Zwölf Monate ist Kanadas Ministerpräsident Justin Trudeau schon im Amt. Dennoch erfreut er sich weiterhin hoher Popularitätswerte. Einer Umfrage der Meinungsforscher von Ipsos Public Affairs zufolge sind 64 Prozent der Befragten mit der Regierung zufrieden. Trudeau weiß jedoch, dass die Flitterwochen zwischen Wähler und Gewähltem nicht ewig währen. Um die Wahlen 2020 zu gewinnen, muss er die Wirtschaft ankurbeln.

Kanadas Konjunktur leidet unter dem Verfall der Öl- und Erdgaspreise. Rohstoffe zählen zu den wichtigsten Exportgütern des Landes. Über 90 Prozent der Energierohstoffexporte gehen in die USA. Im vergangenen Jahr wuchs Kanadas Bruttoinlandsprodukt nur um ein Prozent, viel mehr ist auch in diesem Jahr nicht drin. Verantwortlich für das magere Plus sind jedoch nicht nur rückläufige Exporteinnahmen und Investitionskürzungen der Energiebranche, auch Kanadas Konsumenten halten sich zurück. Aktuellen Daten zufolge haben sie im Schnitt einen Schuldenberg von 165 Prozent ihres verfügbaren Jahreseinkommens angehäuft. Das ist der höchste Wert in der Gruppe der sieben größten Wirtschaftsnationen.

Um das Verbrauchervertrauen zu stärken, aber auch um die Abhängigkeit der Wirtschaft von Rohstoffen zu reduzieren, baut Trudeau auf Europa. Vergangenen Sonntag unterzeichneten der Ministerpräsident und Spitzenvertreter der EU das Handelsabkommen CETA. Es eröffnet kanadischen Unternehmen einen zollfreien Zugang zum EU-Markt. Im Zuge des intensiveren Warenaustauschs mit Europa sollen in Kanada 80 000 neue Arbeitsplätze entstehen.

Weitere Konjunkturimpulse verspricht sich Trudeau durch Steuersenkungen für mittlere Einkommen sowie dem Ausbau der Infrastruktur. In den kommenden zehn Jahren werden umgerechnet 45 Milliarden Euro an staatlichen Geldern investiert. Die dafür notwendigen finanziellen Spielräume seien vorhanden, sagt Kanadas Notenbankchef Stephen Poloz. Auch die Ratingagenturen sehen bislang keinen Grund, ihre Bonitätsnote zu revidieren. Das mit 40 Prozent des Brutto-inlandsprodukts verschuldete Land wird weiterhin mit Triple A eingestuft.

Verzicht auf Zinssenkung



Anleger, die die jüngst emittierte Staatsanleihe Kanadas erwerben, müssen Zahlungsausfälle daher nicht fürchten. Bis zum Ende der Laufzeit können sie auch an möglichen Währungsgewinnen partizipieren. Die Notenbank hat den bei 0,5 Prozent stehenden Leitzins zuletzt nicht nochmals gesenkt. Sie will die weitere Entwicklung abwarten. Trudeau klingt da optimistischer. Die positiven Folgen von CETA werden seiner Meinung sofort zu spüren sein. Das sollte auch Kanadas Währung, den "Loonie", stärken.