Nach den Plänen wollen die Wolfsburger bis 2025 insgesamt 80 elektrifizierte Autos im Portfolio haben, der E-Auto-Absatz soll bis dahin auf drei Millionen Fahrzeuge steigen, kündigte Müller am Dienstag vor der Presse in Berlin an. Angesichts der ehrgeizigen Ziele will Volkswagen seine Werke in den nächsten Jahren großflächig umrüsten. Bis zum Jahr 2022 werde man an 16 Standorten batterie-elektrische Fahrzeuge produzieren. Derzeit sind es drei. Ab 2019 werde "praktisch jeden Monat" ein neues E-Modell auf den Markt kommen, kündigte Müller an.

Unter anderem sollen etwa im Werk in Zwickau künftig ausschließlich E-Autos vom Band rollen. Alleine für die nötigen Batterien habe man bereits Aufträge im Volumen von 20 Milliarden Euro vergeben. Eine Einigung in Nordamerika stehe kurz bevor.

Einen Ausstieg aus dem Geschäft mit Benzinern und Dieseln-Fahrzeugen planen die Niedersachsen trotz der Milliarden-Offensive bei alternativen Antrieben nicht. Im Gegenteil: Alleine im kommenden Jahr will der weltgrößte Autobauer laut Müller fast 20 Milliarden Euro in traditionelle Antriebskonzepte investieren. Über die nächsten fünf Jahre sollen es über 90 Milliarden werden. Aktuelle Diesel-Fahrzeuge nach Euro6-Standard erfüllten schon jetzt alle Vorgaben des Gesetzgebers. Der Diesel müsse daher "Teil der Lösung" sein, sagte Müller mit Blick auf den Klimaschutz.

Nach den Ende Februar veröffentlichten Eckzahlen hat Volkswagen den Umsatz im vergangenen Jahr um rund sechs Prozent auf 230 Milliarden Euro gesteigert. Das operative Ergebnis verdoppelte sich auf 13,8 Milliarden Euro, der Überschuss stieg mit einem Plus von gut 116 Prozent auf 11,6 Milliarden Euro sogar noch stärker. Damit übertraf der Konzern auch die entsprechenden Werte aus dem Jahr 2014, als die Dieselkrise die Volkswagen-Bilanz noch nicht belastet hatte.

Das gute Abschneiden verdankt der Konzern vor allem den Fortschritten bei VW. In ihrer Kernmarke verbesserten die Wolfsburger das operative Ergebnis um knapp 77 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro. Höhere prozentuale Zuwächse schafften nur VW Nutzfahrzeuge (87,5 Prozent) und die Münchner Lkw-Tochter MAN mit einem Anstieg von 57,4 Prozent.

Sorgenkind mit vier Ringen



Sorgenkind im Pkw-Geschäft bleibt Audi. Die Premium-Marke steuerte mit rund fünf Milliarden Euro zwar erneut den Löwenanteil zum operativen Ergebnis bei, fiel aber bei der Profitabilität gegenüber der Volumenmarke Skoda weiter zurück. Während Audi die operative Marge zuletzt um flaue 40 Basispunkte auf 8,4 Prozent verbesserte, schafften die Tschechen einen Zuwachs von 100 Punkten auf 9,7 Prozent. Spitzenreiter war indes erneut Porsche. Mit einer operativen Marge von 18,5 Prozent ist der Stuttgarter Sportwagenbauer erneut der profitabelste Autobauer der Welt.



Fragen zum möglichen Konzernumbau oder einem Börsengang der Nutzfahrzeug-Sparte wichen Müller und Finanzchef Frank Witter am Dienstag jedoch wiederholt aus. Die "Reduzierung von Komplexität und die Erhöhung der Schlagkraft im Konzern" seien "Daueraufgaben für den Vorstand", erklärte Müller schmallippig. Dabei hatte Müller erst auf dem Genfer Automobil-Salon Berichte zu Überlegungen für einen möglichen IPO von Volkswagen Bus & Truck bestätigt.

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Einschätzung der Redaktion



Volkswagen hat die Dieselkrise zunächst hinter sich gelassen. Im abgelaufenen Jahr haben die Wolfsburger bei Umsatz, operativem Ergebnis und dem Netto-Gewinn erstmals wieder auf Vorkrisenniveau gelegen. Zugleich hat der Konzern seinen Platz als weltgrößter Autobauer vor Toyota verteidigt. Das zeigt, wie stark der Konzern mit seinen zwölf Marken ist.

Anlass zu voreiliger Zufriedenheit ist das aber noch lange nicht. Denn trotz der jüngsten Fortschritte ist die Kernmarke VW noch längst nicht so profitabel wie vergleichbare Wettbewerber. Und die Dieselkrise ist auch noch längst nicht ausgestanden.

Auch bei Audi hat Dieselgate tiefe Spuren hinterlassen. Dazu hat die einst stolze Marke viel von ihrem Nimbus als Technologie-Führer (Home of Quattro) eingebüßt. Und dass ausgerechnet Skoda im abgelaufenen Jahr in Sachen Profitabilität den Vorsprung gegenüber den Bayern ausgebaut hat, dürfte nicht nur den Vorstand in Ingolstadt richtig ärgern.

Immerhin: Angesichts des Rekordjahres sollen auch die Anteilseigner von Volkswagen einen kräftigen Dividenden-Aufschlag erhalten. Man werde der HV eine Ausschüttung von 3,96 Euro je Vorzugsaktie vorschlagen, erklärte Müller. Im Vorjahr hatte es noch 2,06 Euro gegeben.

Für das laufende Jahr peilt Volkswagen ein Umsatzplus von fünf Prozent an. Das wären rund 11,5 Milliarden mehr. Die operative Rendite soll zwischen 6,5 und 7,5 Prozent liegen nach 6,0 Prozent im Vorjahr. Analysten hatten 7,5 bis acht Prozent erwartet. Allerdings ist Volkswagen für seine zurückhaltenden Prognosen bekannt.

Charttechnisch ist die Lage bei Volkswagen derzeit spannend. Aktuell nimmt das Papier den seit Februar verlaufenden kurzfristigen Abwärtstrend ins Visier. Fällt die Marke bei 160 Euro, ist der Weg für weitere Kursgewinne frei. Wir bleiben bei unserer Einschätzung: Kaufen.

Ziel: 190 Euro

Stopp: 142 Euro