentumsverhältnisse am besten geeignet sind", erklärte der Cevian-Gründungspartner. Die Maßgabe müsse dabei die industrielle Logik sein, "nicht Tabus, geschichtliche Entwicklung, Emotionen oder persönliche Ambitionen".

Erstaunlich still verhielt sich während der Attacken der größte Aktionär, die Krupp-Stiftung. Andeutungen Hiesingers über Unstimmigkeiten im Aufsichtsrat ließen dann auch viele auf mangelnde Unterstützung der Stiftung schließen, die durch Ursula Gather im Thyssen-Aufsichtsrat vertreten ist. Auffällig war auch die Äußerung von Aufsichtsratschef Ulrich Lehner, der Hiesinger nach seinem Rücktritt ausdrücklich für dessen Arbeit dankte und dabei auch auf den in der Satzung der Krupp-Stiftung verankerten Stiftungsgedanken hinwies, der den Erhalt des Unternehmens als Einheit vorsieht. Erst nach dem Abgang meldete sich die Stiftung zu Wort mit der Erklärung, man habe Hiesinger immer unterstützt.

Auch aus diesen Gründen sieht sich Thyssenkrupp nun einer handfesten Krise ausgesetzt. Eine neue Strategie, die Hiesinger nach der Unterschrift unter den Tata-Deal vorlegen wollte, um die übrigen Geschäfte profitabler zu machen - auf Eis gelegt, bis ein neuer Chef gefunden ist. Und das kann dauern. Den laufenden Umbau des Konzerns könnte das erheblich verzögern. Als abschreckendes Beispiel dient hier der Mannheimer Dienstleistungskonzern Bilfinger (Bilfinger SE), bei dem Cevian ebenfalls Großaktionär ist. Mehrere Führungswechsel führten zu einem Schlingerkurs des einstigen Baukonzerns, von dem dieser sich bislang noch nicht wieder erholt hat.

Aufsichtsratschef Lehner betonte, dass die weitere Umsetzung der Stahlfusion mit Tata zu der mit dem Aufsichtsrat abgestimmten Strategie gehöre. "Für die weiteren Geschäftsbereiche bestehen nach außen klar kommunizierte Ziele, an denen das Unternehmen weiter arbeiten wird."

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Nach dem Hiesinger-Abgang machten sich unter den Marktbeobachtern Hoffnungen auf einen radikalen Kurswechsel breit. "Viele Investoren dürften das Timing Hiesingers begrüßen, denn ein neues Management-Team könnte der richtige Schritt sein, den Konzern auf Wachstum zu trimmen", urteilte Analyst Marc Gabriel vom Bankhaus Lampe.

Dabei darf der Konzern nach Ansicht von Analyst Michael Shillaker von der Credit Suisse bei der Suche nicht zu viel Zeit verlieren. Der Aufsichtsrat sei gut beraten mit der raschen Ernennung eines neuen Vorstandsvorsitzenden, der schnell verfügbar sei. Entscheidend für das Unternehmen sei, wie flott die Restrukturierung voranschreite, da sie in einem zyklischen Abschwung wesentlich schwerer zu bewerkstelligen wäre.

Die wesentlichsten Herausforderungen für Hiesingers Nachfolger sind laut Commerzbank-Experte Ingo Schachel die weitere Straffung der Struktur und des Portfolios sowie Maßnahmen, um den freien Mittelzufluss und die Profitabilität zu verbessern. Vor allem im schwierigen Geschäftsbereich Industrial Solutions, der Planung, Bau und Dienstleistungen rund um industrielle Anlagen und Systeme anbietet, müsse eine Verbesserung vorangetrieben werden, forderte er.

Die schwierige Aktionärs-Konstellation mit der Krupp-Stiftung auf der einen und den Finanzinvestoren Cevian und Elliott auf der anderen Seite könnte dabei durchaus ein Hindernis bei den Bemühungen des Aufsichtsrats sein, einen adäquaten Nachfolger für Hiesinger zu finden. Das glaubt zumindest Analyst Rochus Brauneiser von Kepler Chevreux. Die Spekulationen, dass die Vorsitzende der Krupp-Stiftung Hiesinger ihre Unterstützung entzogen habe, dürfte die Suche erschweren und die Diskussionen um eine Aufspaltung anfeuern, schrieb er in einer Studie.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Seit rund zwei Jahren dümpelt die Aktie von Thyssenkrupp in einer Spanne zwischen 20 und 27 Euro vor sich hin. Nach dem Einbruch der Stahlpreise konnte sie sich zwar dank der vereinbarten Fusion mit Tata erholen. Die Anleger blieben aber angesichts der bevorstehenden Veröffentlichung der neuen Strategie vorsichtig und warteten ab. Ein Kursfeuerwerk nach Bekanntwerden des Abgangs Hiesingers verpuffte schnell. Nun notiert die Aktie wieder knapp unter 21 Euro.

Damit ist die Aktie aus Analystensicht erheblich unterbewertet. So liegt etwa das Kursziel der Credit Suisse bei 28 Euro, Kepler Chevreux und die Citigroup haben 26 Euro aufgerufen. Das Analysehaus Jefferies notiert sogar 33 Euro. Der niedrige Aktienkurs ist auch ein Kritikpunkt Cevians. Mitgründer Förberg hatte nach der Stahl-Einigung erklärt: "Wenn die richtigen strategischen Entscheidungen getroffen und in bester Qualität umgesetzt werden, könnte Thyssenkrupp mit einem Wert von 50 Euro je Aktie und nicht wie zur Zeit, um die 21 Euro bewertet werden."/nas/men/jha/