Anfangs glaubten nur wenige in der Wirtschaftswelt, dass Trump den großen Tönen auch Taten folgen lassen würde. Dann kam das Jahr 2018. Im März verkündete das Weiße Haus, Sonderzölle auf Stahlimporte in Höhe von 25 Prozent zu erheben, dazu 10 Prozent auf Aluminium. Dem war eine einjährige Untersuchung vorausgegangen, geleitet von Handelsminister Wilbur Ross - man hätte deren Ausgang erahnen können.

Was Donald Trump mit Aspekten der Nationalen Sicherheit begründete, war nur der Anfang. Monatelang ließ die US-Regierung unter Federführung des Handelsideologen Robert Lighthizer neue Salven von Straf- und Sonderzöllen ab - und brachte fast nebenbei den jahrzehntealten Handelspakt mit den Nachbarn Mexiko und Kanada an den Rand des Scheiterns.

Der Handelskrieg, so resümierte jüngst die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, sei "der vorherrschende Unsicherheitsfaktor" in der Weltwirtschaft. Trumps auf Pump finanzierter Boom wird den Prognosen zufolge nicht über 2020 hinausgehen. Der US-Notenbankchef Jerome Powell hat schon einmal vorsichtshalber langsamer anziehende Zinsen signalisiert.

Der IWF nahm vor allem wegen Trump seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft um 0,2 Prozentpunkte auf 3,7 Prozent zurück. China wird demnach im nächsten Jahr sogar 0,6 Punkte einbüßen. Die USA selbst leiden beim Wachstum mit 0,2 Punkten - und die Tendenz geht eher weiter nach unten. Schon ist von einem Absterben des Konjunkturmotors in den USA die Rede. Donald Trump wurmt das. Im zurückliegenden Wahlkampf redete er Abend um Abend die Ergebnisse seiner Wirtschaftspolitik schön. Doch die nackten Zahlen belegen die Worte nicht.

Bei den Jobs im produzierenden Gewerbe etwa sind die USA laut offizieller Statistikbehörde noch längst nicht wieder auf dem Niveau von 2008 angelangt - also dort, wo sie vor zehn Jahren von der Finanzkrise getroffen wurden. Zuletzt kündigte der Autoriese General Motors an, Tausende Jobs zu streichen - eine Entscheidung mit enormer Signalwirkung. Ausgerechnet im Rust Belt, dem alten, geschundenen Industrierevier, das Trump mit seiner Kopf-durch-die-Wand-Politik wieder aufbauen will und dafür Applaus aus der Arbeiterschaft bekam. Ausgerechnet in der Autobranche, über die der Handelsstreit mit den Europäern in erster Linie ausgetragen wird.

Die Handelspolitik Trumps wirkt abseits des Slogans "America First" alles andere als konsistent. Amerikanische Bauern ächzen unter den Problemen, besonders an den Grenzen im Süden zu Mexiko und im Norden nach Kanada. Industriebetriebe beantragten Tausende von Ausnahmen von Sonderzöllen, weil sie andererseits Wettbewerbsnachteile befürchten. Hersteller von Getränkedosen - ein Riesenmarkt in den USA - reklamieren, sie litten unter den steigenden Aluminiumpreisen.

Andererseits: Im Angesicht der schieren Kraft der größten Volkswirtschaft der Welt - noch dazu im derzeitigen Boom-Modus - schwindet vielen Widerständlern schnell der Mut. Nicht zuletzt der Poker um das nordamerikanische Handelsabkommen Nafta gibt Trump Recht. Kanadas Premierminister Justin Trudeau und seine Außenministerin Chrystia Freeland spielten bis zur allerletzten Sekunde auf Risiko - letztlich knickten sie trotz großer Worte doch ein, um ihrer Volkswirtschaft im Würgegriff des mächtigen Nachbarn nicht schweren Schaden zuzufügen.

Für den Konflikt mit China, aber auch mit Europa, wo Sonderzölle auf Autoausfuhren in die USA im Raum stehen, ist das ein Trumpf für Trump. Der US-Präsident setzt bei seiner Verhandlungstaktik schlicht auf die Größe des eigenen Marktes. Keiner will es sich mit dem Branchenprimus verscherzen - der für die Europäer zudem auch noch in politischer und militärischer Hinsicht ein unverzichtbarer Partner ist. "Angesichts der Stärke und angesichts der Größe unserer Volkswirtschaft sind wir in der Position, damit umzugehen und das sehr gut hinzukriegen", sagt Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow mit breiter Brust.

Der Streit mit China ist erst einmal vertagt: Beim G20-Gipfel in Buenos Aires Anfang Dezember einigte sich Trump mit Chinas Präsidenten Xi Jinping auf eine Galgenfrist von 90 Tagen. Bis dahin soll es zumindest keine weiteren Zölle und keine Erhöhungen geben. Die deutschen Autobauer BMW, VW und Daimler nahmen ihr Schicksal selbst in die Hand - Topmanager der drei Konzerne sprachen im Weißen Haus mit Trump - und zeigten sich danach optimistisch. "Wir haben einen großen Schritt nach vorne gemacht, um die Autozölle zu vermeiden", sagte VW-Chef Herbert Diess nach den Gesprächen. Ausgang offen.

Trump vernetzt in den Verhandlungen - teils über Twitter in aller Öffentlichkeit geführt - alles mit allem. Wenn es um Handelszölle geht, sind Äußerungen zum militärischen Schutz der Europäer nicht weit. Polen etwa versucht seit geraumer Zeit, den Amerikanern eine stärkere US-Truppenpräsenz zum Schutz vor Russland mit dem Ankauf von im Überfluss vorhandenem US-Flüssiggas schmackhaft zu machen. Auch in Deutschland sollen Flüssiggas-Terminals entstehen. In China verknüpft Trump den Handelsstreit mit dem Nordkorea-Konflikt - Politologen sehen darin sicherheitspolitisch eine höchst gefährliche Strategie.

Wenig spricht dafür, dass sich dies im nächsten Jahr ändern wird - wenngleich in Europa nach dem Kanada-Mexiko-Deal die Hoffnung wuchs, dass alte Partnerschaften am Ende doch einen gewissen Wert haben. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, die vor wenigen Wochen in Washington Gespräche führte, kämpft weiter um eine Art TTIP-Light, das sie aber keinesfalls so nennen will. Das Abkommen über den Handel mit Industrieprodukten soll auch Autos beinhalten. Trump, so vermuten Experten, wird dann im Gegenzug den Europäern seine China-Strategie aufzwingen wollen. Auch wenn er immer wieder betont, die EU sei genauso schlimm wie China, nur kleiner.

dpa-AFX