Wenn von einem der ­bekanntesten Mischfonds in Deutschland, dem Ethna-Aktiv, die Rede ist, fällt fast unweigerlich der Name Luca Pesarini. Und es stimmt ja auch: Pesarini hat den Fonds zu einer Marke gemacht und lenkt ihn auch heute noch, aber nur als einer von drei Managern - mit einem klar abgegrenzten Bereich: Anleihen. Für die Währungspositionen des Ethna-Aktiv ist Arnoldo Valsangiacomo zuständig. Und für die Aktienseite seit 2018 Michael Blümke.

Der ehemalige Bundeswehroffizier wurde gezielt angesprochen, weil Pesarini im Ethna-Aktiv nicht mehr auf Einzelaktien setzen will. Dies habe sich nicht mehr bewährt. Stattdessen sollen mithilfe von Derivaten wie Futures und Optionen Erträge aus der Entwicklung von Aktienindizes gewonnen werden. Eine Aufgabe, die wie gemacht ist für Blümke, der sich nach seiner Bundeswehrzeit eingehend mit den Strategien von Hedgefonds-Managern auseinandersetzte.

€uro am Sonntag: Herr Blümke, was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie das Angebot bekamen, im ­Management des milliardenschweren Mischfonds Ethna-Aktiv mit­zuwirken?

Michael Blümke:

Ich habe es ganz klar als spannende Herausforderung gesehen. Ehrlicherweise muss ich aber sagen, dass für mich als institutioneller Anleger die Marke Ethenea damals nicht wirklich präsent war, da das Unternehmen ja ein anderes Kundenspektrum anspricht. Erst im Zuge des Kennenlernens habe ich mich in die Historie von Ethenea eingearbeitet. Der Ethna-Aktiv ist ja einer der bekanntesten Mischfonds für Privatanleger. In den vergangenen Jahren gab es aber doch deutliche Mittel­abflüsse ...

Wissen Sie, ich habe schon vorher Fonds gesehen, die schnell groß geworden sind und dann wieder An­lagevermögen verloren haben. Das war nicht zwangsläufig immer negativ. Für mich steht der Herausforderungsaspekt im Vordergrund: zu schauen, wie ich mit meinem Hintergrund und meiner Expertise unterstützen kann. Wie ist Ethenea ausgerechnet auf Sie gestoßen?

Die Verantwortlichen für den Ethna-Aktiv - Luca Pesarini, Arnoldo Valsangiacomo und damals noch Thomas Herbert - brauchten insbesondere auf der Aktienseite jemanden, der die Steuerung des Expo­sures mittels Derivaten in größerem Umfang und im institutionellen Kontext schon mal gemacht hat. Über Gespräche und Netzwerkkontakte ist man schließlich auf mich gestoßen. Und direkt nach dem ersten Gespräch war es sowohl für mich als auch für Luca Pesarini klar, dass das eine längerfristige Zusammenarbeit werden würde.

Sie waren zwölf Jahre bei der Bundeswehr, davon fünf Jahre bei den Gebirgsjägern in Mittenwald, danach bei der Bayerischen Versicherungskammer. Wie ging dieser Wechsel vonstatten?

Tatsächlich habe ich nicht so den ganz typischen Fondsmanager-Lebenslauf. Mich hat die Begeisterung für Kapitalanlage während meines Studiums gepackt. Ich hatte zum ersten Mal etwas Geld zur Verfügung - und Zeit, mich damit zu beschäftigen. Dann habe ich angefangen zu spekulieren, ohne wirklich tief greifend Ahnung davon zu haben. Dieses Learning by doing hat mich aber weitergebracht, und mir war schnell klar, dass dies die Richtung ist, in der ich mich beruflich entwickeln möchte.

Wie wurde der Wunsch dann ­Wirklichkeit?

Das war gar nicht so einfach. Versuchen Sie mal, nach zwölf Jahren Bundeswehr, ohne Banklehre und nur mit einem Abschluss in BWL einen Job in der Finanzbranche zu bekommen. Ich hatte das Glück, dass nach einem kurzen Praktikum bei der Fondsgesellschaft Pioneer mein damaliger Chef bei der Versicherungskammer dieses Risiko eingegangen ist. Der sagte: Ich brauche für das Management unseres Hedge­fonds-Portfolios einen jungen, dynamischen Mitarbeiter, der bereit ist, sich dort einzuarbeiten. Den haben Abitur- und Studiumszeugnis mehr interessiert als jahrelange Erfahrung. Für mich jedenfalls war das die Chance, vom Militär in die Finanzbranche zu wechseln und letztlich vielen sehr erfahrenen ­Asset-Managern über die Schulter zu schauen.

Welche Erfahrungen haben Sie ­dabei gesammelt?

Die Versicherung investiert in sehr viele Drittmanager, deren Arbeitsweise und Anlagekonzepte wir sehr genau analysiert haben. Das heißt, gerade im Private-Equity- und Hedge­fonds-Bereich hatte ich die Möglichkeit, den Profis in London, Zürich und New York nicht nur in die Bücher, sondern bei der täglichen Arbeit über die Schulter zu blicken. Ein wesentlicher Bestandteil unserer Due Diligence war es, die Prozesse zu verstehen und uns die Entscheidungswege anzuschauen.

Sie mussten die Arbeit anderer Fondsmanager bewerten.

Richtig. Ich habe Dutzende von Fondsmanagern gesehen mit verschiedenen Ansätzen: managerzentriert, teamorientiert, quantitativ, diskretionär. Heute kann ich versuchen, das Beste aus all diesen Welten zusammenzuführen und an die DNA von Ethenea anzupassen.

Die Entscheidung, beim Ethna-­Aktiv nicht mehr auf Einzelaktien, sondern via Derivate auf Indizes zu setzen, fiel bereits vor Ihrem Amtsantritt?

Ja, das dürfte bereits 2017 gewesen sein. Damals reifte die Erkenntnis, dass es nicht der beste Einsatz der raren Ressourcen ist, sich im Stockpicking der Konkurrenz von vielen Tausend anderen Analysten auszusetzen. Der Mehrwert, den Ethenea schon immer geliefert hat, ist die Vermögensaufteilung auf Anlageklassen. Man kann sicherlich noch ein klein bisschen mehr verdienen über die Selektion von Einzeltiteln. Doch das ist mit dem Ethna-Aktiv nicht in jedem Jahr gelungen. Deshalb war es einfach nur konsequent zu sagen: Das machen wir nicht mehr. Wir konzentrieren uns auf die strategische Asset Allokation. Denn es ist auch akademisch nachgewiesen, dass der hauptsächliche Mehrwert durch diese Entscheidung kommt.

Mit dem Ethna-Dynamisch bietet Ihr Haus einen Fonds an, der explizit auf Einzeltitelauswahl setzt. Wäre es da nicht naheliegend, diese Expertise auch für den Ethna-Aktiv zu nutzen?

Das wollten wir bewusst nicht. Die Verantwortlichkeiten bei unseren Fonds sollen klar getrennt sein. Natürlich könnte man versuchen, das Aktienportfolio des Ethna-Dynamisch in den Ethna-Aktiv hineinzuskalieren. Doch Einzeltitel, die sich im Ethna-Dynamisch zu einem stimmigen Portfolio addieren, sind im Kontext des Ethna-Aktiv vielleicht gar nicht stimmig. Wenn dann noch ein Lead-Portfoliomanager kommt und an den Einzeltiteln herumhantiert, zerstört das das ganze ausgewogene Aktienportfolio.

Sie meinen: Zu viele Köche verderben den Brei.

Genau. Es geht um klar getrennte Zuständigkeiten. Das habe ich in meiner Zeit bei der Bundeswehr gelernt: Verantwortung ist unteilbar. Da ist was Wahres dran. Es muss einen geben, der den Hut aufhat. Ich kann nicht meine Kollegen vom ­Ethna-Dynamisch etwas im Ethna- Aktiv managen lassen. Es ist besser, dass ich zwei Fonds habe, die je eine Strategie verfolgen. Einmal einen Fonds, der sich auf die Asset Allo­kation fokussiert, und einen anderen, der sich auf die Selektion spe­zialisiert.

Bei den Anlageentscheidungen im Ethna-Aktiv spielen Bewertungskriterien eine große Rolle. Wie gehen Sie konkret vor?

Es handelt sich um einen mehrstufigen Prozess. Der erste Schritt ist: In welche Anlageklasse möchte ich investieren? Aktien, Anleihen, Währungen, Rohstoffe? Hierbei geht es um die relative Attraktivität, um Fragen wie: Welches Zinsniveau haben wir vorliegen, mit welchem Kurs-Gewinn-Verhältnis werden Aktien bewertet? Wenn ich mich dann beispielsweise entschieden habe, dass ich 20 Prozent Aktien haben will, muss ich nach attraktiven Regionen suchen. Hier spielt dann die Bewertung in Relation zum Wachstum der Unternehmen eine entscheidende Rolle.

Dann ist das Portfolio fertig kon­s­truiert?

Fast. Denn als drittes Entscheidungskriterium betrachten wir auch noch das Momentum von Aktien, um das Portfolio taktisch auszurichten.

Das hört sich sehr kennzahlen­orientiert an. Welche Rolle spielen Prognosen bei Ihrer Arbeit?

Alles, was Kollege Computer an Bewertungszahlen auswirft, enthält erst mal Vergangenheitsdaten. Das ist schon im Preis verinnerlicht. Der Mehrwert, den wir als aktive Portfoliomanager liefern, ist, dass unsere Entscheidungen ausschließlich auf Prognosen basieren - seien es die von Analysten oder unsere eigenen. So gesehen, stützt sich unser Portfolio zu 100 Prozent auf Prognosen. Muss es auch, ansonsten hätten wir das beste Portfolio für die vergangenen zwölf Monate. Wir wollen aber ein gutes Portfolio für die kommenden zwölf Monate haben.

Würden ein, zwei schlechte Börsenjahre dem Ethna-Aktiv entgegenkommen, weil er dann beweisen könnte, dass er Anleger gut durch Turbulenzen bringt?

Wir haben ja 2018 schon ein schlechtes Jahr erlebt, und da haben wir uns nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Grundsätzlich wünschen wir uns kein schlechtes Jahr. Zwar würde das in der Regel mit einer relativen Outperformance des Ethna-Aktiv einhergehen. Aber ob der Fonds dann absolut Geld verdienen würde, sei mal dahingestellt. Unser Anspruch ist es, nicht nur in einem defensiven Umfeld zu glänzen, sondern auch in einem normalen, positiven. Und mit unseren optimierten Prozessen glaube ich, dass uns das auch gelingen kann.

Sie streben mit dem Ethna-Aktiv ein asymmetrisches Risikoprofil an. Was verstehen Sie darunter?

Ich erkläre das mal mit einem Beispiel aus dem Aktienbereich, für den ich zuständig bin. Wenn ich mir eine Call-Option kaufe, zahle ich eine Prämie. Da ist der Maximalverlust vorgegeben: Ich kann die Prämie verlieren. Auf der anderen Seite kann der Wert der Call-Option theo­retisch unendlich steigen. Wenn ich das jetzt auf den Aktienindex meiner Wahl anwende, habe ich eine schöne asymmetrische Positionierung. Wenn der Markt so steigt, wie ich das annehme, kann ich überproportional gewinnen, obwohl ich nur mit einem begrenzten Betrag ins Risiko gegangen bin. Mit mehreren solcher Optionen lässt sich ein attraktiver Portfoliobaustein bilden. Und wenn ich fünf oder zehn Jahre lang so investiere, werde ich besser abschneiden als der Markt - egal in welche Richtung er zwischenzeitlich gelaufen ist.

Ein asymmetrisches Risikoprofil, so wie Sie es beschreiben, findet sich auch bei Wandelanleihen. Ist das keine Option für den Ethna-­Aktiv?

In Wandelanleihen sind wir nicht investiert. Das ist ein Spezialmarkt. Und ich halte ihn in einem Umfeld wie jetzt, in dem die Zinsen so niedrig sind, für unattraktiv. Den Reiz von Wandelanleihen macht ja der Wert der Option aus, die man dort noch mehr oder weniger für umsonst bekommt. Da gibt es aber größere Spezialisten als uns. Das war und ist ein Markt, der zu 90 Prozent von Hedgefonds dominiert wird.

In Ihrem Fonds finden sich aktuell auch Positionen auf Rohöl und Gold. Was ist der Hintergrund?

Zunächst einmal: Gold ist ein sehr schöner Diversifikator. Öl ist das übrigens auch. Denn in Zeiten, in denen es kriegerische Unruhen gibt, gerade im Nahen Osten, kann der Ölpreis durch die Decke gehen, während Aktien und Bonds Schwierigkeiten bekommen. Auf der anderen Seite bietet Öl aktuell auch eine Investmentchance. Denn wenn die Rezession doch nicht so zum Tragen kommt wie noch im Dezember an den Märkten erwartet, ist der Ölpreis einfach zu weit gefallen. Mit den schon beschlossenen Förderkürzungen ist Rohöl sehr gut unterstützt und hat Raum zum Steigen.

Gibt es sonst noch Rohstoffe, in die Sie investieren? Natürlich gibt es weitere interessante Rohstoffe. Die erfordern allerdings noch tieferes Fachwissen. Deshalb fühlen wir uns wohler, entweder nicht zu investieren oder über einen breiteren Rohstoffindex zu gehen. Zum Beispiel, wenn man von steigender Inflation und gutem Wirtschaftswachstum ausgeht, sollten Industriemetalle auf breiter Front steigen und man würde somit indirekt profitieren. Da muss man nicht in einzelne Rohstoffe wie Palladium investieren. Zumal die In­s­trumente, die uns dort als Publikumsfonds zur Verfügung stehen, recht begrenzt sind. Die wirklich kritische Größe haben nur Öl und Gold für uns.

Neben Rohstoffen sind Sie auch bei Währungen positioniert. Derzeit haben Sie den US-Dollar stärker gewichtet. Warum?

Zurzeit lacht uns nicht wirklich etwas anderes an. Und losgelöst von der aktuellen Stärke hat der Dollar die positive Eigenschaft der Fluchtwährung. Das heißt: Wenn irgendetwas passieren sollte, repatriieren die Amerikaner ihre Dollars, die Währung steigt, und wir haben einen positiven Beitrag zu unserem Portfolio. Sie sehen also, der Fonds ist an verschiedenen Stellen kon­servativ aufgestellt, sodass wir eine größere Marktverwerfung gut auffangen können.

Vita:

Ungewöhnliche Karriere
Michael Blümke (42) studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität der Bundeswehr in München. Nach zwölf Jahren als Offizier begann er seine Laufbahn in der Vermögensverwaltung bei der Versicherungskammer Bayern, wo er sich intensiv mit Hedgefonds- Strategien beschäftigte. 2014 wurde er zum Leiter Alternative Investments bei Tecta Invest, einer Tochter der Versicherungskammer Bayern, befördert. Seit 2018 ist er Senior Portfolio Manager bei Ethenea Independant Investors in Lu­xemburg und für den Aktienteil des Ethna-Aktiv verantwortlich.

Der Fonds:

Ethna-Aktiv
Mit gut vier Milliarden Euro Volumen ist der Ethna-Aktiv (ISIN: LU 013 641 277 1) der Flaggschifffonds der Luxemburger Gesellschaft Ethenea. Große Bekanntheit erlangte der ­Mischfonds, nachdem er nur mit geringen Verlusten durch die Finanzkrise gesteuert war. Es folgten weitere erfolgreiche Jahre, sodass der Fonds insbesondere von deutschen Anlegern mit Geld überschüttet wurde. Seit einigen Jahren jedoch läuft es nicht mehr rund - und viel Kapital floss ab. Nun soll mit einem geänderten Ansatz und der Hilfe von Michael Blümke die Wende gelingen.