Herr Prof. Dudenhöffer, Volkswagen-Chef Matthias Müller will am Donnerstag seine neue Langfriststrategie vorstellen. Wie gespannt sind Sie?


Sehr gespannt, wie sehr viele in Deutschland. Müller hat die Zukunft im Auge - im Gegensatz zu der alten Garde um Winterkorn, die wenig von Mobilität und moderner Gesellschaft verstanden haben.

An Einsparungen wird aber auch Müller erst mal nicht vorbei kommen. Nach den Äußerungen auf der jüngsten Betriebsversammlung in Wolfsburg sollen die Kosten bei der Kernmarke VW offenbar deutlich sinken. Wie viel müsste Müller bei den Kosten insgesamt reinholen, um die Renditeziele bis 2018 zu erreichen und VW wieder einigermaßen profitabel zu machen?


Wenn wir das Jahr 2015 als Maßstab nehmen, müssen bei der Kernmarke VW-Pkw mindestens drei Milliarden Euro jährlich eingespart werden. Gemessen am ersten Quartal 2016 wären es fünf Milliarden. Die Mitte wird wohl vernünftig sein. Das wären vier Milliarden Euro.

Wo sollen die herkommen?


Die Mutter, die Volkswagen AG als Stammgesellschaft, strotzt geradezu vor Unproduktivität. Also muss die Stammgesellschaft wirklich vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Alle Zulieferaktivitäten, wie etwa die Getriebe in Kassel, die Achsen und Lenkungen in Braunschweig und die Gießerei-Aktivitäten oder die Sitzproduktion bei Si-Tech erscheinen sehr unproduktiv und sollten ausgegliedert und als Zulieferbetriebe verselbstständigt werden. Dort werden VW-Haustarife für Zulieferarbeiten bezahlt. Entsprechend hat die Stammgesellschaft mit ihren 114.000 Mitarbeitern Personalkosten von 7.300 Euro pro Nase. Bei Conti um die Ecke sind es 3.700 Euro pro Nase und Monat. Wir reden hier von gut zwei Milliarden jährlichen Personalkosten, die das hauseigene VW-Zuliefergeschäft frisst. Das ist kein Kerngeschäft eines Mobilitätsanbieters.

Dazu sollte man das sehr teure USA-Experiment mit der Marke VW beenden. Skoda würde in USA deutlich besser laufen, ist auf das Volumensegment deutlich besser zugeschnitten und positioniert wie VW, hat bessere Kostenstrukturen und nicht das Verlierer-Image nach Dieselgate. Das Werk Chattanooga ist mit VW nicht auslastbar. Da wird derzeit eine Kapazitätsauslastung von 40 Prozent erreicht. Das tut verdammt weh.

Aber in den USA sind derzeit wieder verstärkt Pick-ups und dicke SUVs gefragt. Da hat Skoda derzeit nichts zu bieten?


Gegenfrage: Was hat denn VW zu bieten? Auch vor Dieselgate ist die Marke trotz Touareg, Tiguan und Amarok überhaupt nicht auf die Beine gekommen. Das war ein Jammerspiel trotz des billigen Passat und der Fabrik. Skoda sollte das US-Geschäft machen und VW aus dem Markt gehen. Der Konzern hätte dann eine sehr gute Abstimmung von Skoda über Audi und Porsche bis hin zu Bentley und Lamborghini. Und es hätte einen weiteren Vorteil: Die Allmacht des Betriebsratsvorsitzenden, die sehr schädlich für das Unternehmen ist, wäre eingeschränkt.

Kritiker führen die hohen Kosten ja unter anderem auch auf die große Modellvielfalt zurück. Insgesamt gibt es rund 300 Varianten. Wie viele wären hier auch im Wettbewerbsvergleich sinnvoll und was würde das bringen?


Selbstverständlich ist auch hier Effizienz zu gewinnen. Aber im Vergleich zu den beiden oben genannten Posten sind das Kleinigkeiten. Wer große Einsparungen machen muss, sollte nicht bei B- oder C-Problemen anfangen. Auch Skoda, Audi und Porsche haben Modellvielfalt und das ein oder andere zu viel an Varianten. Aber das ist nicht die Eine-Million-Euro-Frage. Das ist Tagesgeschäft - ein normaler Optimierungsprozess in jedem Unternehmen.

Auf Seite 2: Kann Volkswagen den Rendite-Nachteil gegenüber Toyota dauerhaft aufholen?





Der größte Kostenblock betrifft das Personal. Der VW-Konzern hat insgesamt über 600.000 Beschäftigte und baut rund zehn Millionen Autos. Toyota kommt für eine vergleichbare Anzahl an Fahrzeugen mit rund 345.000 Mitarbeitern aus. Kann Volkswagen diesen Rendite-Nachteil gegenüber Toyota dauerhaft überhaupt aufholen?


Natürlich ist VW völlig überdimensioniert bei der Beschäftigtenzahl. Piech, Winterkorn, Osterloh und das Land Niedersachen haben Müller da ein großes Osterei ins Nest gelegt.

Aber der Betriebsratschef Bernd Osterloh hat Personalabbau auf der jüngsten Betriebsversammlung apodiktisch ausgeschlossen. Wie soll es denn sonst gehen?


Das Land Niedersachen muss darüber nachdenken, wie es mit seinen Aktienanteilen umgeht. Deutsche Mitbestimmung plus 20 Prozent Landesbeteiligung plus VW-Gesetz geht schief. Damit preist man sich aus dem Markt. Der Gegensatz von ‚gut’ ist ‚gut gemeint’. Nur das Land kann hier die Osterloh-Blockade, die es ja auch schon bei seinem Vorgänger gab, auflösen. Osterloh kämpft wie ein Löwe um seine persönliche Macht und das auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit der Stammgesellschaft und damit langfristig auf Kosten der Mitarbeiter.

Neben den Kosten will Müller den Konzern künftig verstärkt auf Digitalisierung und Elektrifizierung ausrichten. Kann sich Volkswagen das angesichts möglicher milliardenschwerer Strafzahlungen überhaupt im nötigen Umfang leisten?


Ja sicher. Man muss sich um Uber, Sharing Economy, Digitalisierung kümmern. Da will ja Müller auch hin und hat mit GETT schon einen wichtigen Schritt gemacht.

Außerdem sollen die Marken künftig offenbar mehr Freiräume erhalten. Aber VW ist traditionell streng hierarchisch geführt. Kommt jetzt das unternehmerische Entdeckungserlebnis bei Audi, Skoda, Seat und Co?


Müller agiert auch hier sehr gut. Die Marken haben gute Geschäftsführer. Gute Geschäftsführer sollten keine Assistententätigkeiten ausführen. Das war in der Vergangenheit so, weil Winterkorn und Piech sich für die Personifizierung des lieben Gott hielten.