"Das zeigt ganz klar, dass wir in allen Bereichen weiter entschlossen an unseren Kostenstrukturen und unserer Produktivität arbeiten müssen." Der Chipmangel setzt den Autobauern gehörig zu, sie können wegen der fehlenden Teile weniger Autos produzieren, als sie verkaufen könnten. Volkswagen senkte deshalb seine Absatz- und Umsatzerwartungen für das laufende Jahr. Im dritten Quartal sank der Betriebsgewinn vor Sondereinflüssen um zwölf Prozent auf 2,8 Milliarden Euro.

Vor allem das schwach ausgelastete Stammwerk in Wolfsburg steht im Fokus. Neben Materialengpässen, die sich nach Meinung von Experten bis ins nächste Jahr hinziehen dürften, muss der Standort die Transformation bewältigen. Wolfsburg hat als eines der wenigen VW-Werke noch keinen Zuschlag zum Bau eines volumenfähigen Elektroautos, das für genügend Auslastung sorgen könnte. Das Traditionswerk, dessen Grundstein vor über 80 Jahren von den Nazis gelegt wurde, soll in den nächsten Jahren aber fit für die Konkurrenz mit der brandneuen Fabrik von Tesla in Grünheide bei Berlin gemacht werden, die gerade im Rekordtempo hochgezogen wird.

Dafür wurde das Projekt "Trinity" für ein selbstfahrendes Auto entwickelt, mit dem VW die Automobilproduktion revolutionieren will. Beim Bau von Elektroautos werden deutlich weniger Arbeitskräfte benötigt als bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Es werde deshalb "etwas Personalabbau" geben, kündigte Konzernchef Herbert Diess bei einer Telefonkonferenz mit Journalisten an. Die Größenordnung nannte er nicht. "Wir müssen uns auf eine neue Phase im Wettbewerb vorbereiten", betonte der 63-Jährige. "Dieser Wettbewerb wird hier in Wolfsburg ab 2026 Fuß fassen, wenn wir das Trinity-Projekt starten, also müssen wir die Fertigung in einigen Linien auf eine stark reduzierte Arbeitszeit vorbereiten. Wir müssen uns auf weniger Komplexität einstellen."

ANGST GEHT IN WOLFSBURG UM


In Wolfsburg geht bereits die Angst um. Die durch Produktionsunterbrechungen und Kurzarbeit ohnehin verunsicherte Belegschaft bangt um die Zukunft ihrer Arbeitsplätze. Für zusätzliche Unruhe hatten zuletzt Aussagen von Diess gesorgt, der in Deutschland bis zu 30.000 Arbeitsplätze in Gefahr sieht, sollte der von ihm vorangetriebene Umbau von Volkswagen zu einem führenden Hersteller von E-Autos und softwarebasierten Diensten nicht gelingen. Im Aufsichtsrat war es Insidern zufolge daraufhin zu heftigem Streit gekommen. Als Diess dann auch noch seine Teilnahme an einer für nächste Woche geplanten Betriebsversammlung absagte, brach der Streit offen aus. Betriebsratschef Daniela Cavallo warf Diess fehlendes Gespür für die Situation der Belegschaft vor. Dem Druck gab Diess schließlich nach und verschob eine für Anfang November geplante Reise zu Investoren in den USA, um an der Versammlung am 4. November teilzunehmen. "Ich freue mich auf den wichtigen Austausch mit Ihnen", schrieb Diess im Mitarbeiterportal.

Der Machtkampf markiert nach Meinung von Konzernkennern den Anfang einer womöglich größeren Auseinandersetzung mit dem Betriebsrat. Um das zu verhindern, soll die Arbeitnehmervertretung stärker eingebunden werden. Diess kündigte einen gemeinsamen Plan an, eine "Vision 2030", die in den nächsten Wochen erarbeitet werden soll. Deshalb werde die für den 12. November angesetzte Investitionsplanung für die kommenden fünf Jahre auf den 9. Dezember verschoben. Antlitz betonte im Gespräch mit Reuters, Ziel sei auch, die Kosten zu senken. Er bekräftigte den Plan einer jährlichen Produktivitätssteigerung von fünf Prozent. Das sei schon ambitioniert, müsse aber konsequenter umgesetzt werden.

RIVALE STELLANTIS BEI RENDITE-ZIEL EHRGEIZIGER


Die Aufholjagd auf Tesla will der Konzern weiter aus eigener Kraft stemmen und plant zur Finanzierung nicht den Verkauf von Beteiligungen. "Unser Ziel ist es, die Transformation aus internen Quellen zu finanzieren", sagte Antlitz. "Das heißt aber nicht, dass wir jede Aktivität vollumfänglich alleine stemmen", fügte er hinzu. Ähnlich wie bei der Übernahme von Europcar wolle Volkswagen den Kapitalbedarf zusammen mit Partnern aufbringen. Das gelte auch für die in Europa geplanten sechs Batteriezellfabriken.

Wie stark Volkswagen unter Druck steht, wurde beim Ausblick deutlich. Beim Umsatz und den Auslieferungen dämpfte das Management die Erwartungen. Letztere würden im laufenden Jahr nur noch auf dem Niveau des Vorjahres liegen, statt wie bisher erwartet spürbar zu steigen. Beim Umsatz erwartet der Konzern ein Plus von bis zu zehn Prozent statt der bisher in Aussicht gestellten bis zu 15 Prozent. Allerdings bekräftigte der Konzern seine Prognose einer operativen Rendite zwischen sechs und 7,5 Prozent für 2021. Sein französischer Konkurrent Stellantis, zu dem die Marke Opel gehört, peilt eine operative Umsatzmarge von zehn Prozent an. An der Börse gehörten die Volkswagen-Aktien mit einem Abschlag von rund drei Prozent zu den größten Verlierern im Leitindex Dax.

rtr