Das schwedische Traditionsunternehmen hat sich nach der Übernahme durch den chinesischen Autobauer Geely vor sechs Jahren zu einem in der Branche ernstgenommenen Konkurrenten in der Premiumklasse gemausert. Bei einem Wechsel von Spitzenmanagern zur Konkurrenz wirkt üblicherweise eine Wettbewerbsklausel von einem haben Jahr. Deshalb nannte die VW-Tochter Audi keinen konkreten Zeitpunkt, zu dem Mertens in Ingolstadt anfangen soll.

Für Audi-Chef Rupert Stadler ist die Wiederbesetzung der vakanten Schlüsselposition ein wichtiger Erfolg, da er in der Dieselaffäre intern unter Druck steht. Im September hatte der bisherige Chefentwickler Stefan Knirsch seinen Posten nach wenigen Monaten im Amt niedergelegt. Knirsch war der vierte Entwicklungschef in vier Jahren. Sein Vorgänger Ulrich Hackenberg war Ende vergangenen Jahres ebenfalls im Zusammenhang mit der Abgasaffäre ausgeschieden. Firmenkenner sahen die häufigen Wechsel im Schlüsselressort Entwicklung mit Sorge, denn bei vielen technischen Fragen fehlte ein wichtiger Ansprechpartner.

Die Autobranche steht vor gewaltigen Umwälzungen hin zum vernetzten, automatisierten und elektrischen Fahren. Konkurrenten wie BMW und Daimler geben auf diesem Gebiet kräftig Gas. Hinzu kommt, dass Audi mitten in der Erneuerung seiner Modellpalette steckt. Das ist ein Grund dafür, dass die VW-Tochter im prestigeträchtigen Rennen um die Krone in der Premiumklasse derzeit hinterherfährt. Im Vergleich der drei Marken lag Mercedes-Benz auch im Oktober vorn, gefolgt von BMW. Audi rangierte mit einigem Abstand auf Rang drei.

Die Berufung des neuen Audi-Entwicklungschefs kommt wenige Tage vor der mit Spannung erwarteten Anhörung vor dem US-Bezirksgericht in San Francisco zur Überwindung des Dieselskandals. Vergangene Woche hatten Insider der Nachrichtenagentur Reuters berichtet, Audi habe nach monatelangen Verhandlungen mit den US-Behörden eine Einigung über die Reparatur und den Rückkauf der 85.000 betroffenen Dieselfahrzeuge erzielt.

Am Mittwoch will Bezirksrichter Charles Breyer die Details erfahren, bevor er über den Kompromiss entscheidet. Audi hatte im vergangenen Jahr zugegeben, eine nach US-Recht als illegal geltende Software bei Sechszylinder-Motoren mit drei Litern Hubraum eingebaut zu haben. VW hatte bereits vor Monaten in den USA eine Einigung für rund 475.000 Dieselautos mit 2,0-Liter-Motor mit einer illegalen Abschalteinrichtung erzielt.