Abgeflaut sind die Proteste der Gelbwesten in Frankreich. ­Offenbar ist die Taktik von Präsident Emmanuel Macron, auf Zeit zu setzen, aufgegangen. Die Regierung machte finanzielle Zugeständnisse und verspricht eine Verwaltungsreform, die ländlichen Regionen mehr Teilhabe einräumt.

Das ist nicht umsonst. Das Haushaltsdefizit dürfte von 2,5 Prozent des BIP auf etwa 3,3 Prozent klettern. Damit wurde zwar die Reformagenda Macrons unterbrochen, aber nicht gestoppt. Seit seinem Amtsantritt im Mai 2017 hat seine Regierung vieles verändert. Sie senkte die Unternehmensteuern, lockerte den Kündigungsschutz und setzte Arbeitsgerichten Grenzen. Zudem wurden zahlreiche Regeln vereinfacht - Frankreich gilt als überreguliert. Die hohe Vermögensteuer, die viele Firmen und reiche Privatpersonen ins Ausland trieb, wurde abgeschafft und gilt jetzt nur noch auf Immobilienbesitz.

Diese unternehmerfreundliche Politik zeigt Wirkung. Die Arbeitslosenquote sank auf 8,7 Prozent, die niedrigste Rate seit zehn Jahren. Das BIP wird 2019 wohl um 1,3 Prozent zulegen, weit mehr als in Deutschland mit 0,5 Prozent. Frankreich wird von internationalen Wirtschaftsorganisationen wie der OECD als die Industrienation in Europa eingestuft, die die umfangreichsten langfristig angelegten, wachstumsfördernden Reformen durchführt. "Frankreich bewegt sich seit geraumer Zeit. Das sollte hierzulande zur Kenntnis genommen werden", lobt Henrik Uterwedde, Professor für Politik und Ökonomie am Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg. Hier dominiert dagegen noch das Bild vom kranken Mann Europas. Anleger sehen das anders: Der Leitindex CAC 40 legte dieses Jahr um gut 15 Prozent zu, der DAX lediglich um knapp neun Prozent.

Allerdings profitiert die Grande Nation auch davon, dass das verarbeitende Gewerbe nur 10,3 Prozent zum BIP beiträgt, hierzulande sind es 21,1 Prozent. Deutschland ist also viel stärker von den Handelsstreitigkeiten der USA mit China und Europa betroffen. Der deutlich höhere Exportanteil der hiesigen Wirtschaft verglichen zu Frankreich wirkt sich aktuell klar nachteilig für Deutschland aus.

In einigen Sektoren Weltspitze


Das allein erklärt den plötzlichen Erfolg Frankreichs aber nicht. "In den Sektoren Luxus, hochwertige Nahrungsmittel, Rüstung, Flugzeuge und Chemie ist Frankreich top", sagt Armin Zinser, Investmentprofi beim Vermögensverwalter Prévoir Asset Management. Beeindruckt hat ihn das Comeback der darbenden französischen Autoindus­trie. "Durch Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer nach dem Vorbild Deutschlands wurden die Lohnstückkosten kräftig gedrückt. Auf diese Weise wurden Renault und Peugeot wieder konkurrenzfähig", so der Schwabe, der seit 35 Jahren in Frankreich lebt.

Produzierende Unternehmen haben zudem gegenüber der deutschen Konkurrenz den Vorteil eines um etwa 25 Prozent niedrigeren Strompreises, da Frankreich voll auf Kernkraft setzt. Grüne Themen sind in der Öffentlichkeit zwar auch wichtig, aber nicht so beherrschend wie in Deutschland. Daher sind die Umweltauflagen für Firmen weniger belastend. Hinzu kommt die bessere Infrastruktur in der Grande Nation. Autobahnen und Eisenbahnen sind in einem qualitativ besseren Zustand, und die Funknetzabdeckung ist höher.

Zwei wichtige Reformen bereitet Macron aber noch vor. Die Verringerung der bisher üppigen Leistungen für Arbeitslose und die Rentenreform. Während Veränderungen bei der Versicherung für Beschäftigungslose wohl durchsetzbar sind, dürften Einschnitte bei den Renten schwer vermittelbar sein. Bisher hören die Franzosen im Regelfall mit 62 Jahren auf zu arbeiten und bekommen im Schnitt deutlich höhere Altersbezüge als Deutsche. Das können sich die Gallier eigentlich nicht mehr leisten. Die Rentenkasse ist chronisch unterfinanziert.

Den Franzosen ist ihre Rente aber heilig. "Die werden auf die Barrikaden gehen, wenn Macron dieses Privileg antastet", ist sich der Deutsch-Franzose Eric Reynaud, Dozent für Internationales Management an den Hochschulen Ludwigshafen und Heilbronn, sicher. Veränderungen stießen in Frankreich auf gewaltigen Widerstand - viel mehr als in Deutschland.

Neben dieser historisch bedingten "Revolutionsmentalität" sieht er noch weitere Schwächen Frankreichs. "Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch, und es gibt wenig duale Ausbildung." Der Versuch, diese zu kopieren, sei nur im Ansatz gelungen. Vor allem aber fehlten der Grande Nation Hidden Champions, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft stellten. In einigen Sektoren wie Biotech und IT sei es zwar gelungen, einen Mittelstand aufzubauen, von der Breite her sei das aber nicht mit Deutschland vergleichbar.

Investmentprofi Zinser bemängelt überdies, dass die Menschen auf dem Land noch mehr abgehängt sind als hierzulande, und der Sozialstaat trotz der Einschnitte Macrons immer noch aufgeblähter ist. Trotz aller Mängel - beide Frankreich-Kenner sind sich einig darin, dass das Land gegenüber Deutschland zuletzt aufgeholt hat und dieser Prozess sich fortsetzen wird, da Macrons Reformen alternativlos sind.

CAC 40 oder DAX?


Da an der Börse Hoffnung gehandelt wird, spricht das dafür, dass der CAC 40 weiterhin besser läuft als der DAX. In gallischen Aktien steckt wegen der dort gerade stattfindenden Reformen einfach mehr Fantasie. Zudem leidet Deutschland wegen seiner Exportabhängigkeit stärker unter Handelskriegen als Frankreich. Und es sieht derzeit danach aus, dass die Handelsstreitigkeiten noch länger auf der internationalen Agenda bleiben. Ein erneuter Wahlsieg von Donald Trump würde Deutschland härter treffen als die Nachbarn. Und noch etwas ist positiv für den CAC 40: Während Deutschland mit Hartz IV den Sozialstaat schon kräftig abgebaut hat, wäre in Frankreich diesbezüglich noch viel Luft nach unten.

Investor-Info

Indexentwicklung
Frankreich liegt vorn


Um 6,6 Prozentpunkte hat der französische Leitindex CAC 40 den DAX seit Jahresbeginn übertroffen. Das Aktienbarometer der Grande Nation enthält weniger zyklische Werte und eine geringere Anzahl an export­orientierten Unternehmen. Deshalb ist der CAC 40 nicht so stark von den internationalen Handelsstreitigkeiten in Mitleidenschaft ­gezogen worden.

Lyxor CAC 40 ETF
Nicht so schwankungsanfällig


Der ETF von Lyxor bildet den CAC 40 passiv ab. Dieser umfasst die 40 Top-Unternehmen Frankreichs. Die Schwergewichte sind die Ölgesellschaften Total und Air Liquide, die Luxuskonzerne LVMH> und L’Oréal, die Pharmafirma Sanofi, Airbus und der Nahrungsmittelkonzern Danone. Diese haben aktuell zusammen ein Gewicht von 45 Prozent im Index. Da das Barometer viele nichtzyklische Titel enthält, ist die Volatilität geringer als beim DAX. Die Dividenden werden reinvestiert.

Oddo BHF Avenir
Nebenwerte aus Frankreich


Der von der Gesellschaft Oddo BHF aktiv gemanagte Fonds investiert in französische Mid und Small Caps aus zyklischen und nichtzyklischen Branchen. Diese müssen leistungsstark und international ausgerichtet sein. Der gebührenmäßig nicht gerade preiswerte Fonds hat in den vergangenen zehn Jahren mit einer jährlichen Rendite von 12,5 Prozent und in den vergangenen fünf Jahren mit 8,1 Prozent Rendite per annum überzeugt.