BÖRSE ONLINE: Herr Emden, der Kurs des Bitcoin befindet sich im freien Fall. Am Sonntag kostete eine Einheit der Kryptowährung noch rund 6.400 US-Dollar. Am Dienstagvormittag ist der Kurs bereits unter die Marke von 4.200 Dollar gefallen. Eine normale Kursschwankung oder steckt doch mehr dahinter?


Die Ausmaße der aktuellen Kursschwankungen sind ernüchternd. In der Geschichte des Bitcoin konnten bereits öfter zweistellige Verluste innerhalb eines Tages beobachtet werden. Doch die aktuelle Lage scheint ernster zu sein, als bislang angenommen. Bitcoin und Co. stehen in diesen Tagen einmal mehr am Scheideweg.

Was könnte der Grund für die derzeitige Talfahrt sein?


Hinter der aktuellen Abwärtsrally steht womöglich nicht nur ein Grund, sondern eine ganze Kette sich aufgestauter Probleme. In der vergangenen Woche dürfte der Bürgerkrieg beider Bitcoin Cash-Lager das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Die Unsicherheit hat Investoren die Reißleine ziehen lassen. Neben der Hard-Fork-Thematik dürfte die Enttäuschung über das schwelende Zulassungsverfahren der US-SEC ebenfalls beigetragen haben. Ein börsengehandelter Fonds (ETF) auf amerikanischen Grund und Boden galt als einer der Heilsbringer in der Welt der Kryptoanlagen. Doch dazu ist es bis heute nicht gekommen. Stattdessen wurden Anleger lediglich hingehalten und vertröstet.

Zuvor genannte Belastungsfaktoren haben den Bitcoin nun auch aus Sicht der technischen Analyse in die Enge getrieben. Die bis dato stets behauptete und hoch signifiknante Supportregion bei 6.000 USD wurde gerissen und eröffnet damit erhebliches Abwärtspotential. Vor diesem Hintergrund kommen nun charttechnisch orientierte Trader, kurz- bis mittelfristig orientierte Short-Spekulanten sowie automatisierte Handelssysteme dazu. All diesen ist gemein, dass sie in besagter Gemengelage Handelsopportunitäten auf der Unterseite identifizieren und den Abgabedruck damit nochmals forcieren.

Nicht nur an den Kryptobörsen, auch an den klassischen Börsen ging es zuletzt deutlich nach unten, der Dax etwa nähert sich derzeit seinem Jahrestief. Sehen Sie einen Zusammenhang?


Neben den politischen Unsicherheiten lastet auf den Aktienmärkten auch die Korrektur im Technologiesektor. Der Kyptomarkt als ein Segment der Technologie-Branche bleibt in diesem Kontext nicht außen vor. Es sind mitunter engere Korrelationen zwischen Halbleiterproduzenten und dem abflauenden Krypto-Hype zu beobachten (zum Beispiell Nvidia). Ein direkter Zusammenhang zwischen zumindest klassischen Aktienmärkten und digitalen Währungen ist für mich jedoch nicht erkennbar. Technologie-Titel stehen dagegen unter besonderer Beobachtung.

Zuletzt wurde immer wieder über ein Engagement größerer Banken oder Fondsanbieter, beispielsweise Blackrock, beim Bitcoin spekuliert. Was hat sich hier mittlerweile getan?


Banken und Fondsanbieter ist ein Bitcoin-ETF bis dato einfach nicht geheuer. Blackrock betonte jüngst, dass die Zukunft eines Bitcoin-ETF’s eher fraglich sei. Neben der fehlenden Reife plagt ebenfalls das negative Image der Kryptoanlage. Grundsätzlich halte ich einen börsengehandelten Fonds in Bezug auf Bitcoin eines Tages für nicht ausgeschlossen. Dies steht aktuell aber alles andere als zur Debatte.

Können sich die Kryptowährungen trotz des jüngsten Kurssturzes als neue Anlageklasse etablieren?


Kryptowährungen können sich in meinen Augen definitiv eines Tages als neue Anlageklasse etablieren. Dies dürfte kurzfristig aber nicht der Fall. Regulierungs- und Aufsichtsbehörden haben in jüngster Vergangenheit verpasst, Kryptowährungen einen geeigneten Regulierungsgürtel umzuschnallen. Stattdessen wurde diese unbequeme Thema auch auf höchster Ebene lediglich vertagt oder als zu unwichtig deklariert. In erster Linie gilt es hierbei das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen. Dies ist und bleibt ein steiniger Weg.

Vom Rekordhoch von Mitte Dezember bei rund 20.000 Dollar ist der Kurs meilenweit entfernt. Zwischenzeitlich hat sich der Kurs wieder stabilisiert, bevor er nun wieder weiter eingebrochen ist. Geht die Korrektur noch weiter?


Das Ende der Fahnenstange dürfte noch nicht erreicht sein. Als ein psychologisches Preislevel erachte ich die Marke von 3.000 US-Dollar. Auf diesem Weg sind temporäre, technisch bedingte Gegenbewegung natürlich nicht ausgeschlossen. In der laufenden Marktphase werden die letzten schwachen Hände aus dem Markt gedrängt. Nach erfolgter Bereinigung könnten Börsianer sich wieder an der breiten Palette von Krypto-Talern bedienen. Vor diesem Hintergrund halte ich Anschlusskäufe in großem Ausmaße ebenfalls für möglich. Sollten Schnäppchenjäger zugreifen, steht einer Jahresendrally auf niedrigem Niveau nichts im Wege. Es wäre eine Art Neuanfang für Bitcoin und Co.

Wie weit kann der Bitcoin-Kurs noch fallen?


Theoretisch könnte der Kurs noch tiefer als die bereits erwähnten 3.000 US-Dollar fallen. Die Vierstelligkeit sollte der federführenden Währung jedoch erhalten bleiben. Kryptowährungen dürften sich auch bei weiter fallenden Kursen wie ein angeschlagener Boxer präsentieren. Diese bleiben bekanntlich brandgefährlich.

Ist die Bitcoin-Blase mit dem jüngsten Kursrückgang geplatzt?


Wenn wir von einem Platzen der Bitcoin-Blase sprechen, dürfte diese bereits nicht zum ersten Mal geplatzt sein. Ausgehend vom aktuellen Rekordhoch von rund 20.000 US-Dollar, notierte der Kurs bereits Anfang Februar gut 70 Prozent tiefer. Bereits zu diesem Zeitpunkt würde ich aufgrund der rabiaten Art und Weise der Preisrücksetzer von einem Platzen der Blase sprechen.

Auch bei den sogenannten Altcoins geht es derzeit kräftig nach unten. Die zweitgrößte Kryptowährung Ripple verlor innerhalb eines Tages ebenfalls mehr als zehn Prozent an Wert. Das Gemetzel bei Ethereum ist mit einem Minus von 16 Prozent noch größer. Wie wird es hier weitergehen?


Altcoins wie Ripple und Ether dürften auch in Zukunft leiden, wenn der Bitcoin-Kurs unter die Räder kommt. Grundsätzlich sind beide Währungen zwei verschiedene Paar Schuhe und dienen unterschiedlichen Zwecken. Beide Währungen könnten in Zukunft einen verstärkten Platz in unserem Alltag einnehmen und dementsprechend in den Fokus von Investoren geraten. Für eine Fülle von Altcoins dürfte es in naher Zukunft aber nicht ausreichen und als Luftnummer auffliegen. Diejenigen, die sich durchsetzen könnten, werden sich womöglich an den Fingern abzählen lassen können.