Die Beziehungen zwischen Brüssel und Budapest sind schon seit Längerem schwer belastet. Im Juli verklagte die EU-Kommission Ungarn wegen dessen Migrationspolitik vor dem EU-Gerichtshof. Die rechtsnationale Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán verweigert unter anderem jede Beteiligung an der Flüchtlingsverteilung. Im September stimmte nun auch das EU-Parlament in Straßburg mit Zweidrittelmehrheit für die Aufnahme eines Rechtsstaatsverfahrens. Ungarns Regierung gefährde EU-Grundrechte, so die Begründung. Kritisiert werden unter anderem die Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie eine Schwächung des Justizsystems. Im schlimmsten Fall droht Ungarn der Stimmentzug im EU-Ministerrat.

Unmittelbar negative Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes hat der Streit mit Brüssel bislang aber nicht. Ausländische Unternehmen engagieren sich daher weiterhin kräftig. Und vor Kurzem erhöhte der Internationale Währungsfonds (IWF) die Wachstumserwartung für 2018 von 3,8 auf vier Prozent. Die übrigen EU-Staaten wachsen dagegen im Schnitt nur um zwei Prozent. In den vergangenen vier Jahren hat der IWF die Prognosen bereits sechsmal nach oben korrigiert.

Lob für Haushaltspolitik



Ungarns wirtschaftliche Fundamentaldaten seien stark, stellt Scope in einer Analyse fest. Die Ratingagentur lobt auch die Haushalts- und Fiskalpolitik, die einen Abbau der Schulden ermögliche. Die Schuldenlast Ungarns beträgt aktuell 73,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Bei einer Fortsetzung der aktuellen Politik hält Scope ein Absinken der Gesamtverschuldung auf unter 70 Prozent für möglich. Anleihe-Investoren sehen daher bislang keine Risiken. Den bis zum Jahr 2025 laufenden Bond (siehe Kasten) konnte Ungarn jüngst problemlos am Kapitalmarkt platzieren.

Sollte sich allerdings das Wachstum der EU-Staaten künftig abschwächen, dürfte es für Ungarn schwieriger werden, die Verschuldung abzubauen. Auch der Druck auf die Währung, den ungarischen Forint, droht den Sanierungskurs zu erschweren. Ungarns Notenbank könnte sich gezwungen sehen, die Zinsen stärker anzuheben. Zudem könnte Brüssel auf längere Sicht den Zugang des Landes zu EU-Fördermitteln restriktiver handhaben. An rund 95 Prozent aller staatlichen Investitionen ist die EU beteiligt.