Etliche Anleger bewerten Deutschland und Europa sehr kritisch. Einige Fondsmanager wissen, dass die Region ein guter Platz für talentierte Anleger ist. Von Jörg Billina, Ralf Ferken, Stephan Haberer, Julia Pfanner und Stefan Rullkötter

In Deutschland und Europa ist die Lage paradox. Zwar legten die Indizes für deutsche und europäische Aktien im Jahr 2019 deutlich zu. Dennoch befürchten viele Anleger, dass dieser Aufschwung bald endet. Denn die deutsche Autobranche steht vor einem Umbruch, Großbritannien muss den Austritt aus der Europäischen Union verkraften, und in Frankreich streiken die Gewerkschaften gegen die geplante ­Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron. Zudem glauben viele Anleger, dass China und die USA den Alten Kontinent künftig abhängen werden.

Doch ist die Lage wirklich so trist? Wohl nicht ganz. So kann der deutsche Softwarekonzern SAP beispielsweise mit seinen US-Konkurrenten mithalten. Im DWS Aktien Strategie Deutschland gewichtet Manager Hansjörg Pack SAP-­Aktien daher mit zehn Prozent. Das gilt genauso für Christian von Engelbrechten, der den Fidelity Germany managt.

Auf Titel, die sie nicht mögen, können beide Manager verzichten. So hält von Engelbrechten etwa keine Anteile an BMW, Daimler und VW. Auch Pack sieht die deutsche Autobranche kritisch, weil sie in den nächsten Jahren hohe Investitionen stemmen muss. Er folgt hier dem sportlichen Motto, dass der Sturm die Spiele gewinnt, die Abwehr aber die Meisterschaften. "Die großen Unfälle muss man im Fondsmanagement genauso vermeiden", sagt er.

Europäischer Luxus.

Auch europaweit gibt es etliche Aktienperlen. So steigen die Aktien des französischen Luxuskonzerns LVMH immer weiter an. Mit Marken wie Christian Dior, Louis Vuitton, Moët & Chandon und Tiffany erobern die Franzosen die Weltmärkte. Luxus kann niemand so gut wie die Europäer, wovon etwa der Blackrock Continental Euro­pean Flexible Fund profitiert. Die ­Aktien des spanischen Blutplasmaherstellers Grifols wiederum steigen ebenfalls rasant und gehören beispielsweise zum Portfolio des Fidelity European Dynamic Growth. Grifols steht stellvertretend für viele kleinere europäische Firmen, die ihren Markt von unten aufrollen und die die Manager von Nebenwertefonds als Erste entdecken - in der Hoffnung, dass sie zu einem Bluechip aufsteigen.

In den kommenden Jahren sollten Anleger im Auge behalten, ob sogenannte Quality-Growth-Aktien weiterhin so gut laufen werden. Also Aktien, die stark und profitabel wachsen, gering verschuldet, bisweilen aber schon hoch bewertet sind. Die FundAward-Gewinner für deutsche und europäische Aktien setzen fast durchgehend auf solche Titel. Käme es zu einem Trendwechsel, etwa hin zu kaum verschuldeten Aktien, könnten sie ins Hintertreffen geraten. Bis dato ist ein solcher Trendwechsel aber nicht ­absehbar.

Marktcheck


Chancen Deutsche und euro­päische Unternehmen gelten als wenig innovativ und profitabel. ­Viele beweisen aber das Gegenteil.

Risiken Deutschland und Europa sind besser als ihr Ruf. Solange finanzkräftige US-Investoren dies jedoch nicht glauben, könnte das die Aktienmärkte ausbremsen.