Im März hatte Volkswagen den Börsengang seiner Truck-Sparte Traton mit Verweis auf das schwache Marktumfeld abgesagt. Die Probleme von damals, vor allem der Handelskonflikt, sind auch jetzt nicht gelöst. In Wolfsburg hat man sich davon aber nicht abschrecken lassen, am vergangenen Freitag schaffte Traton den Sprung aufs Parkett. Wobei der Empfang doch eher kühl verlief: Die Papiere wurden zu 27 Euro und damit am unteren Ende der Preisspanne von 27 bis 33 Euro ausgegeben. Mit dem Börsengang wollte VW ursprünglich bis zu 1,9 Mrd. Euro erlösen, nun fließen nur rund 1,5 Mrd. Euro in die Kasse. Der schwedische Pensionsfonds AMF Pensionsförsäkring AB zeichnete Aktien im Wert von 200 Mio. Euro und gibt als Ankeraktionär Sicherheit. Volkswagen gibt bisher nur 11,5 Prozent aus der Hand, der Streubesitz fällt somit recht gering aus.

An der Börse wird die Lkw- und Bus-Sparte von VW mit rund 13,5 Mrd. Euro bewertet, zuvor lagen die Hoffnungen bei rund 24 Mrd. Euro. Ein glänzender Start sieht anders aus - sollten Anleger die Finger von der Aktie lassen?

Mehr Schlagkraft


Zweifellos könnte das wirtschaftliche Umfeld besser sein. Im ersten Quartal lief es dennoch recht gut: Der Umsatz legte um sechs Prozent auf 6,4 Mrd. Euro zu, bei der operativen Marge ging es von 6,4 auf 7,3 Prozent nach oben. Damit erreichte Traton bereits die obere Zone der für das Jahr 2019 gesetzten Zielbandbreite von 6,5 bis 7,5 Prozent.

Operativ könnten sich für Traton mit dem Börsengang nun neue Möglichkeiten ergeben. Konzern-Chef Andreas Renschler hat klare Visionen und plant einen unabhängigen globalen Champion der Transportbranche. Rund 70 Prozent der Unternehmensumsätze erzielt die Tochter in Europa, hier ist das Unternehmen mit den beiden Marken Scania und MAN der größte Bus- und Lkw-Hersteller. Der Blick dürfte nun verstärkt in Richtung USA gehen. Auf dem weltgrößten Nutzfahrzeugmarkt ist die Lkw-Tochter bisher nur schwach vertreten.

Nun ist der Handlungsspielraum für die Expansion in den USA wesentlich größer, Traton verfügt nach dem Börsengang über eine eigene Akquisitionswährung. Am US-Hersteller Navistar hält man bereits rund 17 Prozent, eine komplette Übernahme steht derzeit zur Diskussion. In Südamerika sind die Münchner über die brasilianische Tochter Caminhoes e Onibus und die Mobilitätsmarke Rio präsent.

Zyklen werden ruhiger


Während die Konjunktur derzeit schwächelt und die erhoffte Belebung im zweiten Halbjahr sehr fraglich ist, bietet das Unternehmen langfristig durchaus Fantasie. Die Synergiepotenziale sind, gerade mit Blick auf die Expansionspläne, noch längst nicht ausgeschöpft und dürften sich positiv in der Marge niederschlagen. Zudem könnte das zyklische Nutzfahrzeuggeschäft gerade in Europa auf Grund der immer schärferen Umweltvorschriften und der damit verbundenen Nachfrage nach neuen Bussen und Lkw künftig nicht mehr so starken Schwankungen unterliegen. Im Idealfall verbessert sich die Planbarkeit, was sich positiv auf die Bewertung der Aktie auswirken sollte.

Kurzfristig sind aber keine großen Sprünge zu erwarten. Die tiefen Bewertungen der Autohersteller im DAX spiegeln deutlich die Unsicherheit in der Branche wider. Wer bei Traton einsteigt, sollte vor allem hinsichtlich der Konjunktur positiv gestimmt sein. Läuft die Weltwirtschaft in den kommenden Monaten wieder besser, dürfte sich dies auch positiv in den Zahlen niederschlagen, zweistellige Wachstumsraten in 2019 hält Börse Online durchaus für möglich. Anleger merken sich den 29. Juli vor, wenn Traton die Halbjahreszahlen präsentiert.

Mittelfristig dürfte sich auch ein möglicher Sprung in den MDAX positiv auswirken.

Einschätzung: Kaufen
Kursziel 35,00 Euro
Stopp 22,50 Euro

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse. www.index-radar.de