Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien am 09.02.2017 in Heftausgabe 06/2017

Eigentlich ist Frankfurt der wichtigste Finanzplatz in Deutschland. Doch am 10. Februar übernimmt München diese Rolle. Inmitten der bayerischen Landeshauptstadt kommt die Finanzbranche zur Verleihung der "Goldenen Bullen" zusammen. Seien es Fondsgesellschaften, Vermögensverwaltungen oder Versicherungen - bei der vom Finanzen Verlag ausgerichteten Gala sind Experten für sämtliche Bausteine der langfristigen Vermögensplanung anzutreffen.

Besonders gut gelaunt dürften die Vertreter der ETF-Industrie zur FinanzenNacht kommen. 2016 ist der Markt für börsengehandelte Indexfonds (Englisch: Exchange Traded Funds) in Europa das fünfte Jahr infolge prozentual zweistellig gewachsen. Zum ersten Mal liegen die Assets under Management (AuM) bei mehr als einer halben Billion Euro (siehe Grafik). Nahezu die Hälfte dieses Kapitalberges verwaltet Blackrock unter dem Label iShares. Geht es nach dem US-Investment-riesen, wird sich das Wachstum noch einmal beschleunigen. "Über die kommenden drei Jahre rechnen wir in Europa mit einer Verdoppelung des ETF-Volumens", sagt Peter Scharl, Managing Director bei Blackrock (siehe Interview Seite 3).

Ticket in die Börsenwelt



Beim Marsch in Richtung Billionschallmauer sollen auch Privatanleger für Schwung sorgen. ETFs sind gerade für Menschen interessant, die sich nicht jeden Tag mit dem Börsengeschehen beschäftigen können. Eine Order reicht, um mit dieser Fondsgattung die Tür zu ganzen Märkten aufzustoßen. Das Prinzip ist einfach: ETFs bilden stets einen bestimmten Index ab. Anders als bei klassischen Investmentfonds geht es also nicht darum, eine Überrendite zu einem Vergleichsindex (Benchmark) zu erzielen. Da kein Managementteam nötig ist, können passive Produkte mit einem klaren Kostenvorteil punkten. Im Schnitt beträgt die Gesamtkostenquote (Total Expanse Ratio oder kurz TER) für europäische Aktien-ETFs 0,4 Prozent pro Jahr. Bei Fonds auf die wichtigsten Indizes hat der Konkurrenzkampf dazu geführt, dass die jährlichen Gebühren oft unter 0,1 Prozent liegen.

Vorteilhafte Blockbuster



Hier sollten Einsteiger ansetzen, wenn sie sich auf die Suche nach einem passenden Vehikel machen. Für prominente Indizes sprechen nicht nur die geringen Kosten. Gleichzeitig sind solche Börsenbarometer einfach und transparent gestrickt. Wer beispielsweise einen DAX-ETF kauft, holt sich die 30 größten und meistgehandelten Unternehmen am Deutschen Aktienmarkt ins Depot - nicht mehr und nicht weniger. Da der heimische Leitindex den meisten Medien als das Börsenbarometer schlechthin dient, ist der Anleger stets über den Stand seiner Position informiert. Ein weiteres Argument für die gängigsten Indexfonds ist deren Größe. Denn grundsätzlich gilt: Je mehr Kapital in einem ETF liegt, desto günstiger ist seine Verwaltung. Gleichzeitig nimmt die Handelsqualität mit dem Volumen zu.



Die skizzierten Vorteile sprechen sich immer mehr herum. Die Fachzeitschrift "Extra-Magazin" befragt monatlich sechs namhafte Direktbanken nach dem Verhalten ihrer Kunden. Demnach ist der deutsche ETF-Markt für Privatanleger allein im vergangenen Jahr um knapp ein Drittel auf 10,1 Milliarden Euro gewachsen. Bei den teilnehmenden Instituten wurden Ende 2016 knapp 323 000 Sparpläne mit passiven Indexfonds bestückt - 51 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Ein paar Klicks reichen, um auf diese Weise eine langfristige Vermögensplanung kostengünstig aufs Gleis zu setzen - nicht selten verzichten die Onlinebroker auf Ordergebühren. Insofern ist der ETF-Sparplan eine gute Möglichkeit, die Aktienscheu abzulegen.

Noch setzt die Mehrheit der Deutschen auf sichere, im aktuellen Umfeld jedoch de facto häufig "zinsbefreite" Instrumente wie Sparbuch oder Festgeldkonto. Dabei ist der Börseneinstieg nicht schwer. Wer einen Teil seiner freien Mittel in einen ETF-Sparplan einzahlen möchte, braucht noch gar nicht über den richtigen Mix nachzudenken. Erst wenn signifikante Teile des Kapitals an der Börse investiert werden, sollte die Frage nach dem Kräfteverhältnis der verschiedenen Anlageklassen klar beantwortet werden.

Erfolgreiche Fondsmanager



Noch übernehmen diese Aufgabe meistens die Profis. Der Markt für aktiv verwaltete Publikumsfonds übertrifft das ETF-Geschäft um ein Vielfaches. Allein in Deutschland ist das Segment rund 800 Milliarden Euro schwer. Vor allem Mischfonds sind gefragt. Hier macht sich das Management auf die Suche nach dem optimalen Mix aus Aktien und Anleihen. Vielen Experten gelingt es jedoch nicht, besser als der Markt abzuschneiden. Das Researchhaus Morningstar zieht eine ernüchternde Bilanz für das vergangene Jahr. "Bei der Gesamtheit der Misch-fonds fielen die Ergebnisse insgesamt mager aus", sagt Analystin Barbara Claus. Und doch haben einige Manager auch in Zeiten von China-Turbulenzen, Brexit-Votum und De-globalisierung ihr Können unter Beweis gestellt. Wir haben die umfangreiche Datenbank von BÖRSE ONLINE nach erfolgreichen und weiterhin aussichtsreichen Fonds durchforstet. Neben drei aktiven Favoriten stellen wir auf den folgenden Seiten ETFs vor, die auch für Einsteiger interessant sind.

Gerade diejenigen, die sich im aktuellen Zinstief intensiver mit der eigenen Vermögensplanung auseinandersetzen, dürften schon auf das Schlagwort "Robo-Advisor" gestoßen sein. Mehrere Start-ups trommeln mit Werbespots und -anzeigen für die internetbasierte Anlageberatung per künstlicher Intelligenz. Grund genug, den Sektor ab Seite 7 etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Fest steht: Roboter werden bei der Finanzen-Nacht (noch) nicht vor Ort sein, die Protagonisten dieses jungen Segments jedoch sehr wohl.



"Viele Privatanleger wachen gerade auf"



Börse Online: Der europäische ETF-Markt wächst seit Jahren prozentual zweistellig. Wie lange lässt sich dieses Tempo noch halten?


Peter Scharl:

Ich rechne fest damit, dass die Schlagzahl sogar weiter zunimmt. Über die kommenden drei Jahre rechnen wir in Europa mit einer Verdoppelung des ETF-Volumens auf dann rund eine Billion Euro.

Woher nehmen Sie diesen Optimismus?


Bis jetzt ist unser Geschäft sehr aktienlastig, mehr als zwei Drittel des verwalteten ETF-Vermögens entfallen in Europa auf diese Anlageklasse. Allerdings sind Renten-ETFs gerade dabei, den Durchbruch zu schaffen. Das zeigt sich auch in unserem Neugeschäft: Im vergangenen Jahr entfielen 70 Prozent der Mittelzuflüsse auf Anleiheprodukte. Als einen zusätzlichen Wachstumstreiber sehen wir das Segment der Privatanleger.

Noch spielt der Retailbereich im Vergleich zur institutionellen Seite eine sehr kleine Rolle. Warum sollte sich das ändern?


Immer mehr Menschen stellen fest, dass sie ihr Geld nicht mehr einfach wie früher auf dem Sparbuch liegen lassen können. Da die Zinsen äußerst gering oder zum Teil sogar negativ sind, schwindet ihr Kapital auf Dauer über die Inflation. Viele Privatanleger wachen daher gerade auf und denken über Alternativen nach. Gleichzeitig ist es angesichts der längeren durchschnittlichen Lebenserwartung und der demografischen Entwicklung geradezu eine Notwendigkeit, das Thema private Altersvorsorge anzugehen und die Rentenlücke über Investments in Wertpapiere zu schließen.

Was können ETFs hierbei leisten?


Börsengehandelte Indexfonds sind gerade für die langfristige Vermögensbildung bestens geeignet. Schließlich machen sie es möglich, mit wenig Aufwand ein diversifiziertes Portfolio aufzubauen. Neben Aktien und Anleihen stehen längst auch Immobilien und Rohstoffe zur Auswahl. Im ETF-Mantel ist der Zugang zu den verschiedenen Anlageklassen nicht nur einfach, sondern auch besonders günstig zu haben.

Dennoch scheuen viele Sparer davor zurück, im riesigen ETF-Dschungel die passende Lösung zu finden ...


Da ist etwas dran. Allerdings stellen wir fest, dass Privatanleger in hohem Maße ETFs auf bekannte Indizes wie DAX oder S & P 500 für den Aufbau ihrer Portfolios nutzen. Nicht zuletzt wegen ihrer niedrigen Gesamtkosten sind diese Fonds auch immer häufiger in Sparplänen zu finden. Diese stark wachsende Anlageform wird von den Banken, beispielsweise über den Verzicht auf Ordergebühren, häufig subventioniert und ist deshalb besonders attraktiv. Neben den niedrigen Kosten spielt Anlegern der Cost-Average-Effekt in die Hände. Das heißt, sie müssen nicht auf das Timing achten. Diese Kombination macht den Sparplan auf Aktien-ETFs aus unserer Sicht zur Lebensversicherung des 21. Jahrhunderts.

Immer mehr Robo-Advisors setzen börsengehandelte Indexfonds in der vollautomatischen Vermögensverwaltung ein. Wäre es da für Blackrock nicht sinnvoll, selbst ein solches Tool zu entwickeln?


ETFs passen wegen der hohen Liquidität, sekündlichen Handelbarkeit und geringen Kosten perfekt in digitale Geschäftsmodelle. Wir arbeiten daher sowohl mit klassischen Vertrieben wie Banken als auch modernen Fintechs zusammen. Die direkte Konkurrenz zu den Vertriebspartnern, in Form eines eigenen Endkundengeschäfts, macht für uns momentan wenig Sinn. In den USA hat Blackrock mit FutureAdvisor bekanntlich einen Robo-Advisor übernommen und erfolgreich angedockt. Wir stellen das Tool unseren großen Vertriebspartnern zur Verfügung und helfen ihnen damit, die Endkunden noch besser betreuen zu können. Dieser Schritt zeigt, dass wir fest an die digitale Zukunft glauben.

Gilt das auch für den im Vergleich zu den USA ziemlich kleinen deutschen Markt?


Ja. Zwar steckt das Segment hierzulande im Vergleich zu den USA noch in den Kinderschuhen. Es entwickelt sich aber äußerst dynamisch. Was die neue Flexibilität und Individualität in der Vermögensplanung anbelangt, leisten die Robo-Advisors in Deutschland schon jetzt echte Pionierarbeit und zwingen die Banken, zügig attraktive Angebote zu entwickeln.



Gesunder Patriotismus



Albrecht von Witzleben ist von den Stärken der heimischen Wirtschaft überzeugt. "Deutsche Unternehmen und Produkte genießen weltweit ein hohes Ansehen und profitieren nachhaltig von dem wachsenden Welthandel", sagt der Düsseldorfer Vermögensverwalter. Als Manager des Deutsche Aktien Total Return legt von Witzleben zunächst Anlageschwerpunkte und Gewichtungen fest. Anschließend startet die Suche nach den aussichtsreichsten Einzelwerten. Zum Stock-Picking zählt für von Witzleben und seine Kollegen neben der Unternehmensanalyse ein direkter Kontakt zum Management.

Überzeugen konnte ihn offenbar Sixt-Chef Erich Sixt. Aktuell ist der Autovermieter das Schwergewicht des Fonds, der zu knapp 60 Prozent in Aktien investiert ist. Gut ein Viertel steuern Anleihen bei, dazu umfasst das Portfolio auch eine kleine Goldposition. Die Mischung stimmt: Auf Sicht von fünf Jahren legte der Fonds um mehr als die Hälfte zu und zeigte dabei eine geringe Volatilität - die FondsNote 1 kommt nicht von ungefähr.



Warmer Geldregen



Der DAX spielt im deutschen ETF-Markt eine zentrale Rolle. Von insgesamt neun auf den Leitindex abzielenden Fonds verwalten vier mehr als eine Milliarde Euro. Branchenprimus iShares taxiert das Vermögen seines DAX-ETFs (WKN: 593 393) auf mehr als acht Milliarden Euro. In puncto Gebühren ragt db X-trackers heraus. Das Deutsche-Bank-Label handelt zwei Varianten und gibt sich dabei jeweils mit einer Gesamtkostenquote von 0,09 Prozent per annum zufrieden. Aus steuerpraktischen Gründen raten wir Privatanlegern, dem ausschüttenden ETF den Vorzug zu geben. Apropos Ausschüttung: Dem DAX steht eine Dividendensaison der Superlative ins Haus. BÖRSE ONLINE geht davon aus, dass 23 von 30 Indexmitgliedern bei ihren Hauptversammlungen eine erhöhte Gewinnbeteiligung beschließen. Insgesamt dürften die heimischen Topkonzerne die Rekordsumme von 31,1 Milliarden Euro auskehren. Im andauernden Tiefzinsumfeld ist der warme Geldregen ein zentrales Argument dafür, dass die laufende Rekordjagd beim DAX noch weitergeht.





Offensive Ausrichtung



Gefühlt macht die Deutsche Bank nur noch Negativschlagzeilen. Doch abseits aller Skandale und Rechtsstreitigkeiten leisten viele Investmentmanager des Geldinstitutes ordentliche Arbeit. Das gilt auch und gerade für die Verantwortlichen des Multi Opportunities III. Auf Sicht von fünf Jahren verteuerte sich der DWS-Mischfonds um mehr als drei Viertel. In einem freundlichen Börsenumfeld machte sich der hohe Aktienanteil bezahlt. Aktuell ist das mit der €uro FondsNote 1 ausgezeichnete Portfolio zu 70 Prozent in dieser Anlageklasse positioniert. Fondsmanager Gunnar Friede richtet den Fokus auf cashflowstarke Titel mit einer attraktiven Bewertung. Dabei verlässt er sich nicht allein auf Börsenschwergewichte wie Deutsche Telekom oder Apple. Vielmehr geht der seit knapp zwölf Jahren für den Fonds zuständige Experte auch gezielte Wetten im Small- und Mid-Cap-Bereich ein. Dank der Cashquote von derzeit 15 Prozent kann Friede jederzeit zuschlagen. Anleihen (Portfolioanteil: 11,2 Prozent) setzt er momentan lediglich als Beimischung ein.



Enorme Vielfalt



In diesem ETF ist alles enthalten, was der Aktienmarkt auf dem alten Kontinent zu bieten hat. Die Mitglieder des Stoxx Europe 600 kommen aus 17 Ländern. Neben namhaften Börsengiganten umfasst der Index zahlreiche mittelgroße Werte sowie eine Reihe von kleineren Gesellschaften. Ein breites Spektrum decken die 600 Unternehmen auch aus Branchensicht ab. Neben Banken und Gesundheitswesen geben aktuell die Sektoren Industrie und Konsumgüter den Ton an. Mit dem Lebensmittelriesen Nestlé sowie dem Pharmakonzern Novartis stellt die Schweiz momentan die beiden Schwergewichte im Index. Aus Deutschland schafft es lediglich Siemens unter die Top 10. Offenbar trifft die äußerst stark diversifizierte Benchmark den Geschmack der Privatanleger. Bei iShares zählt der Stoxx Europe 600 ETF zu den beliebtesten Produkten im Retailgeschäft. Insgesamt verwaltet der Marktführer in diesem Fonds knapp 5,6 Milliarden Euro. Damit reiht sich das passive Anlageprodukt unter den zehn größten in Deutschland notierten ETFs ein.





Stattliche Outperformance



Etwas Geduld sollten Anleger mitbringen, wenn sie über den Kauf dieses Aktienfonds nachdenken. Nordea empfiehlt eine Haltedauer von mindestens fünf Jahren. Zuletzt machte sich ein langer Atem bezahlt: Seit Februar 2012 verteuerte sich der Global Stable Equities um mehr als 90 Prozent und hängte damit den globalen Aktienmarkt weit ab. Nomen est Omen für Fondsmanager Claus Vorm: Im Fokus stehen Unternehmen, bei denen sich Gewinn, Cashflow und Dividende stabil entwickeln. Wenig überraschend führt dieses Credo dazu, dass der insgesamt knapp vier Milliarden Euro schwere Fonds stark in vergleichsweise defensiven Branchen engagiert ist. Aktien aus den Sektoren Gesundheit, Telekom und Basiskonsum steuern aktuell knapp die Hälfte zum Portfolio bei. Folgerichtig zählt der japanische Telekomkonzern NTT genauso zu den Schwergewichten wie der US-Pharma- und Konsumgüterriese Johnson & Johnson. Angesichts der erwiesenen Outperformance geht die Kostenquote von annähernd zwei Prozent jährlich in Ordnung.



Vielversprechender Auftakt



Beim FC Bayern hat die Titelverteidigung Tradition. Die Münchner sind gerade dabei, die deutsche Fußballmeisterschaft das fünfte Mal in Folge zu holen. Dagegen ist der jüngste Triumph von Comstage keine Selbstverständlichkeit. Wie vor Jahresfrist erhält die Anbieterin den "Goldenen Bullen". Bei einer Gala in München wird Comstage am 10. Februar als "ETF-Haus des Jahres" geehrt. Möglich macht diese Titelverteidigung eine überzeugende Produktpalette. Zu den jüngsten Innovationen der Commerzbank-Tochter zählt die Vermögensstrategie. Der im April 2016 lancierte Dach-ETF bietet eine diversifizierte Anlage. Neben passiven Aktien- und Anleihefonds umfasst das Portfolio Rohstoffe. Die von Commerzbank Research festgelegte Allokation wird - abgesehen von einem jährlichen Rebalancing - nicht angetastet. Gerade die einfache und transparente Bauweise spricht dafür, diesen ETF in der langfristigen Vermögensplanung einzusetzen. Der Start ist jedenfalls geglückt: Seit ihrer Auflage legte die Strategie um zwölf Prozent zu.





Robo-Advisors: Er tut, was er kann



Die automatisierte Vermögensverwaltung und Anlageberatung gilt als Zukunftstrend schlechthin. Wir zeigen, was die Systeme leisten und wo ihre Grenzen liegen könnten.

Für die meisten Konsumenten ist die Shoppingtour im Internet heute genauso selbstverständlich wie der Strom aus der Steckdose. Dabei ist es noch keine zwei Jahrzehnte her, dass Amazon in Deutschland startete. Zalando verschickte gar erst im Herbst 2008 erstmals Schuhe an die modebewusste Kundschaft. Heute bringt der heimische Onlinehändler annähernd neun Milliarden Euro auf die Börsenwaage, während Branchenprimus Amazon mit einer Marktkapitalisierung von 360 Milliarden Euro zu den Schwergewichten der Wall Street zählt.

Angesichts dieser Zahlen dürften die Initiatoren der momentan wie Pilze aus dem Boden schießenden Robo-Advisors ins Schwärmen geraten. Denn auch in Sachen Geldanlage sorgt das Internet für Fantasie: Immer mehr vollautomatisierte Internetberater schicken sich an, das Investieren zu revolutionieren. Laut einer von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studie buhlen hierzulande mittlerweile mehr als 20 Anbieter um das Geld der Sparer.

Besonders kräftig rührt Scalable Capital die Werbetrommel. Der vor einem Jahr gestartete Robo-Advisor hat bereits mehr als 100 Millionen Euro eingesammelt. An Scalable lässt sich das Prinzip dieser digitalen Dienstleistung anschaulich erklären: Der Nutzer beantwortet zunächst zehn Fragen und gibt etwa Risikotoleranz, Finanz-Know-how, Börsenerfahrung sowie finanzielle Möglichkeiten preis. Im nächsten Schritt legt das System mittels eines Algorithmus das individuelle Verlustrisiko fest. Entsprechend dieser Maßgabe wird ein Portfolio zusammengesetzt. Aktuell greift Scalable auf einen Fundus von lediglich 14 Aktien-, Anleihe- und Rohstoff-ETFs zurück. Nimmt in hektischen Marktphasen die Verlustgefahr zu, wird in risikoärmere Anlagen umgeschichtet. In ruhigen Zeiten kann das System die Aktienquote erhöhen.



Ein Prinzip, unterschiedliche Systeme



Scalable veranschlagt einen fixen Obolus von 0,75 Prozent des verwalteten Kapitals. Damit sind die Transaktionskosten sowie das Depot bei der Baader Bank bezahlt. Zusätzlich fallen ETF-Gebühren von durchschnittlich 25 Basispunkten pro Jahr an. Während ein Kunde bei Scalable mindestens 10 000 Euro mitbringen muss, nimmt Ginmon Einmalanlagen ab 5000 Euro an. Dieser Robo-Advisor setzt das Portfolio - zum Grundstock zählen knapp 100 ETFs - anhand bestimmter Börsenfaktoren zusammen. Beispielsweise versucht das System über die Positionierung in Small Caps die potenzielle Überrendite kleinerer Aktien abzugreifen. Zusätzlich zum festen Kostensatz von 0,39 Prozent jährlich streicht Ginmon ein Zehntel der Kursgewinne ein. Nach eigenen Angaben zählt der Anbieter mehr als 1000 Kunden, das verwaltete Vermögen liegt im oberen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Anders als Scalable verfügt Ginmon nicht über den rechtlichen Status als Vermögensverwalter, sondern agiert als Finanzvermittler. Gleiches gilt für easyfolio. Der im vergangenen Jahr von der Privatbank Hauck & Aufhäuser übernommene Robo-Advisor bietet drei verschiedene ETF-Dachfonds mit Aktienquoten von 30, 50 sowie 70 Prozent an.

Die drei Beispiele zeigen, wie dehnbar der Begriff Robo-Advisor ist. In diesem Markt tummeln sich hochkomplexe, dynamische Lösungen genauso wie relativ simple Fertigprodukte. Unsere Tabelle grenzt mehrere Anbieter anhand wichtiger Parameter voneinander ab. Einige Robos geben sich übrigens nicht mit der ETF-Welt zufrieden. Sowohl bei den Branchenpionieren Cashboard und Quirion als auch beim Konkurrenten Visualvest zählen auch aktive Investmentfonds zum Anlageuniversum.

Der Härtetest steht noch aus



Unabhängig von Automatisierungsgrad und Anlagetiefe haben die digitalen Dienstleister eine Daseinsberechtigung. Sie tragen dazu bei, ein Thema zu entstauben, das viele Menschen als lästig und langweilig empfinden. Ob das für eine Revolution im Stile von Amazon und Co reicht, ist noch ungewiss. Die ersten Jahre waren von einem freundlichen Kapitalmarktklima geprägt. Daher wundert es nicht, dass die verschiedenen Systeme positive Performancebilanzen vorweisen. Ihre Wetterfestigkeit bei länger anhaltenden Börsengewittern müssen sie noch unter Beweis stellen. Gerade in solchen Zeiten machen sich bei den Investmentprofis und unter Privatanlegern Erfahrung, Besonnenheit und Fingerspitzengefühl bezahlt. Diese menschlichen Wesenszüge sind Robotern meist noch fremd.