Das Oktoberfest geht los und Bier ist wortwörtlich wieder in aller Munde. Doch wann haben Sie sich zuletzt Bier- und Getränke-Aktien genauer angesehen? Wir zeigen, mit welchem Bier-Fachwissen Sie jetzt punkten und mit welchen Aktien Sie Geld verdienen können. Von Gregor Dolak

Nur drei Dinge kommen ins Bier: Hopfen, Malz, recyceltes Abwasser. „Sehr süffig“, preist Tan Wee Han, Brauer in Singapur, sein „tropisches Blondes“. Die Rezeptur folgt keinem asiatischen Unreinheitsgebot, sondern der Notwendigkeit des Stadtstaats, mit den knappen natürlichen Ressourcen zu haushalten. Regenwasser-Zisternen, Meerwasser-Entsalzung, Aufbereitung des Toilettenwassers von 5,7 Millionen Einwohnern.

Aus dem kostbaren Nass fertigt Mr. Tans Brauerei „Brewerkz“ ihr Craft-Bier „NewBrew“. Wasser werde, warnt er, „für uns zum kritischen Rohstoff, den wir nachhaltig bewirtschaften müssen“.

Die weltweite Trockenheit im Jahr 2022 verändert die globale Getränkeindustrie. Wenn an diesem Wochenende das Oktoberfest beginnt, drängen nach zwei Jahren Corona-Pause wieder Bierfans aus aller Welt in die Zelte. Für die Münchner Brauereien ist die Wiesn Leistungsschau und Fachmesse zugleich, die den Export ankurbeln. Mehr als 7 Millionen Mass Bier schenken sie aus, für deren Produktion die Brauer mehr als 20 Millionen Liter Wasser aus den Tiefbrunnen gepumpt haben.

Der Zusammenhang zwischen sinkenden Grundwasser-Ständen und hohem Verbrauch wird für Hersteller von Bier, Erfrischungsgetränken, Mineralwasser zum Faktor. „Wasser wird relevanter, weil die Öffentlichkeit stärker darüber diskutiert“, sagt Josef Aigner, Leiter Umwelt bei Franken Brunnen. Der Sprudel-Produzent nehme das Thema schon lange ernst – „wegen der Schonung von Ressourcen oder der Kosten für die Wassergewinnung". Geschätzt 1.696 Milliarden Dollar setzt die gesamte Industrie weltweit um. Ökonomisch verändert die Trockenheit die Lage. Expertin Maria Pearman von der Unternehmensberatung GHJ erklärt: „Knappe natürliche Ressourcen schmälern die Fähigkeit von Brauereien, ein günstiges Produkt anzubieten.“ Die Brauindustrie sei „reif für Innovation“.

Die Entwicklung tangiert sämtliche börsennotierte Hersteller. Investments in diesem Sektor sind renditeträchtig. Trotz volatilem Börsenumfeld haben viele Unternehmen im vergangenen halben Jahr zugelegt. Der Energy-Drink-Hersteller Monster Beverage: + 25 Prozent. Der US-Braukonzern Constellation Brands, der die mexikanische Marke „Corona“ besitzt: + 19 Prozent. Die dänische Carlsberg-Brauerei: + 13 Prozent. PepsiCo: + 15 Prozent. Coca-Cola: + 10 Prozent. Heineken: + 5 Prozent.  Anheuser-Busch Inbev, zu der auch die Münchner Brauereien Löwenbräu und Spaten gehören, dagegen: - 6 Prozent.

Wer in diesem Feld längerfristig investieren will, kommt um zwei Trends nicht herum: Erstens steigen Verbraucher kontinuierlich auf alkoholfreie Getränke um. So ist der Bierausstoß aller deutschen Brauereien binnen zehn Jahren von 94 Millionen Hektolitern auf 85 Millionen gesunken. Der Anteil von Alkoholfreiem stieg von 6 auf 8 Prozent. Die zwanzig größten Softdrink- und Wasser-Produzenten schenken derweil 96 Millionen Hektoliter aus.

Zum Zweiten wird das Thema Wasserverbrauch wichtiger. Innovation und Effizienz sind gefragt. Der deutsche Prozesstechnik-Hersteller Krones (+ 7 Prozent seit März) bietet inzwischen Glasflaschen-Spülsysteme, die mit weniger Reinigungs- und Kühlwasser auskommen, und Abfüllanlagen, die weniger verschütten. Hier versickert bislang das meiste.

Bier schluckt viel Wasser

Der dänische Carlsberg-Konzern hat in der Braustätte in der Küstenstadt Fredericia eine eigene Kläranlage installiert, die Brauchwasser auf Trinkwasser-Qualität recycelt und wieder in den Brau-Prozess einspeist. So reduziert das Werk den Verbrauch auf nur 1,4 Liter Wasser je abgefülltem Liter Bier. Zum Vergleich: die Bitburger-Brauerei benötigt 3,5 Liter für jeden Liter Bier, das Augustinerbräu in München 3,8 Liter und Lammsbräu in Neumarkt/Oberpfalz, bekannt für Bio-Bier und Bio-Limonade, braucht sogar 4,9 Liter.

Öko ist nicht immer nachhaltig. Wobei fairerweise zu sagen ist: Brauereien, die Mehrweg-Systeme betreiben, benötigen für die Reinigung der Pfandflaschen viel Spülwasser, das sich Dosen- oder Plastikflaschen-Abfüller sparen. So können die 14 deutschen Coca-Cola-Fabriken ihren Wassereinsatz auf 1,7 Liter je Liter drücken.

Regenmangel und Trockenheit verleihen dem Thema politische Brisanz. Im Werk im saarländischen Kirkel musste die Mitteldeutsche-Erfrischungsgetränke-Gruppe (MEG-Gruppe), zweitgrößte hinter Coca-Cola, nach Protesten Pläne zum Bau eines weiteren Brunnens stoppen. Saar-Umweltminister Reinhold Jost (SPD) betont: „Es darf nichts genehmigt werden, was unser Grundwasser gefährdet.“ Im Raum Traunstein bekämpfen Bürgerinitiativen die Expansionspläne der Adelholzener Alpenquelle. In Bayern bezahlen Unternehmen, die eigene Brunnen betreiben, nicht mal Gebühren für die Entnahme. Anders als in Sachsen oder Rheinland-Pfalz.

Kläranlagen wie in Dänemark leisten sich nur wenige Firmen. Dafür sei Wasser in Deutschland zu billig, erklärt Mike Nagel vom westfälischen Anlagenbauer ATB Water. „Aufzubereiten ist bei uns teurer als frisches Wasser zu zapfen.“ In Ländern Asiens oder Lateinamerikas, in denen Hitze und Trockenheit stärker zuschlagen, sei der Bedarf größer.

So wie in der NewBrew-Heimat Singapur. Oder in Mexiko. Staatspräsident Andrés Manuel López Obrador kündigte jüngst an, seine Regierung erteile keine Genehmigungen mehr zum Bau von Brauereien oder Getränkefabriken im ausgetrockneten Norden des Landes. „Wir können keine Lizenzen erteilen, wo es kein Wasser gibt“, schärfte er seiner größten Exportindustrie ein. Mexiko führt jährlich Bier im Wert von 3,7 Milliarden Dollar aus, mehr als Europas Biernationen Niederlande und Deutschland zusammen.

Obrador verweist die Bierfürsten in den Süden, wo noch ergiebig Regen fällt. Den staatlichen Eingriff rechtfertigt er: „Das heißt ja nicht, dass wir kein Bier mehr brauen. Es heißt: nicht im Norden!“ Corona-Hersteller Constellation Brands zieht bereits Konsequenzen. Sein neues Werk errichtet der Konzern nun nicht in Mexicali an der Grenze zu den USA, sondern in Veracruz an der südlichen Küste des Golfs von Mexiko.