Börsianer gelten als rational. Dabei ist ihr Verhalten häufig alles andere als das. Etwa dann, wenn Vertreter verschiedener Denkrichtungen ihren Ansatz als allein selig machend preisen. So gibt es Charttechniker, die nichts von Bewertungskriterien halten, und fundamental ausgerichtete Anleger, die Charttechnik rundweg ablehnen. Dabei kommt es auf die richtige Mischung an: Wer Charttechnisches und Fundamentales sinnvoll kombiniert, dem winken die besten Ergebnisse.

Langfristig angelegte Studien zeigen für den US-Aktienmarkt jedenfalls die besten Performance-Werte für eine Kombination aus Value- und Momentum-Strategien. Das heißt, es lohnt sich, auf werthaltige Investments zu setzen, die eine relative Kursstärke gegenüber dem Gesamtmarkt aufweisen. Nicht bezahlt macht sich hingegen die beliebte Vorgehensweise, zu Jahresbeginn auf die Verlierer des Vorjahres zu setzen. Beim Stoxx Europe 600 Index brachte diese Vorgehensweise in den vergangenen 19 Jahren laut Credit Suisse HOLT nur viermal mehr Erfolg als weiter auf die Vorjahresgewinner zu setzen. Das deckt sich mit der Erfahrung, wonach Auf- und Abwärtstrends oft sehr beharrlich sein können. Allerdings laufen Anleger Gefahr, bei Käufen in eine Hausse hinein zu viel für ihre Investments zu zahlen. Dies lässt sich vermeiden, indem Investoren auf Titel setzen, bei denen trotz viel Kursschwungs die Bewertungen noch vertretbar sind. Umgesetzt wird dieser Ansatz beim Priamos Fonds des Vermögensverwalters StarCapital. Der dortige Leiter der Kapitalmarktforschung, Norbert Keimling, erstellt regelmäßig ein Länder- und Branchenranking, das die Bewertung und das Kursmomentum berücksichtigt. Die derzeit fünf bestplatzierten Länder und Branchen zeigt die folgende Tabelle:



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Nicht nur auf Bewertung achten

Warum es sich lohnt, dieser Tabelle Beachtung zu schenken, erklärt Keimling wie folgt: "Viele Value-Investoren fokussieren sich dogmatisch auf Bewertungskriterien. Hierbei wird ignoriert, dass Value-Aktien immer noch günstiger werden können. Da sie in der Regel mit einem unterdurchschnittlichen Momentum einhergehen, nehmen viele Value-Investoren zwangsläufig ein momentumschwaches Portfolio in Kauf. Dies birgt Nachteile, da Aktien mit negativem Momentum zu einer vergleichsweise schwachen Wertentwicklung neigen. Investiert man hingegen erst dann in Value-Aktien, wenn sie eine Bodenbildung abschließen und Momentum aufbauen, verbessert man das Timing der Value-Investitionen signifikant."

Wer das ähnlich sieht, der dürfte derzeit auf Länderebene vor allem an China und der Türkei Gefallen finden. Die beiden Märkte können sowohl mit attraktiver Bewertung als auch mit hohem Momentum aufwarten. Die zweitplatzierte Börse Russland punktet nur über die Bewertungsschiene, liegt bei der Relativen Stärke aber weit hinten. China und die Türkei belegen bei der Relativen Stärke die Plätze 3 und 1 und bei der Bewertung die Ränge 13 und 17. Konkret beträgt das Markt-KGV für China trotz der jüngsten starken Kursgewinne 10,1. Im Falle der Türkei liegt es bei 12,7.

Auch die indische Börse kann in Sachen Relative Stärke punkten, doch ein hohes KGV von gut 19 bringt hier bei der Bewertung nur einen hinteren Tabellenplatz. Europa weist Keimlings Ranking nicht als eigenständige Region aus. Berücksichtigung finden nur einzelne europäische Länder. Der Euro-Stoxx-600-Performance-Index hat zuletzt aber eindeutig relative Stärke aufgebaut, wie die jüngsten neuen Kursrekorde unterstreichen. Kurzfristig gilt es jetzt zwar erst einmal, die mit dem Regierungswechsel in Griechenland verbundenen Unsicherheiten zu verkraften. Langfristig gesehen stimmt die Kursrichtung aber. Die Bewertung erscheint auf Basis zyklisch angepasster Gewinne vertretbar.

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Versicherer absolut top

Beim Blick auf Branchenebene stechen Nicht-Lebensversicherer mit attraktiver Bewertung und hohem Momentum heraus. Ausgewogen ist das Verhältnis von Bewertung und Relativer Stärke auch im Holz- und Papiersektor. In Ermangelung passender Branchenzertifikate setzen wir auf den Rückversicherer Munich Re und den britisch-südafrikanischen Papier- und Verpackungshersteller Mondi. Der Öl- und Gassektor hat zwar Value zu bieten, es fehlt aber an Kurspower. Das genaue Spiegelbild dazu liefern die Branchen Gesundheit und Pharma: Hier stimmt das Momentum, aber die Bewertung ist hoch. Eine Wildcard hat sich der Autosektor verdient: Die Bewertung ist mit einem KGV von 12,9 und einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von 0,6 vernünftig. Bei der bisher nur durchschnittlichen Relativen Stärke winkt zumindest den vom schwachen Euro profitierenden europäischen Autobauern bald eine bessere Platzierung. Der Stoxx-Europe-600-Automobiles & Parts-Performance-Index hat kürzlich neue Höchststände markiert. Es dürften nicht die letzten gewesen sein.

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